aus telegraph 10/1989
vom 20. Dezember 1989
Wenn die westdeutschen Banken und Konzerne in der DDR mit freundlicher Einladung der Modrow-Regierung Fuß fassen, dann ist es an der zeit, daß sich auch die Gewerkschafter beider deutscher Staaten verbünden. Einen ersten Schritt in diese Richtung haben jetzt die Metallgewerkschaften getan. In Frankfurt a.M. unterzeichneten Steinkühler und Bugiel in der vergangenen Woche ein Übereinkommen, das Betriebspartnerschaften, gemeinsame Schulungen, Austausch von Organisationsexperten und ein Trainer-Programm für DDR-Funktionäre vorsieht. Ziel sei es, so Steinkühler, die Interessenvertretung in der DDR „frei von parteipolitischer und staatlicher Bevormundung zu machen“. Dabei handele die bundesdeutsche IG Metall im wohlverstandenem Eigeninteresse. „Wir möchten nicht, daß die DDR zum Billiglohnland in Europa, zur verlängerten Werkbank bundesdeutscher Konzerne und zum politischen Hinterland der Bundesrepublik wird.“ Um zu verhindern, daß die DDR-Kollegen zur Lohndrückerei mißbraucht werden, müsse die IG Metall vor den Unternehmen in den DDR-Betrieben sein.
Übrigens: Vom Streikrecht in der DDR war in Frankfurt a.M. nicht die Rede. Und woher die IG Metall den Optimismus nimmt, die früheren DDRStaatsgewerkschaften könnten sich zu wirklich unabhängigen Interessenvertetungen mausern, ist auch nicht ganz klar.
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