aus telegraph 6/1989, vom 27. Oktober 1989
Nach einem Gespräch zwischen dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Mischnick und Staatschef Krenz fand eine Pressekonferenz statt, bei der relativ umfangreich auf innenpolitische Fragen eingegangen wurde. Sichtbar wurde das schöne Zusammenspiel zweier Herrschender. Krenz meinte, daß er sich in der Lage fühle aus einem schlechten ein gutes Blatt zu machen. Mit Mischnick stimmte Krenz in der Bewertung vieler Fragen überein, auch in der Bedeutung guter Beziehungen zwischen den deutschen Staaten für die europäische Stabilität. Reiserleiterungen: Jeder Bürger werde einen Paß und ein Visum „erwerben“ können und Mischnik deutete an, daß über die Finanzierung solcher Besuchsreisen nachgedacht und geredet werde. „Die Mauer hat einen ganz anderen Sinn, als sie jetzt hineinlegen. Wichtig ist, daß die Bürger die Möglichkeit erhalten, auf gesetzlicher Grundlage mit Reisepaß und Visum zu reisen.“ Auf die Frage, ob auch die neuen oppositionellen Gruppen in die Dialogbereitschaft der DDR-Führung einbezogen seien, antworte Krenz: „Lassen sie doch einmal den Begriff `oppositionell“ weg. Sagen wir, es gibt in der Deutschen Demokratischen Republik Bürger, die sich Gedanken machen, wie es in diesem Lande vorwärts geht. Und jeder Gedanke ist gefragt und Gedankenaustausch darüber ist niemand ausgegrenzt.“ Krenz pries das Bündnis mit den Blockpareteien und versprach erneut, die sozialistische Demokratie stärker und attraktiver zu machen. Bei den 1991 anstehenden Wahlen werde man Erfahrungen der letzten Jahre und neue Vorschläge berücksichtigen. Die Frage nach den Gegenstimmen bei seiner Wahl in der Volkskammer beantwortete Krenz: „Ich bin sehr glücklich über diese Gegenstimmen. Das verpflichtet mich, mehr zu tun, daß ich diese Leute gewinne. Ich hoffe, daß die nächste Volkskammertagung in dieser Frage schon etwas anders entscheidet oder wir müssen uns daran gewöhnen, daß Einheitlichkeit im Ziel nicht immer Einheitlichkeit in der Stimme bedeutet.“
Der Vorsitzende der LDPD, Manfred Gerlach, betonte die eigenständigere Rolle seiner Partei gegenüber der SED.
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