aus telegraph 4/1989 (#04)
100 bis 150.000 Menschen waren an einer Demonstration in Leipzig im Anschluß an das montägliche Friedensgebet in verschiedenen Leipziger Kirchen beteiligt. In Sprechchören und auf Transparenten forderten sie unter Anderem Pressefreiheit, Umweltschutz und Reisefreiheit. Nach bisher vorliegenden Berichten kam es zu keinen Zwischenfällen.
In der Berliner Gethsemanekirche nahmen am Montag rund 3.000 Menschen an einer Andacht für die politisch Verfolgten teil. Es wurde dazu aufgefordert, noch Inhaftierte freizulassen und die noch laufenden Verfahren einzustellen.
ADN berichtete über ein Gespräch zwischen dem Dresdener Oberbürgermeister und einer Delegation von Dresdener Bürgern. Man habe darin übereingestimmt, daß die Erklärung des SED-Politbüros einen ersten Schritt für einen umfassenden Dialog zur Lösung komplizierter gesellschaftlicher Probleme darstellt. Oberbürgermeister Berghofer kündigte an, daß die Bürger künftig im Rahmen der Verfassung die demokratischen Möglichkeiten der Stadtverordnetenversammlung nutzen könnten. ADN zufolge schlug der Oberbürgermeister die Bildung von Arbeitsgruppen vor, die aufgezeigte Probleme untersuchen sollen. In diesem Zusammenhang wurden unter Anderem die Themen Recht und Sicherheit, Medienpolitik sowie Reise- und Ausreisemöglichkeiten genannt.
In Plauen sollen am Sonntag mindestens 15.000 Menschen friedlich für demokratische Reformen demonstriert haben. In Sprechchören wurde immer wieder „Gorbi“ und „Wir sind das Volk“ gerufen. Die Polizei hielt sich im Hintergrund.
Zu einem Treffen von Angehörigen Berliner Theater waren auch Vertreter von Bergmann-Borsig, die durch ihren Brief an Harry Tisch bekannt geworden sind, anwesend. Bei der Versammlung wurden Forderungen nach einem Sonderkongreß der Theaterschaffenden, nach einer Demonstration Berliner Künstler am 4. November sowie nach einer Theatermatinee aller städtischen Theater am 21. Dezember erhoben.
© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph