Avers und Revers im biologischen Kreislauf der Natur und vice versa
von Bert Papenfuß
aus telegraph #102/103
I. Rausgeschmissenes Geld
Weß’ Geistes Kind auch immer, dieses Druckerzeugnis macht keinen Druck. Das Protzedere der Drucklegung war Flaschenfisch. Diese kollaborierte Broschüre zerbröselt am Unterdruck, dem sie enthirnt. Diese Schwarte ist rausgeschmissenes Geld. Diese spezielle und jede andereprinzipielle. Anstatt das Geld rauszuschmeißen, sollten wir uns befleiß’en, Finanz zusammenzuscheißen und das Geld rauszuschmeißen. Grundstürzend schroff sei der Gesellschaftsentwurf und gefälligst kurz der Endfurz, letale Koffer stehen hier schon genug rum. Widersprüchlich sei der Widerspruch, und der Neumensch ein Tolpatsch, das Neuland ein Klumpatsch und die Weite weidlich bis zu Gehtnichtmehr und Umkehr. Jumne dwars! Ree!
Kurz versegelt, einen Nu eingeigelt, Kurs geregelt. Strikt sei der Witz, plan das Bewußtsein. Die Handreichung erfolgt an der Gabelung der Wasserstraßen. Gebaggert wird tief, gestapelt hoch, verheißen das letzte Loch. Öde Marken zwischen Neiße und Pleiße sind mir persönlich Gagarin, hier wird, wie ich höre, der Hahn gespannt; sind Slawen angelangt, wird zugelangt, Schwedenkacken angeregt und Schanzen angelegt. Die Flinte melkt die Kinder. Wehrhaft wird die Zukunft sein, von Ehre nicht die Rede, und Ruhm der Lohn für die Streuung von Anglerlatein. Tränenreichtum siegelt den Entwurf. Vorahnung ist Gewißheit, Gewitztheit Bahnbruch und Untergang kein Beinbruch. Die Neue Welt kostet kein Geld, weil ohnehin die Deckung fehlt. Ohne hin kein Herr. Aus Ra stiebt der Aar – komm ihm nicht zu nah, er war schon da, bevor eine Valkyre eine Seele gebar. Bevor wir die Wirre überbrieten, hielten wir inne, überbuken uns selbst und ersannen Minne. Scheitern ist gemein, überkommt uns, überwirft uns, breitet sich aus, baut kein Haus, hinterläßt einen Grundstein, in dem ein Troll wohnt. Strom gibt uns Droge, Polizei sind wir nebenbei. Tönern unsere Schilde, gefeit dem Ebenbilde, das wir verkörpern wie Tone Avenstroup. Schwanz sind wir, wir sind Stein, Tal sind wir, wo sich der Berg regt, die Erde bewegt und geopolitisch nichts mehr geht. Gestrüpp bricht in die Nacht, als hätten wir gelacht. Helvete, wir haben!
Nichts als Buchstaben. Staben, die wir schulden. Buchen, die wir suchen. Feind denkt mit. Das einzig Gute an diesem Produkt ist, daß es nicht im weltweitwebenden Kontrollsystem steht, sondern stapelweise verstaubt und in absehbarer Zeit einen guten Torf abgibt. Das Movens dieser Makulatur ist halbherziger, nicht allzu aufwendiger Karrierismus, schrottreife Selbstvereitelung und Abwiegelung jeglichen Veränderungswillens. Anstatt einen Aufruhr zu inaugurieren, eine kulturelle Sensation zu initiieren, schmort dieses Machwerk in Selbstgefälligkeit, und ist somit von Erfolg gekrönt. Dieser Seller kann nicht begeistern, weil er nicht begeistert ist, und haargenau den Ton der Fäule trifft. Die Ambition der Mundtoten ist literarische Beflissenheit, die auf der Halde bleibt. Angesichts der rückblickenden Nabelschau des literarischen Niederschlages gilt es, die Beharrlichkeit im Experiment zu verstärken, die Voraussicht im kulturpolitischen Sinn und das Behagen des Absagens. Wer nicht verbiestert ist, ist auch nicht beseelt. Riester pappt man an die Botten und nicht in den Zwickel, so sehr Kohl klebt.
Das Leben ist nun mal lebensfeindlich und menschenverachtend sowohl als auch hintenrum. Manchmal kommt’s anders rum. Mit spitzem Mündchen, hohem Ton und Genüßlichkeit kann man nichts erfrischen. Luxuriösem Streben ermangelt die Minimalverbohrtheit der Lust, des Wesens und des Wechsels. Hohle Öse, Öde verkuppelt Faulheit und Käuflichkeit. Dröge setzt uns zu. Wenn der Sumpf wenigstens suppen würde, könnte man Ausdünstungen drechseln und Dienstleistungen dafür einwechseln. Auf vereinzelten Soden vergammelte Idole, die in die Töte hauchen, anstatt im Abgrund zu jauchen. Überfrierende Schweißhand, ausgestreckt in Finsternis. 400 kennen mich, 4000 sehen mich, 40000 verdiene ich im Schlaf. Dark Space Stoner Blackout. Schleifen, schleppen, nicken, zicken. Brunst bratzt.
II. Kompost
Unter den Pflanzen sind wir Emporkömmlinge, leicht verderblich und wenig beweglich. Kohlenwasser und Sonnenlicht, Mutanten sind Lahmärsche.
Nähe, Wärme und Geplänkel entsteht im gemeinsamen Kampf. Das nächste Gefecht ist immer das letzte. Wir jedoch kehren — KZ im Kopf — aus, wo wir einkehren. Der Garten ist vor der eigenen Tür. Krachlederne Lodenlöffel, Literaturagenten, Junkerklüngel und Gartenzwerge, Spalier bildend, Unrat schlierend, Sex vexierend. Kökkenmöddinger!
Jetzt ist wieder 1949, sagt der Konfliktmaler A. R. Penck. Europa träumt Grenzen, Altreich reibt sich an Altreich, Neureich an Neureich und Altreich an Neureich. Den bilateralen Konflikt ersetzt der Wirtschaftskrieg. Die europäische Frage ist mir Hekuba.
Sinnlose Staatengründungen stehen ins Haus. Globale Knechte und regionale Mägde ackern in Riemen und Sielen. Zuwider die Törn, widerwärts der Zorn. Trolldreck, Sklavenkacke, Schifferscheiße, No Name Scheiße, Kommißmist, Markenscheiße, den Massenmedien hörig. Kaukasische Müllgülle wafelt in den Kanälen des Sendegebiets, das vernetzt ist. Maßvoll protestierende Untertanen bilden den Trägern gestiegenen Beamtensoldes respektvoll Spalier. Besatzer, Besetzer und Besitzer sind Läuse zwischen den Zinken des Kammes, über den sie geschoren werden bzw. sich selbst frisieren. Die arg gezeichneten Inhabitanten der Untergrundburgen mutierten zu Kleptokratenkratzern und das Zöllnergesocks in Schnittlauch-Camouflage legt eine Eigentorserie nach der anderen hin. Die Sack-ständler des Adelsgezüchts kitzeln Infantilismus heraus, die Suada nimmt ihren Verlauf. Die Substanz der Tirade ist, wie die Tirade selbst, Oranie.
Dark Space Stoner Blackout. Blod og Ild in the Mix. ARMIA zelebriert Cath Metal für Eingeweihte im Pfeffer und im Burger tanzt der Lausitzer Landsturm. Die Grotten sind die Glatten, um nur ein Beispiel zu nennen. Die reaktionäre Hoffnung, daß die Russenmafia die feindliche Übernahme des Ostens rächen wird, und zwar an wem auch immer, scheint sich zu bewahrheiten. Da sdrawstwujet PULag!
Tanze Vulkan, tanzt Kukulkan, Kau-kolainen, Cuchulainn und Caliban, multikult kommt wat zusamm’; tobt Perkun, Völundr und Burkhan, rast Wuolahainen, Lemminkainen und Wäinämöinen. Blase Orkan, wüte Hurrikan, zapple Harlekin. Welkin wölbt sich, Rasin steht auf. Hoch die Faust, Hephaistos; Balkan und Kawkas sind dein, dein sei alles Erz der Erde und alles Salz der Meere. Dein oder Hekaten.
Womit wir, die Zukunft betreffend, jetzt schon anfangen könnten, ist folgendes Gedankenkon- strukt: Wir müssen nicht unentwegt dümmer tun, als wir sind — um des lieben Populismus willen — und sollten hin und wieder einfach mal das Maul halten, wenn alles gesagt ist im Rahmen der höchstpersönlichen Nachdenklichkeit. Das Mutterschiff ist schließlich kein Parlament. Journalismus, Magazinismus und Romanismus halten vom Zweifel ab und ermangeln des Entwurfes. Es ist zum Ausmalen.
Moralin mit Kokain gestreckt noch mal, den Plan krasser Verunstaltung sollten wir hegen oder jäten gehen. Niemand ist nirgend. Flammend sei die Zukunft, glühend, blühend und klamm. Skuld ist eine Blamage, die immer wieder korrigiert werden muß. Ich wünsche uns nachdenkliche Träume, die das schlechte Gewissen lohnen. Manchmal muß man sich aus dem Verkehr ziehen, die Notbremse ziehen und Geiseln nehmen, um sich mal richtig auszuheulen. Reue hat keine Schuld. Beamte, die ihre Haut zu Markte tragen, wie sie sagen, wollen mehr Geld — für Bauchschüsse, vermute ich, womöglich aufgesetzte. Schmach ist witzlos, prustete Ungemach los, weltoffen ist mir zu unverbohrt, wie der Schlächter und seine Metze aus Niedersachsen der Abschaum leitender Ausschüsse, der Ausschuß gezüchtigter Schaumschläger. Durch das nächstfinsterste Kapitel deutscher Geistesgeschichte in Tateinheit mit hinkendem Neoliberalismus, wehe dem keltischen Tiger, gelangen wir zum Dung, daß ich ums Verrecken nicht lache — vor mir die Brachen blühender Landschaften. Hohnprustend kleckert Applaus. Typisch Mensch.
Aufbegehren und kecker Gesellschaftsentwurf verstecken sich in der Operette. Der Umsturz ist ausgelitten. Die Kausalkette kennt keine Links. Die Gemeinheit bedarf des Eingriffs wie der Eingriff der Gemeinheit. Der Wille ist ein Spießer, ein Versager im frischen Wind. Schwamm und Waschlappen zeugten Badelatsch. Badelatsch wurde gut gefüttert, ging gut essen und kackte ab. Opanke trat ihn aus. Das Interregnum des Hedonismus war um. Der Euro fiel, die Straßen füllten sich, Drunst barst.
III. Schönhauser Tor
Die Absturzschneise Schönhauser Tor ist der Abgrund des Übermenschlichen. Hier sind Elend und Hein die Lokalpatrioten. Über ihnen dräut Architektur und Kunst am Bau. In einem Keller in der 8 trommelt Benno Verch die bösen Geister zusammen und lacht. Hier kreischt die Aasgeige. Hier ist kein Werden, hier ist Wesen und Sterben. Zugezogene und Geschäftige ahnen dies natürlich nicht, aber sie werden es merken. Streitlust gilt dem Nächsten. Hier ist der Nabel der Abart. Hier gibt es keine Zeitung, hier werden Zeitungen ausgestellt, verscherbelt, liegengelassen und weggeworfen. Hier haben Lemuren und Makaken das Sagen und Aufsteigerprimaten keine Fragen. Dieser Ort ermangelt der Nachricht, hier gibt es keine Mitteilung, geschweige denn Mitfreude, obwohl der Verkehr gut ist, das Aufkommen steigend und der Geräuschpegel ausreichend. Da beißen die Antiquariate keinen Faden ab. Den letzten klaren Gedanken hat hier Max Stirner gefaßt, als er seine Mutter in der Klapper besuchen ging. Alfred Döblin hat auch noch versucht, einen Blitz zu erhaschen, als er versuchte, die Gedanken Ernst Fuhrmanns zu verklickern, aber der Wille ist zur Schwarte geronnen. Wer sich hier mit einem Anflug von Gedanken erwischen lässt, kommt auf den Strausberger Platz.
Hier hausen Irre, Besoffene und Szenegelichter, stinodurchsetzt und mit Minimalplatte begabt. Die Szene ist natürlich etwas anders — Insider werden sich biegen vor lachen — aber etwas anders ist die Szene auch in Omsk, Tomsk, Tobolsk und Erkner. Hier genau versagt Berlin. Berlin ist entweder das Tor oder der Tor. Ente oder trente, Kreuzung oder Grab. Wo sich fünf Straßen treffen, kann nur eine leben – die Tor. Da hilft keine Grabung, Errichtung, Regierung, sondern Nichtung, Ächtung, Öffnung.
Ich weiß gar nicht, was hier alles so rumsteht. Apotheken, Drogerien, Spielotheken, zwischendrin ein paar Yuppie-Teile, möchte ich meinen. Suff, Knechtung, Menschenverachtung. Kein schöner Anblick, selbst der Konsum kommt nicht aus dem Knick. Hier herrscht reger Leerstand. Die Meile des Übergangs ist lang. Trost steckt allenfalls in einer Kiste „Shiguljowskoje“, die Pulle zu 1.99 bei Tanja, russische Lebensmittel usw. — das Nationalgetränk der Torinsassen ist allerdings Jägermeister, um die Dumpfung rund zu machen, nehme ich an und er- innere mich, daß ich hier 1976 mal auf den 30er Bus gewartet habe, was nicht unbedingt eine Heldentat war.
Gegenüber macht ein Tätowiergeschäft auf. Aus Berlin ist die Luft raus. Mitte ist zu und auch im sagenumwobenen Durchgangszimmer Prenzlauer Berg kriegt keiner die Tür auf. Wir werden entweder mit den zerstochenen und zuckender Schaulustig- en ersticken, oder zwischendurch mal durchatmen, wo ein Wind geht und möglichst kein Fernsehturm steht, und dann eben später ersticken. Daran ist nichts auszusetzen.
Unabhängig von Traufhöhe und Architektenwahn bedeutet Berlin: Flachdach, Bannmeile, Postenkette. Unter jedem Berliner schlägt das verräterische Herz der Zone, das ihn nirgends verläßt, wohin er auch einkaufen flieht. An Berlin ist bisher noch jeder gescheitert, der was versucht hat; viele sind extra deswegen hergekommen. Hier ist der Hort des Mißbrauchs, Ausverkauf ist hierbei nur ein sogenanntes Schmankerl. Dem wahren Berliner sind die Umstände schnuppe, Hauptsache ‘t kommt Delirium bei rum. Wie wär’s mit einer Weißwurst im Franz-Club — und einem Patientenbesuch in der Ryke, Lychener, Oderberger, wo einst die Schrunst drusch?
IV. Eudämonium
Galle räumt die Arsenale
und haut sich in die Falle.
Bei geschmiertem Flugverkehr
frühstücke ich Frotteeschlüpper.
Die Utopie der Hochtechnologie
ist ansteckend abschreckend —
die Dystopie der Megalomanie
herbstheckend aneckend.
Aus der Kränke die Kraft,
aus dem Kompost der Saft.
Abziehbilder gewagter Modediktate
geistern durch kahle Designerabtritte.
Hekuba überwirft sich mit Hekate
und leistet vorauseilend Abbitte.
Substanzen, Ingredienzien und Ränke
verhelfen ihnen zur nötigen Schlänke,
sie übergeben sich noch kurz
und lassen den letzten Furz.
Aus der Kränke die Kraft,
aus dem Kompost der Saft.
Ihr habt es eingeläutet,
jetzt wird es ausgelöffelt.
Wohlsituierte Tempelprostituierte
nehmen putzige Haltungen ein
und lassen keinen mehr rein,
außer ganz besonders vertierte.
Das Stempelproletariat vor der Röhre
kommt sich selbst nur in die Quere.
Von allen guten Geistern verlassen,
sollten wir es auch dabei belassen.
Aus der Kränke die Kraft,
aus dem Kompost der Saft.
Ihr habt es eingeläutet,
jetzt wird es ausgelöffelt.
Aus dem Faulschaum —
ein Neo — Eozoikum.
V. For Fools only
It’s a dark space stoner blackout,
and it won’t get loud at all,
’cos I’m not allowed.
It’s a real cold
dark space
stoner blackout
for more.
Fast forwards
for fools —
F-f-f-f .
I’m marching among the fools
without any tools at all,
but my own rules.
It’s a real cold
dark space
stoner blackout
for whores.
Fast forwards
For fools —
F-f-f-f .
1.11.00
Bert Papenfuß ist Autor, Redakteur der Zeitschrift GEGNER und Mitbetreiber des Kaffee Burger in Berlin.
© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph