von Bert Papenfuß
aus telegraph #105
Wer sich in den tagespolitischen bzw. satirischen Medien über wen oder was lustig macht, ist unerheblich. Die Leute tun das für Geld – und ausgesprochen gequält. Wenn sich mal eine Polemik oder Satire hinlänglich geistreich oder witzig ausnimmt, fußt sie auf alten Hüten unter der Gürtellinie. Es gibt keinen bezahlten Humor. Gemachte Satire ist irrelevant, es sei denn, sie ist literaturimmanent, d. h. sie entspricht dem substantiellen Impuls eines Autors; dann ist sie aber nicht mehr „gemacht“, sondern einem jeweiligen Zusammenhang folgend „artikuliert“, zumeist weil sich Klüfte auftaten. Humor, den ich meine, schlängelt sich zwischen Abgründen hindurch, die man erst mal erfahren muß. Das Wagnis der Erfahrung kann man keinem Starkolumnisten zumuten, also muß man Pfiff vortäuschen und tief in die Bonmottenkiste greifen. Alles was am Kiosk käuflich ist, ist dummes Zeug. Ob Stuckrad Barre sich im Rahmen seiner Möglichkeiten über Bin Baden lustig macht oder von Droste angepißt wird, ist schnurz. Man muß so gründlich in die Kotzerbärmlichkeit der Medienoberfläche abtauchen, um die Feinheiten des Anpissens zu schnallen, daß der Spaß nur noch ein entfremdeter sein kann, wobei Spaß schon entfremdete Freude ist. Mit Pop ist das nicht zu entschuldigen. Fernsehen ist nicht lustig. Das Programm ist Reklame für Produkte, Politiker und Prostitution, zwischendurch mal was Albernes für die Junggebliebenen, und fertig ist die, zugegeben oft wechselseitige, Volksvollverarschung – unansehnlicher Durchhaltedreck. Volk vor der Mattscheibe, der Film spielt woanders. Der Film ist unamerikanisch – lacht an den richtigen Stellen, lacht woanders und andersrum.
Die würdelose Schauspielerei der politischen Führungsflittchen wird auf der Berichterstatterebene mit gar nicht so anderen Mitteln fortgesetzt und kritischen Gespenstern gegenüber mit sozialem Engagement entschuldigt, somit wird dem Schwanen gehuldigt. Erwiesenermaßen ist jeder Staat ein Schurke, das kann man sowohl in jeder billigen Geschichtsschwarte als auch in umfänglichen Geschichtswerken nachlesen; Historiker sind Huren, Militärhistoriker kommen wenigstens gleich zur Sache. Das soziale Engagement kann nur ein antipolitisches sein. Die antipolitische Artikulation bedarf, allein der Abgründe wegen – aber auch der Ermunterung, des Humors aller Couleurs. Von Anekdote über Ironie, Satire und Zynismus bis zur Zote sind alle Mittel recht, nur prägnant müssen sie sein – Essenzen, Sentenzen, Sequenzen statt Geleier, Geseier und Rumgeeier. Die versprengten kritischen Medien und die literarische Subkultur kommen über eitle Witzeleien nicht hinaus, das wird ihr Schade sein, sie werden am Hüsteln, Künsteln und Kichern häppchenweise ersticken. Humor ist flüssig Brot. Verehrte zahlende und bezahlte Studiogäste, Klatsch kann man erfinden und Wortwitze austüfteln, aber Bier kann man sich nicht ausdenken, das muß man schon zusammenbrauen.
Gründe für den Mangel an Humor gibt es viele: schwere Kindheit, schwierige Jugend, schäbige Existenz, zugeschissene Lektüre usw., aber keine, die nicht genau so gut eine Herausforderung sein könnten und die Löckung fördern.
Wirklich humorhinderlich ist die digitale Informatik; der Rechner ist ein Hierarchietrainer; jegliche, auch noch so aufmüpfige, Weichware reproduziert Staat und diszipliniert glotzäugige Quatschbacken, die bei jedem Anflug von Nichtigkeit zum Handy greifen. Humor braucht Zeit, Anblick und Strebung. Humor träufelt aus Betroffenheit. Bildung ist der Hintergrund. Je mehr man weiß, desto witziger die Welt, vor allem in der Stadt. Eignet sie euch an! Bitternis bereichert Humor. Gelächter gibt Aufschluß.
Im Zuge der, zugegeben unaufwendigen, Feldforschung betreffs Satire habe ich mir eine Nummer der Gazette beschafft, deren Auftrag die endgültige Teilung Deutschlands ist, und zwar am Treptower Park, wo der Hammer hängt. Nach kurzem Herumreichen am Tresen erwies sich das Druckerzeugnis als Humorverarschung. „Nicht verarschen kannst du den Verarscher des Verarschens“ heißt es schon in den Upanischaden, die gelegentlich Recht haben, wenigstens um ein paar Ecken. Witziger bzw. wissender sind Bosch und Busch – schreibt man jedoch Boche und Bush, wird aus Häme schon mal Feme. Endreim ist abgefahren, Stabreim angefahren, Binnenreim eingefahren. Reim ist Recht. Blecht, Becher und Brecht, es geht ans Gemächt!
Wenn Betroffene ins Salbadern geraten und Fauxpässe reißen, kommt Freude auf, und sei es Schadenfreude am eigenen Leibe. Situationskomik knackt jede Kolik. Die Findungen eines begeisterten Dichters sind allemal klüger als er selbst – und witziger zumal. Spaß beiseite, der wahre Witz kommt mit der Vehemenz eines Schicksalsschlages. Die Spucke schmort im Abgrund des Odems, das Standbein ist ausgespielt. Den wahren Witz verträgt man nur alle paar Jahre. Ich bin etzliche Male entsetzlich mit ihm zusammengerasselt und möchte nicht darüber sprechen. Der wahre Witz ist ein „internationaler Akteur mit globalem Einfluß“, wie Schranzler Schnöder richtig erkannte. Nylon will die Welt regieren, Dederon spielt nicht mit – altes Schwarz spiegelt sich nicht. Ich sage nur: Blair!
Es gibt nichts zu lachen,
ich bin unversöhnlich – Töchter
können mich beschwichtigen, mein Hohn.
Meine Frau Silka verfügt über den ausgefallenen Humor der Dürre, der sich mehr oder weniger pardauz im Tröpfeln auf die Medienoberfläche niederschlägt. Mit Vergnügen las sie einen Artikel über Durs Grünbein (Aureliana Sorrento: Der Abbruch einer Häuserwand, Berliner Zeitung, 6. Okt. 2001), bei dem ich gar nichts merkte. Die Witze sind verschieden. Ich bin empfänglich für den Humor der abgefahrenen Theorie, Hausnummer Fuhrmann, Bleistift „Tabak.“
(Ernst Fuhrmann: Tlinkit u. Haida. Indianerstänune der Westküste von Nordamerika, Folkwang Verlag, Hagen i. W., 1922). Eine weitere Form der Bewältigung sozialer Betroffenheit ist der Humor der Tat. Als das Kommando Katharina Hammerschmidt am 27. März 1993 den kurz vor der „Einweihung“ stehenden JVA Komplex Weiterstadt in die Luft jagte, kam Unverhohlenheit auf. Einen Höllenschiß hatten die besoffenen Billigwachschützer, die vom RAF-Team vor der Sprengung ausgelagert wurden, vor dem Elektroschocker der Dame des Kommandos, das ansonsten konventionell mit Handfeuerwaffen ausgestattet auftrat. Ein Kopfschuß ist eine männliche Sache, aber stell dir vor, dir fliegen deine gegrillten Eier um die Ohren. Eine Woche später wurde aus der Herrenwaldkaserne Stadtallendorf ein Panzerspähwagen Fuchs geklaut, durchbrach im 22 Kilometer entfernten Gefängnis Schwalmstadt die höchste Sicherheitsstufe, knackte das Eingangstor, fuhr auf den Freistundenhof, befreite den Lebenslänglichen Lothar Luft und türmte querbeet. Nachsetzende Streifenwagen blieben im Morast stecken, Hubschrauber konnten nichts ausrichten. Luft blieb weg, wie dem Abendland die Morgenluft.
Eiligen Witz im Blick
schlagen Töchter zurück.
Gezick ist hierbei nur
ein Knoten der Schnur,
an der ein Knust schwingt,
der sein‘ Rammstein singt.
Dem betörenden Gedröhn
folgt stundenlanges Gestöhn.
Krieg dem Krieg, Lug dem Leid, Schrank der Schranke. Schneck und Schnake, Fluke und Flake – Witz ist Macht, erst recht, wenn keiner lacht. Wir haben der Schlüpfrigkeit gefrönt und Mißgeschick mit Mumpitz gespickt. Teilhabe heißt die Hand, Abwehr die Faust. Jedes Recht ist Strafrecht. Gedenke der Menkenke. „Schweine sind Pferde. Mädchen sind Jungen. Krieg ist Frieden. […] Liebe ist Haß, Norden ist Süden, Frieden ist Krieg.“1 Einkehr und Ausgelassenheit, Heiterkeit steht auf einem anderen Plan. Witz, Wissen und Weisheit sträuben sich der Mäßigung. Erhabenheit ist mir zu hoch, Empörung erhebt sich weit über die Gürtellinie – und bricht schallend aus.
1 Arundhati Roy: War is Peace ( http://www.zmag.org/roywarpeace.htm)
Bert Papenfuß ist Autor, Redakteur der Zeitschrift GEGNER und Mitbetreiber des Kaffee Burger in Berlin.
© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph