Meldungen

aus telegraph 5/1996

Überfall auf das Prager Infocafe „Propast“

Die innenpolitische Situation in der Tschechei verschärft sich in letzter Zeit zusehends. Die alten Kader der tschechischen Staatssicherheit StB haben in neuen Sondereinheiten Platz gefunden und suchen neue Aufgabenfelder. Demonstrationen werden wieder niedergeknüppelt. Wasserwerfer dürfen wieder eingesetzt werden.

Einen neuen Höhepunkt der Repression gab es am 10. Mai gegen 22 Uhr, als über 100 Polizisten in das das Prager Infocafe „Propast“ eindrangen, wo gerade ein Solikonzert für eingesperrte Mitglieder der englischen Gruppe „Green Anarchists“ stattfand. Die Uniformierten drangen ohne Begründung ein und begannen, die etwa 130 Konzertbesucher zusammenzuschlagen und nach draußen zu treiben Neben 60 normalen Polizisten taten sich 60 andere Uniformierte einer Antiterroreinheit hervor – ausgerüstet mit Maschinenpistole und Tarnmütze. Die Aktion wurde von sechs Offizieren der „Antiextremistischen Einheiten“ befehligt und beaufsichtigt.

Die Leute wurden aus dem Lokal herausgeprügelt und stießen dort erst einmal auf ein neues Spalier von prügelnden Uniformierten, bis sie sich in „Fliegerstellung“, mit ausgestreckten Armen und Beinen an die Wand stellen durften. Hier wurden ihre Personalien aufgenommen und Videoaufnahmen von ihnen gemacht. Rufe nach dem Arzt wurden mit Zusammenschlagen beantwortet.

Die stolze Bilanz der etwa einstündigen Aktion: 40 bis 50 Verletzte, darunter 10 Leute mit schweren Verletzungen. In der Öffentlichkeit wurde erklärt, die Aktion habe sich gegen Faschisten und Skinheads gerichtet gewesen und habe der Fahndung nach Rauschgift gedient. Der Innenminister bezeichnete das Ganze als gelungenen Einsatz. Man habe jetzt die richtige Methode gefunden. Daß es Verletzte gegeben hätte, bestritt er im staatlichen Fernsehen, während zur gleichen Zeit im Privatkanal „Nova“ die Blutlachen und -Flecken in dem zerstörten Konzertraum gezeigt wurden. Auch die Massenpresse stellte sich auf die Seite der Regierung und bezeichnete den Einsatz als „gelungenen Schlag gegen Drogenhändler und Extremisten“.

Allerdings scheint gerade in dieser Hinsicht die Ausbeute gering zu sein. Gefunden wurden insgesamt drei Haschisch-Zigaretten, eine Menge, die aber in Tschechien wie in Deutschland nicht verboten ist. Einige Leute, die festgenommen wurden, weil sie ihre Papiere nicht zeigen wollten, mußten nach einigen Stunden freigelassen werden. Allerdings werden wohl auch 15 Strafanträge wegen Amtsmißbrauch und Körperverletzung ergebnislos bleiben. Die Untersuchung wird von einer Polizeiinspektion vorgenommen, die wohl kaum die eigenen Kollegen bestrafen wird. Der eigentliche Grund des Einsatzes, heißt es intern aus Quellen des Innenministeriums sei die Ausforschung der Szene gewesen.

Der von den Behörden angerichtete Schaden wird wohl von der Prager Szene repariert werden müssen. 40.000 Kronen entsprechen nur etwa 1000 Mark, sind aber bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 5000 Kronen ein sehr hoher Betrag.

Währenddessen hüllt sich der Dichterpräsident Vaclav Havel in der Prager Burg seit Längerem in hartnäckiges Schweigen. Solange etwa kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert wird, weiß er nichts zu sagen. Er protestiert ehestens dann, wenn es nichts kostet und ein Imagezuwachs zu erwarten ist. Havel, sagen junge Tschechen, sei schon immer ein mittelmäßiger Widerstandskämpfer, Dichter und Denker gewesen und wäre eben deshalb von der neuen Elite als Alibipräsident gewählt worden.


Verschärfung der Situation in Chiapas

Die Situation im mexikanischen Bundesstaat Chiapas hat sich mittlerweile zugespitzt. Jorge Javier Elorriaga Beredegue und Sebastián Entzin Gómez, zwei EZLN-Mitglieder, die während der Regierungsoffensive im Frühjahr vorigen Jahres festgenommen wurden, wurden Anfang Mai wegen „Verschörung und Terrorismus“ verurteilt zu 13 bzw. 6 Jahren verurteilt. Zwar waren die beiden schon vor dem Amnestieerlaß, der für die Dauer der Verhandlungen zwischen EZLN und Regierung gilt, festgenommen worden. Es wird aber allgemein ausgeschlossen, daß das Urteil mit der Regierung nicht abgesprochen ist.

„Weitere 18 Leute“, heißt es in einem Bericht der Vorbereitungsgruppe des Europäisches Treffens für eine menschliche Gesellschaft und gegen den Neoliberalismus, “ sitzen seit über einem Jahr unter der Anklage „mutmaßliche Zapatistas, Verschwörer und Terroristen“ zu sein in verschiedenen Gefängnissen. Für die EZLN stellt sich nach der Verurteilung natürlich die Frage, wie die Regierung einen Dialog aufrechterhalten will, wenn sie die andere Seite für „Terroristen“ hält. In den letzten Wochen zeichnete sich die Regierungsdelegation ohnehin nur noch durch Ignoranz, Arroganz und einer offensichtlichen Blockadehaltung gegenüber den Zapatistas aus. Alles steht auf dem Spiel. Für die EZLN stellen die Verurteilungen vor dem Hintergrund des abgewürgten Dialogs nichts anderes als ein Kriegserklärung dar.“

„Heute“, heißt es in dem Bericht vom 12. Mai weiter, „erhalten wir die Nachricht, daß das Geheime Revolutionäre Indígena-Komitee – Generalkommando des EZLN (CCRI-CG-EZLN) den Dialog mit der Regierung unterbricht, die Truppen der EZLN in Alarmbereitschaft sind und daß Die Zapatistas eine Militäroffensive der Bundesarmee für wahrscheinlich halten.“

Obwohl in den Gesprächen vereinbart worden war, auf Truppenbewegungen zu verzichten hatte die Regierung schon in der Vergangenheit unter dem Vorwand der

Drogenbekämpfung die Militärüräsenz ständig erhöht. Mexikanische Militärs werden, wie die Sozialogieprofessorin und Journalistin Marta Duràn in einem Interview in der „Jungen Welt“ am 3. Juni sagte, in einer Anti-Guerilla-Schule in den USA für den Krieg in Dschungel und Städten ausgebildet. US-Militärberater schulen auch mexikanisches Militärs direkt im Urwald von Chiapas.

Auf der Homepage der EZLN im Internet „http://www.peak.org/~justin/ezln/ezln.html“ heißt es in einer update vom 28. Mai, daß nach der für den 5. Juni geplanten nächste Runde des Dialogs die Regierung offenbar geplant hat, die Amnestie gegen die ELZLN aufzuheben und die militärischen Aktivitäten wieder aufzunehmen. „Bereits in den letzten Wochen gab es eine nie gesehene Truppenkonzentration an den Grenzen der Region und letzte Woche hat sich die EZLN weiter zurückziehen müssen, um eine militärische Konfrontation zu vermeiden. Die Situation ist kritisch und es ist die Aufgabe der Zivilgesellschaft, die Rückkehr eines wahnsinnigen Krieges nach Chiapas zu verhindern.

Die Berliner Vorbereitungsgruppe des Europäisches Treffens für eine menschliche Gesellschaft und gegen den Neoliberalismus fordert zur Organisation von Kundgebungen und öffentliche Aktionen auf. Protestschreiben können gerichtet werden an:

Dr. Ernesto Zedillo Ponce de Leon (Präsident)
Palacio Nacional: Fax: 0052-5-2711774
Residencia oficial de los pinos: Fax: 0052-5-5151794
Lic. Emilio Chuayffett (Innenminister)
Secretaría de Gobernación: Fax: 0052-5-5465350
Julio Cesar Ruiz Ferro (Gouverneur)
Gobierno del estado de Chiapas: Fax: 0052-961-32458
Kopien der Protestschreiben bitte an:
La Jornada: Fax: 0052-5-5101901/5212763
E-mail: jornada@condor.dgsca.unam.mx
La Reforma: E-mail: cartas@reforma.com.mx
El Financiero: Fax: 0052-5-5318420/2277620
El Proceso: E-mail: proceso@spin.com.mx

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