aus telegraph 02/1990, vom 22. Januar
Die Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit beruhte auf einem Gesetz vom 8.2.1950, das aus lediglich 2 Paragraphen besteht. Das konkrete Wirken des Ministeriums erfolgte ausschließlich auf der Grundlage interner Richtlinien und Befehle. Die Überprüfung ergab,_daß fortlaufend und in großem Umfang gegen Geist und Buchstaben der bestehenden Verfassung verstoßen wurde. Ein Beispiel ist die ständige Verletzung des in Artikel 31 garantierten Post- und Fernmeldegeheimnisses, die flächendeckend betrieben wurde. Das Ministerium für Staatssicherheit stand außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle. Es hat maßgeblich dazu beigetragen, die Macht des SED-Apparates jedem demokratischen Einfluß zu entziehen. Somit war das Ministerium für Staatssicherheit das sichernde Werkzeug eines von Korruption durchsetzten Parteiapparates. Ermittlungen des Ministeriums gegen den Parteiapparat brachten in der Regel für diesen keine strafrechtlichen Konsequenzen. Für die verfassungswidrige Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit trägt die SED Verantwortung. Eine Namensänderung kann sie hiervon nicht entbinden. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, gegen die SED-PDS wegen verfassungswidrigen Aktivitäten zu ermitteln. Hiervon leiten wir ab, daß die immmer noch bestehenden Machtstrukturen der SED-PDS aufgelöst werden müssen und fordern folgende Sofortmaßnahmen:
1.Schweigeverpflichtungen und andere Abhängigkeiten aufzuheben, damit ungehinderte Ermittlungen möglich werden sowie Rechtsfolgen für Falschaussagen gegenüber an den Ermittlungen beteiligten Personen zu definieren und in Kraft zu setzen.
2.Sicherung und Offenlegung der Archive und Akten der SED(-PDS) und ihrer Abteilungen Sicherheit auf allen Leitungsebenen sowie der Archive des Nationalen Verteidigungsrates und der Bezirkseinsatzleitungen.
3.Alle von der SED-PDS benutzten Sonderkommunikationsmittel der ehemaligen SED, wie z.b. Sondertelefon-, Fernschreib- und Richtfunkverbindungen sofort stillzulegen und zu demontieren.
4.Die Grundorganisationen der SED-PDS aus allen Betrieben, öffentlichen und staatlichen Organisationen herauszulösen; jegliche politisch-ideologische Anleitung durch die SED-PDS ist zu unterlassen.
5.Die Weisungen der Regierung vom 14.12.89 zur Bildung eines Verfassungsschutzes auszusetzen bis die demokratische Kontrolle eines solchen Organes möglich ist, Konzepte öffentlich zu diskutieren, bei sich verändernder Aufgabenlage die Kriminalpolizei wenn nötig zu verstärken. Die Weiterarbeit der nach außen gerichteten Aufklärungsarbeit des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit haben wir zur Kenntnis genommen. Eine demokratische Kontrolle hierfür ist erforderlich.
6.Über normale und zivile arbeitsrechtliche Regelungen hinausgehende finanzielle Zuwendungen an Mitarbeiter des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit halten wir für politisch nicht verantwortbar. Die laut Ministerratsbeschluß weiterzuführenden materiellen Vorteile machen eine gleichberechtigte Eingliederung dieser Mitarbeiter in die Gesellschaft unmöglich.
Wie sprechen uns eindeutig gegen Neofaschismus aus. Ihm muß vorwiegend politisch begegnet werden. Dazu gehört es, Ermittlungsergebnissen der Kriminalpolizei publizistisch nicht vorzugreifen. Publizistische Bewertungen dürfen nicht die sofortige Bildung eines Verfassungsschutzes ohne demokratische Kontrolle bewirken. Die in diesem Zusammenhang landesweit inszenierte Pressekampagne zu neofaschistischen Erscheinungen verfolgt parteipolitische Eigeninteressen der SED-PDS. Ausgehend von den vorhandenen Machtpositionen dieser Partei in den Massenmedien und dem Staatsapparat sehen wir Bestrebungen unter Benutzung dieser Position undemokratische Machtinstrumente zu rekonstruieren.
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