aus telegraph 7/8 1996 (#90)
Friedensgespräche in Chiapas zusammengebrochen
Mon, 12 Aug 1996, SAN ANDRES LARRAINZAR, Mexiko (Reuter), Chiapas 95: Die mexikanische Regierung und die Zapatista-Rebellen beschuldigten sich am 12. August in Stalemate gegenseitig, Schuld am Scheitern weiterer Fortschritte bei den Verhandlungen zu tragen.
„Die ablehnende Haltung der EZLN (Zapatistische Nationale Befreiungsarmee) hat uns an der Abschließung von Vereinbarungen gehindert“, sagte Hauptverhandlungsleiter der Regierung, Marco Antonio Bernal. „Es ist absolut klar, daß es mit dieser Regierungsdelegation unmöglich ist, den Prozeß von Dialog und Verhandlungen weiter zu führen“, meinten die Zapatisten in einer Verlautbarung.
Die Zapatista-Rebellen begannen am Neujahrstag 1994 einen bewaffneten Aufstand für die Rechte der Indigenes, mehr Demokratie und Landreformen. Sie sind seitdem beinahe 18 Monate in Verhandlung mit der Regierung und feuerten seit den ersten 10 Tagen der Rebellion kaum einen Schuß ab.
Die letzte Runde der Gespräche war geplant, um Abkommen über „Demokratie und Gerechtigkeit“ zu treffen, den zweiten Punkt der Agenda. Die zwei Seiten haben über diesen Gegenstand fünf Monate gesprochen, seitdem sie ein erstes Abkommen über Rechte der Indigenes unterzeichneten. Die beiden Seiten, sagten die Vermittler, stellten die weiteren Diskussionen bis zum 4. September ein.
„Für diese Regierungsdelegation können die Gesetze, Institutionen und die Praxis der Beamten nur perfektioniert werden und haben es nicht nötig, verändert zu werden“, heißt es in der Verlautbarung der Rebellen, die in der Bergsiedlung veröffentlicht wurde, in der die Gespräche vom Kommandante Tacho geführt worden waren.
Er beschuldigte das Regierungsteam, „hochmütig und rassistisch“ zu sein. Das Regierungsteam wies seinerseits das „Ansinnen“ zurück, „auszuwählen, mit welchen Personen der Regierung gesprochen werden soll“ und meinte, die Rebellenführer hätten „wachsenden Radikalismus“ gezeigt.
Die Rebellen, die nach dem Austausch des Teams um Bernal verlangten, hätten „alles oder nichts“ in den Gesprächen gesucht, sagte Bernal und fügte hinzu: „Sie gehen jetzt mit nichts.“
Einen wirklichen Friedensschluß wird nur ein Abkommen über Demokratie und Gerechtigkeit sowie über drei weitere Punkte bringen. Vermittler des mexikanischen Parlaments und der katholischen Kirche sagte, beide Seiten würden ihre Vorgesetzten konsultieren, bis sie sich wieder treffen.
Bernal sagte, die Regierung bleibe einer friedlichen Lösung des Aufstandes in Chiapas verpflichtet, während die Rebellen die Administration von Präsident Ernesto Zedillo beschuldigten, eine militärische Option offen zu halten, um die Zapatistas zu zerschlagen.
Die G7 bedrohen die Redefreiheit und die Privatsphäre in den Online Medien
Warnung einer Koalition von Online-Bürgerrechtsorganisationen, August 1996: Am 30. Juli traf sich die Gruppe der G7-Nationen in Paris, um über den Terrorismus zu diskutieren. Neben anderen Punkten haben die G/ eine Reihe von Restriktionen und Kontrollen des Internets gut geheißen. Diese enthalten das Verbot oder die Zensur von Quellen des Internets, die gefährliche Informationen enthalten könnten, Beschränkungen der elektronischen Redefreiheit von unpopulären politischen Organisationen und behördlich angeordnete und einsehbare Verschlüsselungsverfahren und andere Mittel, die den Regierungen erlauben, die Privatsphäre verschlüsselter Dokumente zu verletzen.
Diese teilweise ernst zu nehmenden Drohungen, welche mit vergangenen Ereignissen wie der Bombe in Atlanta und dem Absturz des TWA-Flugzeugs begründet werde, sind nur ein anderer Fall in der langen Liste der Versuche die Redefreiheit in den elektronischen Medien zu beschränken. Warnende Beispiele gibt es bereits in vielen Ländern, darunter Australien, Belgien, China, Frankreich, Deutschland, Saudi Arabien, Singapure, den USA und Vietnam, unter wechselnden Vorwänden, angefangen von Pornografie über Terrorismus bis zu falschen politischen Meinungen.
Das „anstößige“ Material, das dabei im Blickfeld steht unterscheidet sich nicht von gleichem, das in Bibliotheken und Buchhandlungen erhältlich ist. Was offline legal ist, muß auch online legal sein. Wenn Material nicht in Zeitungskiosken oder Universitäts-Bibliotheken zensiert werden kann, darf es auch nicht in den Zeitungskiosken und Bibliotheken der Zukunft zensiert werden.
Gesetzgeber und Bürokraten drängen auf eine schnelle Verabschiedung von Gesetzen die die Zensur einführen und das Eindringen in die Privatsphäre möglich machen sollen. Die Versuchen durch Beschwörung des Terrorismus die Öffentlichkeit vor der Einmischung in diese Gesetzesvorhaben abzuhalten.
Weil das Internet global ist und jede Kultur ihre eigene Vorstellung darüber hat, was zulässig ist und was nicht, muß die offene Natur des Internets geschützt werden. Keiner lokalen Gesetzgebung sollte es erlaubt werden, ihre Vorstellungen, der übrigen Welt aufzudrängen…
Hintergrund
… Seit seinem Beginn hat das Internet jedes Jahr sein Größe verdoppelt. Wenn dieses Wachstum anhält, werden mehr als eine Billion Leute um die Jahrhundertwende benutzen. Jeder dieser Benutzer kann ebenso einfach Material benutzen wie lesen. Das Internet hat die Möglichkeit, die Arbeit von demokratischen Verwaltungen zu verbessern und die Freiheit rings um die Welt zu verbreiten.
Nach den letzten Bombenattentaten in den USA und anderswo, aus dem Internet Informationen über Explosivstoffe und über andere Gegenstände zu verbannen, die für Terroristen interessant sein könnten. Die antiterroristische Hysterie ist ein Vorwand für Versuche von Regierungen geworden, die Online-Redefreiheit zu unterdrücken, die bisher durch Verfassungen, Gesetze und die UN-Deklaration der Menschenrechte garantiert war.
Informationen darüber, wie Bomben zu bauen sowie über andere Dinge, die verboten werden sollen und oftmals von den Regierungen als Gründe für Zensur angeführt werden, sind überall erhältlich. Wenn solche Informationen aus dem Internet verbannt werden, sind sie weiterhin überall verfügbar. Dennoch könnte eine solche Argumentation ein Vorwand zur Zensur gegen jede Debatte oder Meinung werden, die den Politikern oder großen Interessengruppen nicht gefällt. Aber das ist eine klare und einfache Verletzung der Freiheit der Rede, kein Gegenstand, der diskutiert werden könnte.
Gegenwärtig ist die Kommunikation über Internet wie das Senden von Botschaften auf Postkarten. Jeder zwischen Sender und Empfänger kann die Botschaft lesen. Verschlüsselungstechnologie (data scrambling) kann genutzt werden, um die Privatheit der Kommunikation zu schützen. Die dazu verfügbare Technologie ist bis jetzt kein Teil des Internet, weil Geheimdienste und Gesetzgeber permanent Druck ausgeübt haben.
Einige Länder wie die Vereinigten Staaten behandeln die Verschlüsselungstechnologie als sei sie eine Waffe wie Raketen oder Maschinengewehre und verboten ihren Export. Andere Länder wie Frankreich haben ein regelrechtes Verbot von Verschlüsselung. Eine solche Politik unterminiert die Informationsstruktur nicht nur lokal, sondern global und ermöglicht über die Computernetzwerke Industriespionage und, wie wir letztlich bei der Ausspähung des Europäischen Parlaments sahen, ebenso Spionage von Regierung als auch private kriminelle Verwendung.
Die G7 forderten eine Möglichkeit alle Botschaften zu lesen, die von Terroristen abgesendet werden. Der einzige Weg das zu erreichen ist, die Möglichkeiten zu erhalten, die Botschaften von allen zu lesen. Was die G7 also fordern ist, daß die Privatheit sämtlicher Kommunikation im Namen der Bekämpfung des Terrorismus eingeschränkt wird. Kein wirklicher Terrorist wird ein solches einsehbares System benutzen, weil andere Möglichkeiten für das Absenden verschlüsselter Botschaften schon existieren und überall erhältlich sind. Tatsächlich verlangen die G7, daß wir alle die Privatheit unserer Kommunikation aufgeben – ohne irgendeinen Nutzen davon zu haben.
Was kannst du tun?
1. Sei wachsam, was deine Regierung tut oder plant. Nimm Kontakt zu deinem Gesetzgeber auf und fordere sie auf, die Privatsphäre und die freie Rede im Internet zu schützen. Schreibe an Publikationen in deinem Land oder fordere sie auf, über jede freiheitsbeschränkende Aktion der Regierung zu berichten, von der du weißt.
2. Schließe dich Online-Bürgerrechtsorganisationen an. Sieh am Ende dieser Information die Kontaktinformationen zu verschiedenen dieser Organisationen.
3. Wenn es noch keine Online Bürgerrechtsorganisation in deinem Land gibt, warum gründest du nicht eine? Einige Anregungen, wie eine solche Organisation gegründet werden kann, findest du unter: http://pobox.com/~mbaker/creating.html und http://www.well.com/~jonl/bonfire.html
Wie kann ich mehr erfahren?
Weitere Details über das G/-Treffen und seine Auswirkungen auf das Netz sind in den Veröffentlichungen der Global Internet Liberty Coalition zu finden: http://www.aclu.org/gilc/index1.html
Für eine Zusammenfassung der Anstrengungen rund um die Welt, das Internet zu zensieren, siehe den „10 May 96 Silencing the Net“-Bericht auf der Menschenrechts-Gopher-Seite:: gopher://gopher.igc.apc.org:5000/11/int/hrw/general
Für den Hintergrund der weltweiten Bemühungen, das Netz zu zensieren, sieh folgende Web-Seiten: http://www.eff.org/~declan/global/ und http://www.io.org/~sherlock/doom/threat.html
Für Informationen über globale und internationale Bemühungen um Online-Freiheit sieh die Electronic Frontier Foundation web site http://www.eff.org/pub/Global/
Organisationen
Die folgenden Organisationen haben diese Warnung verfaßt:
ALCEI – Electronic Frontiers Italy * http://www.nexus.it/alcei.html
CITADEL – Electronic Frontier France * pforsans@in-net.inba.fr
EFF-Austin (Texas) * http://www.eff-austin.org
Electronic Frontier Foundation (USA) * http://www.eff.org
Electronic Frontier Canada * http://www.efc.ca/
Electronic Frontier Ireland * http://www.efi.ie/
Electronic Frontiers Australia * http://www.efa.org.au
Elektronisk Forpost Norge (Electronic Frontier Norway) *
http://www.sn.no/~efn
Fronteras Electronicas Espan~a (Electronic Frontiers Spain) *
http://www.lander.es/~jlmartin/
HotWired * www.hotwired.com
Human Rights Watch * http://www.hrw.org
Offener Brief von Watch Indonesia an Außenminister Kinkel
…in Indonesien geht die Ära Suharto zu Ende: die Menschen fordern eine pluralistische, demokratische und freie Gesellschaft. Auf diese Forderungen reagiert die indonesische Regierung mit brutaler Gewalt.
Die Stürmung der Parteizentrale der Indonesischen Demokratischen Partei (PDI) am vergangenen Samstag löste in Indonesien die schwersten Unruhen seit der Konsolidierung der Herrschaft Suhartos aus. Über 10.000 Menschen haben in den letzten Wochen für Demokratie und Freiheit demonstriert, um ein Zeichen zu setzen für ihre Unterstützung der mit Regierungshilfe gestürzten Führerin der PDI, Megawati Sukarnoputri. Die Tochter des ersten Präsidenten, Soekarno, gilt inzwischen als Symbolfigur der Demokratiebewegung.
Wie am Dienstag, den 30.7.1996, von der staatlichen indonesischen Presseagentur ANTARA vermeldet, hat der Militärkommandant von Jakarta, Generalmajor Sutiyoso, seine Truppen angewiesen, keine weiteren Unruhen zu tolerieren und auf etwaige DemonstrantInnen sofort das Feuer zu eröffnen.
Entgegen anderen Staaten, wie z.B. den USA, hat die Bundesregierung bislang zu dem brutalen Vorgehen geschwiegen. Gerade die deutsche Regierung, mit ihren langjährigen guten Beziehungen zu der technokratischen Militärregierung in Indonesien darf dazu nicht schweigen. Sie hat vielmehr die moralische Pflicht und darüber hinaus als demokratischer Staat die Verantwortung, die menschenrechtsverachtende Politik des indonesischen Regimes öffentlich anzuprangern und sich für grundlegende demokratische Werte in Indonesien einzusetzen. Die Regierung eines Landes, das über Jahrzehnte hinweg unter dem unmenschlichen Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze leben mußte, darf den Schießbefehl gegen DemonstrantInnen in
Indonesien nicht hinnehmen.
Wir fordern die Bundesregierung auf,
– unverzüglich zu den aktuellen Ereignissen Stellung zu nehmen und das gewaltsame Vorgehen der indonesischen Regierung deutlich und öffentlich zu verurteilen,
– auf die indonesische Regierung dahingehend einzuwirken, daß der Schießbefehl auf DemonstrantInnen unverzüglich zurückgenommen wird,
– dafür Sorge zu tragen, daß die Unruhen der letzten Tage nicht zum Anlaß genommen werden, willkürlich Oppositionelle zu verhaften, wie z.B. den Generalsekretär der unabhängigen Gewerkschaft SBSI, Muchtar Pakpahan, und das Mitglied im Beirat der unabhängigen Wahlbeobachtungskommission KIPP, Ridwan Said, die sich beide unter den in den letzten Tagen Verhafteten befinden,
– dafür Sorge zu tragen, daß alle bereits Verhafteten unverzüglich freigelassen werden,
– sich bei der indonesischen Regierung nach dem Verbleib der über 150 UnterstützerInnen der SDI zu erkundigen, die seit den schweren Unruhen vermißt werden,
– unverzüglich alle Waffenlieferungen an die noch im Amt befindliche indonesische Regierung einzustellen, wie im übrigen zum wiederholten Male vom Europäischen Parlament in einer Resolution vom 20. Juni 1996 gefordert. Angesichts des jüngsten Einsatzes von Panzern gegen die UnterstützerInnen der PDI muß die im Frühjahr vom Bundessicherheitsrat genehmigte Ausfuhr nach Indonesien von 7 luftverladbaren Panzern des Typs WIESEL, die von der MAK Systemgesellschaft in Kiel gefertigt werden, umgehend gestoppt werden. Dabei ist es unerheblich, ob diese Panzer nach Meinung des Herstellers zur Aufstandsbekämpfung geeignet sind oder nicht;
– die nationale Menschenrechtskommission Indonesiens (KOMNAS HAM) bei ihrem Vorhaben zu unterstützen, das äußerst brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte zu untersuchen, und darüber hinaus
– auf multilateraler Ebene sich für die Einsetzung einer internationalen unabhängigen Untersuchungskommission einzusetzen,
– nach allen Kräften den Aufbau eines demokratischen Indonesiens zu fördern.
Wenn die Bundesregierung weiterhin zu den Terrorpraktiken der indonesischen Regierung schweigt, verliert ihre Menschenrechtspolitik jede Glaubwürdigkeit. Angesichts der
Duldung des Staatsterrors in Indonesien fehlt auch dem von Ihnen, Herr Dr. Kinkel, zusammen mit ihren Amtskollegen erst dieser Tage bekräftigten verstärkten Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus jede moralische Glaubwürdigkeit.
Deutschland darf nicht länger als Helfershelfer für menschenrechtsverachtende Regime dienen. Es muß eingehend überprüft werden, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen der für Oktober geplante Staatsbesuch von Bundeskanzler Kohl in Indonesien angesichts der aktuellen Entwicklung politisch noch angebracht erscheint. Wir erwarten, daß die Bundesregierung jetzt entschieden handelt. Die Früchte des von Ihnen oft beschworenen kritischen Dialogs sind für uns nicht erkennbar, was wir vernehmen ist unkritisches Schweigen.
Lassen Sie uns nicht auf das nächste Massaker warten!
Watch Indonesia! Vorstand
Demo in Berlin gegen indonesischen Schießbefehl
Watch Indonesia: Etwa 20-30 IndonesierInnen und Deutsche, darunter Mitglieder von Solidarity International, Watch Indonesia! und einigen anderen Organisationen, fanden sich in der Frühe des 7. August zu einer spontanen Demonstration vor dem Indonesischen Generalkonsulat in Berlin-Pankow zusammen. Auf mitgebrachten Transparenten war unter anderem zu lesen: SOLDATEN mit Schießbefehl SIND MÖRDER; LEUTE WIE WIR WERDEN IN INDONESIEN ERSCHOSSEN; WEG MIT DEM ANTISUBVERSIONSGESETZ FÜR OPPOSITIONELLE.
Während sich MitarbeiterInnen des Konsulates nach und nach durch einen Seiteneingang zu ihrem Arbeitsplatz begaben, um nicht in direkten Sichtkontakt mit den DemonstrantInnen zu geraten, waren zwei weitere Konsulatsangehörige bereits eifrig dabei, Fotos von DemonstrantInnen und mitgeführten Transparenten zu machen. Auf einem Notizblock hielten sie die Namen der ihnen persönlich bekannten DemonstrationsteilnehmerInnen fest.
Gegen 9.00 Uhr näherte sich ein Polizeifahrzeug, aus dem 3 Beamte ausstiegen, die zunächst die Personalien des Verantwortlichen aufnahmen. Nach Ansicht eines der Beamten,
stellte die Demonstration ein formales Vergehen gegen das Versammlungsgesetz dar, da es sich nicht um eine Spontandemonstration handelte. Eine Begründung für diese Wertung gab er nicht ab, kündigte aber an, der für die Demo Verantwortliche erhalte in wenigen Tagen Post von der Polizei.
Derselbe Beamte begab sich daraufhin zu einem längeren Gespräch in das Konsulatsgebäude, wo offenbar massiv versucht wurde, ihn dazu zu bewegen, die DemonstrantInnen aus dem Blickfeld des Konsulats zu vertreiben. Jedenfalls dachte er, nachdem er wieder vor der Tür erschienen war, laut darüber nach, wie er zwischen Demonstration und dem Konsulat einen Mindestabstand herstellen könne. Da die Demonstration ruhig und friedlich war, sich die DemonstrantInnen ausgesprochen freundlich gegenüber den Mitarbeitern und BesucherInnen des Konsulats verhielten und weder den Fußgänger- noch den Autoverkehr behinderten, blieb aber offen, auf welcher Rechtsgrundlage der Mindestabstand durchgesetzt werden sollte. Eine Antwort auf diese Frage erübrigte sich aber, da sich die Demo zu diesem Zeitpunkt bereits von selbst auflöste.
Zuvor wurden zwei Erklärungen von Solidarity International und Watch Indonesia! verlesen, die später an den Konsul übergeben werden sollten (Wortlaut der Erklärung von WI s.u.). Die zwei im Freien verbliebenen Polizeibeamten hörten aufmerksam zu und suchten das Gespräch mit dem Verantwortlichen. Beide zeigten sich stark interessiert an den Beweggründen, die zu der Demo führten, und zeigten keinerlei Verständnis für die Vorgänge in Indonesien und das Verhalten des Generalkonsulates, das sich zunächst weigerte, ein Protestschreiben von Watch Indonesia! entgegenzunehmen. Die beiden Beamten bekundeten offen Sympathie mit den DemonstrantInnen, lobten deren Verhalten und betonten, wie wichtig solche Aktionen zur moralischen Unterstützung der Menschen in Indonesien seien. Sie selbst erinnerten sich an die positive Wirkung, die ähnliche Aktionen vor der Ständigen Vertretung in Ostberlin früher auf DDR-Oppositionelle gehabt haben. Der Meinung ihres Dienstvorgesetzten, es handle sich bei der Demo um ein Formalvergehen, konnten sie sich nicht anschließen. Darauf angesprochen meinte der dritte Beamte später: „Ich bin aber besser geschult als die beiden“.
Buchstäblich im letzten Moment, als die DemonstrantInnen bereits aufbrechen wollten, erschien doch noch der Vizekonsul, Colonel Ariyono, der gleichzeitig der ranghöchste Vertreter des indonesischen Geheimdienstes in Berlin ist, vor der Tür des Konsulates und erklärte, er wolle den Verantwortlichen für die Demo sprechen. Ariyono, der zu weißem Hemd, Krawatte und dunklem Anzug eine rot-weiße Baseballkappe mit der Aufschrift „50 tahun Indonesia Merdeka – 50 Jahre Unabhängigkeit Indonesiens“ trug, glich eher einer Karikatur seiner selbst. Als Krawattennadel diente ihm – völlig unauffällig – ein kleines Mikrophon der Marke AIWA.
In indonesischer Sprache entschuldigte sich Colonel Ariyono zunächst dafür, daß er seinen Gesprächspartner leider nur hier am Gartentor empfangen könne. Der Vertreter von Watch Indonesia! versuchte, die Forderungen der DemonstrantInnen vorzutragen. Ariyono wehrte ab, war aber immerhin bereit, die schriftliche Erklärung entgegenzunehmen und versprach, diese aufmerksam durchzulesen. Seine einzigen Fragen an den Vertreter von Watch
Indonesia! waren (immer noch auf Indonesisch): „Sind Sie der Vorsitzende von Watch Indonesia!?“ – „Ja, ich bin einer von 5 Vorsitzenden.“ „Welche Staatsbürgerschaft haben Sie?“ – „Ich bin Deutscher.“ „Dann kümmern Sie sich um deutsche Probleme! Um die indonesischen Angelegenheiten werden wir uns kümmern.“ Aufgebracht über soviel Arroganz fielen ihm zwei Indonesier ins Wort: „Aber wir sind doch Indonesier – und wir wollen genau
dasselbe“ – „Das weiß ich, daß sie Indonesier sind,“ sagte Colonel Ariyono und beendete das Gespräch.
Dringender Solidarittsaufruf mit den Arbeitern im Donbass-Gebiet
Moskau, 7.8.96
Liebe Genossinnen,
der Streik von 170.000 Kohlekumpeln und anderen Arbeitern im DonbazBecken, der im Juli begonnen hatte, ist von den staatlichen Autoritäten zerschlagen worden. Die Arbeiter hatten die Auszahlung ihrer Löhne verlangt, die sie bereits seit mehreren Monaten nicht mehr bekommen hatten.
Das Streik-Komitee von Donezk, der Hauptstadt des Donbaz-Gebiete wurde für ungesetzlich erkärt, die Gewerkschaft der Kohlearbeiter wurde gezwungen, sich aufzulösen.
Michail Krilov, der Vorsitzende des Streikkomitees und Michail Skrinski, ein Arbeiter der Mine „Orolchovskaya“ sowie Petr Kit, der Vorsitzende der Gewerkschaftsföderation von Lugansk, sind in Haft.
Ein Repräsentant des Innenministeriums erklärte am 28.7.97, es gebe Anklagen wegen krimineller Aktivitten gegen 7 Arbeiter und Gewerkschaftsaktivisten. Die Anklagen lauten „Störung der Öffentlichen Ordnung nach § 187 des Strafgesetzbuches und „Unterbrechung des Verkehrs“ – während Blockade-Aktionen – nach § 217 des Strafgesetzbuches.’Der Prozeß gegen M. Krilov beginnt in denn nächsten Tagen, die anderen sind in Vorbereitung.
Die ArbeiterInnenbewegung der Ukraine benötigt dringend Solidaritt! Bitte organisiert Protestaktionen vor Botschaften und anderen ukrainischen Vetretungen in möglichst vielen Lndern, damit die inhaftierten unverzglich freigelassen werden und die Anklagen zurckgenommen werden.
Bitte schickt Protestresolutionen an:
Mr. Leonid Kuchma (sorry, sehr unleserlich, hoffe, er heilt wirklich so)
Prsident der Ukraine
Bankovaya 11
Kiew, Ukraine
Solidaritt wird siegen helfen!
FÜr die KRAS, Wadim Damier
Weiterer Kontakt:
FAU-IAA
Bonn
AnarchosyndikalistInnen
Tel.&Fax: 0228/695193
c/o Buchladen Le Sabot
Breitestr.76
53111 Bonn
Termine
7. September, 12 Uhr, Berlin, Lustgarten: Demonstration des Bündnisses gegen Sozialabbau und der Gewerkschaft HBV, „Fünf nach Zwölf/ Gegen die Sparschweine in Bonn und Berlin
8. September, 19.00 Uhr, Kato, Berlin-Kreuzberg, im U-Bhf Schlesisches Tor: Reimar Gilsenbach, der Senior der DDR-Umweltbewegung und langjähriger Unterstützer von Sinti und Roma in der DDR, berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen zum Thema: Desertion in der Wehrmacht
© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph