aus telegraph 2/1989 (#02)
Die am 2. Oktober von Staats- und Parteichef Gorbatschow im sowjetischen Parlament eingebrachte Forderung nach einem Dringlichkeitsverbot für sämtliche Streikaktionen in der SU bis Ende nächsten Jahres wurde zurückgewiesen. Eine Kommission kam zu der Ansicht, daß der Vorschlag u. U. verfassungswidrig sein könnte. Die Kommission legte eine modifizierte Form des Entwurfs vor, in der die Regierung ermächtigt wird, im Falle von Aktionen, die wichtige Teile des öffentlichen Lebens beeinträchtigen, sofortige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das Gesetz soll Streikaktionen verbieten, wenn sie eine Gefahr für Leben oder Gesundheit darstellen. Es würden keine Streiks zugelassen in Eisenbahn- und städtischen Transportunternehmen, in der zivilen Luftfahrt, im Kommunikations- und Versorgungsbereich sowie in der Rüstungsindustrie oder bei staatlichen Organen.
Erste Reaktionen auf das Streikgesetz war, daß das estnische Parlament, ebenso wie eine Woche zuvor das litauische, ein Wahlgesetz zurückzogen, das russische Bevölkerungsanteile zum Teil von der Wahl ausschloß. Das sowjetische Parlament hatte diese Gesetze für verfassungswidrig erklärt. Wie es heißt, wollten Esten und Litauer in Zusammenhang mit zu erwartenden Proteststreiks Moskau keinen Anlaß bieten, die Kontrolle über die baltischen Staaten wieder zu verstärken.
© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph