aus telegraph 5/1990
vom 15. März 1990
Der Schock des Wahlausgangs in Nikaragua lähmt unsere Hoffnungen auf Perspektiven für Mittelamerika und die sogenannte „3. Welt“ überhaupt.
Das aus 13 Parteien bestehende Wahlbündnis U.N.O. hat 54,7% der Stimmen erhalten, die Sandinisten „nur“ 40,8%
10 Jahre sind seit der Revolution in Nikaragua vergangen. Länger gibt kein Volk der Regierung Zeit, um Wohlstand oder wenigstens Arbeit, Brot und soziale Sicherheit für alle zu festigen.
Warum das in Nikaragua nicht möglich war, wissen wir, Bürgerkrieg, Interventionsstragien der USA, Wirtschaftsboykott, Sabotage, Verschuldung… und vor allem hat es sich wieder einmal erwiesen, daß eines unmöglich ist – Sozialismus (oder die Entwicklung dahin) in einem Land, ein Inselchen in den realen internationalen Strukturen. Es scheint, daß in der sogenannten „3. Welt“ und in Teilen Osteuropas wieder die neuen alten Gesellschaftssysteme entstehen. Der Traum und die Hoffnung, daß wenigsten in der „3.Welt“ Gesellschaftsstrukturen entstehen, die eine gerechte, solidarische Alternative zum Kapitalismus und Poststalinismus darstellen, scheint vergeblich.
In Nikaragua sind die Revolutionskräfte nun in der Opposition. Eine neue Situation, auch für die Diskussion in Europa über Revolution und Parlamentarismus.
Hoffentlich halten die hiesigen Solidaritätsgruppen weiter an der Unterstützung ihrer nikaraguanischen Patenschaftsprojekte fest, obwohl das jetzt gegen die neue Regierung unmöglich scheint.
Die Parteien des Bündninisses U.N.O. sind zerstritten und haben zusammen nicht die erforderliche 2/3 Mehrheit, die für Verfassungsänderungen notwendig wäre. Eckpfeiler wie Armee, Polizei und Volksbewaffnung sind somit nicht änderbar.
Ob das ausreicht, bleibt abzuwarten. Uncle Bush wird sich schon was tolles ausdenken.
d.t.
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