aus telegraph 5/1990
vom 15. März 1990
Die Parteiführer der sogenannten „Allianz für Deutschland“ sind in den meisten Fällen Wendehälse
Es ist schon traurig für die BRD-Politiker der verschiedenen „Parteien der Mitte“: Soweit es vor der „Wende“ in der DDR eine ernsthafte Opposition gegeben hat, stand sie links. Wer daher in Bonn Wert auf Zuarbeit für den gewünschten Anschluß der DDR Wert legt, muß mit riesigen Finanzspritzen Bundesgenossen aufbauen. Die drei Parteien, die sich im Bündnis „Allianz für Deutschland“ als CDU/CSU-Partner schließlich fanden, können trotzdem kaum mit glaubwürdigen Politikern glänzen – die sind leider nur begrenzt zu kaufen.
Aktuell ist jetzt der Demokratische Aufbruch unter Beschuß geraten. Angeblich soll der Vorsitzende, Wolfgang Schnur, Agent des Staatssicherheitsdienstes gewesen sein. Dazu einige versuchsweise Bemerkungen in einem Diskussionsartikel am Schluß des Heftes.
Erstaunlicherweise wagt gerade die CDU eine heftigen Wahlkampfauftritt, die allen Bürgern der DDR als allzeit dienstbereiter Fußabtreter der SED bekannt war. Wir hatten bereits beim letzten Mal ausgeführt, daß auch der Saubermann, den man schließlich gefunden hatte, Rechtsanwalt de Maiziere, nicht ganz ohne Makel ist. Als einer der DDR-Anwälte, die an den Menschenverkaufsgeschäften des Anwalts Vogel teilnahmen, nagte er keineswegs am Hungertuch. Daneben hat er tatsächlich in der Vergangenheit einige Oppositionelle vor Gericht vertreten, das aber so nachlässig, daß in Oppositionskreisen von ihm abgeraten wurde. Dafür verteidigte de Maiziere umso eifriger noch im April letzten Jahres jugendliche Nazi-Skins, die auf dem Alexanderplatz ausländische Studenten brutal zusammengeschlagen hatten.
Ebenso wenig hatte der Leipziger Pfarrer Ebeling, jetzt Vorsitzender des CSU Partners Deutsche Soziale Union, unter dem SED-Regime zu leiden. Er war immer einer derjenigen, die ein Arrangement der Evangelischen Kirche mit der SED befürwortete. In seiner Kirche, der Leipziger Thomaskirche, durfte „keine Politik“ gemacht werden. Im Namen von Ruhe und Ordnung bedrohte er oppositionelle Gruppen mit den „Sicherheitsorganen“. Erst am 9. Oktober begann der Wendehals seine Karriere als „Oppositioneller“.
Der Demokratische Aufbruch hat nach dem Fall von Wolfgang Schnur einen Politiker zu bieten, der scheinbar schon jahrelang in der Opposition stand, den Berliner Pfarrer Eppelmann. Wahr ist, daß Eppelmann seit Jahren permanenter Ansprechpartner von ARD und ZDF war, was aber kaum seiner tatsächlichen Rolle in der DDR-Friedensbewegung entsprach. In Oppositionskreisen war er als dumm, eitel, mediengeil und übrigens auch verlogen bekannt und zum Schluß mochte kaum noch jemand von ihm ein Stück Brot nehmen. Bekannt wurde er Ende der siebziger Jahre dadurch, daß er mit dem Oppositionskommunisten Robert Havemann im Fernsehen auftrat. Seitdem versuchte er medienmäßig immer auf der Friedensbewegung zu reiten. Nachdem er schon 1987 zum ersten Mal mit CDU-Politikern Kontakt aufgenommen hatte, gab er die Friedensbewegung unlängst endgültig auf, indem er zusammen mit dem DDR-Verteidigungsminister die Notwendigkeit einer Armee betonte.
Alternativ zum „Wendehals“ könnte man hier den Ausdruck „Konjunkturritter“ verwenden.
Das also ist die Politikerauslese, mit der CDU/CSU den DDR‑ Wahlkampf bestreiten. Kein Wunder, daß sie als Argumente nur Dreck und Coca Cola verwenden können.
r.l.
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