aus telegraph 02/1990, vom 22. Januar
Von unfreiwilliger Komik war die Presseerklärung einer NVA-Kommandeurstagung am Freitag in Berlin. Verteidigungsminister Admiral Theodor Foffmann erklärte, die Armee stehe fest zur Erneuerung des Landes und sei bereit, sie gegen alle Abentheurer oder Einmischungsversuche von außen und innen zu verteidigen. Leider sind die derzeitigen Einmischungsversuche weit differenzierterer Art und ein bewaffneter Feind ist weit und breit nicht zu sehen. Dagegen ist die Rolle der NVA in den verschiedenen Putschanläufen im Oktober und November keineswegs geklärt. Gerüchten zufolge hat uns nur das Veto der sowjetischen Besatzungsarmee gerettet. Für den angeblich erneuerten Charakter der Armee soll nun der Skalp von Armeegeneral Heinz Keßler bürgen, gegen den ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde und dessen Familie zur Strafe das Haus verlassen muß. Berechtigte Zweifel am demokratischen und friedlichen Charakter der NVA bleiben dennoch, zumal jetzt viele ehemalige Stasi-Offiziere übernommen werden.
Wie sagt doch gleich das Sprichwort: Vor den Wölfen würden wir arme Schafe uns wohl verteidigen, aber wer schützt uns vor unseren Hirten?
r.l.
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