aus telegraph 10/1990
von Rene Klein
Da sitzen einige im ehemaligen Ministerium für Nationale Verteidigung, heute Ministerium für Abrüstung und Verteidigung, die gehören zu den ganz hart Gesottenen.
Während zum ersten Mal in der Geschichte die einmalige Chance zur Abrüstung in ihrer radikalsten Form, der Abschaffung des Militärs, zumindest auf dem Gebiet der DDR besteht, basteln die Herren an einer neuerlichen Zementierung des Militärs in fast alter Manier.
Ausgangspunkt eines Paketes von zwei Gesetzes- und einem Verordnungsentwurf aus Strausberg ist ein sogenanntes Dienstpflichtgesetz. Vorerst nur in Militärzeitungen erschienen(u.a. „Militärreform“, H. 13/90), sucht man zuerst Rückenhalt in den eigenen Reihen, um dann wohl in die Offensive gehen zu können.
Worum geht es? Alle männlichen Bürger sollen per Gesetzeskraft zu einer Dienstpflicht gezwungen werden, die als
a) Wehrdienst oder
b) Zivildienst „geleistet“ werden darf.
ES folgt ein detailiertes Gesetzeswerk mit den üblichen militärisch-juristischen Verklausulierungen, uns schon in etwa bekannt aus dem 82-iger Wehrdienstgesetz. Neu hier u.a.: politische oder religi- öse Betätigungen während eines Währdienstverhältnisses werden in dieses Gesetzeswerk aufgenommen und ermöglicht. Alt: die Ordnungsstraf- und Strafbestimmungen. Hier offenbart sich die reaktionäre Denkweise der Urheber. Nach einigen (den letzten) Jahren Praxis des „Vergessens“ von Wehrdiensttotalverweigerern unter SED- Herrschaft, nach Monaten der Unsicherheit und „Kulanz“ im Umgang mit Totalverweigerern nach dem Oktober 1989 und nach einer Zivildienstverordnung, die in europäischen Wehrpflichtländern ihresgleichen sucht, soll nun zurückgeschlagen werden.
Ordnungsstrafen, Zuführungen und Haftstrafen werden wieder mal angekündigt. Dies z.B. mit althergebrachten Gummiparagraphen wie den § 9: „Wer …b) andere Handlungen begeht, um seine Einberufung oder Heranziehung zu verhindern, wird mit Geldstrafe, Verurteilung auf Bewährung oder Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren bestraft.“ Ich denke, nicht Details sollten hier zur Diskussion stehen.Aber daß die Militärköppe wieder Aufwind verspüren, das allein ist schlimm genug. Ohnehin stören mich die größeren Widersprüche dieser Machwerke mehr als Details: z.B. werden die Gesetze auf der Grundlage der „Verfassung der DDR“ ausgearbeitet, einer Verfassung, die ohnehin nicht mehr vom Volk getragen wird, die auf die Einparteien- Block- Herrschaft zugeschnitten war und für die eine neue Verfassung unumgänglich ist. Gleichzeitig erhebt sich die Frage, inwieweit man sich auf die Verfassung überhaupt berufen will, wenn im Parlament von den Konservativen angefragt wird, ob das Land überhaupt noch eine Verfassung brauche. Also keine Verfassung? Dann auch keine neuen Dienstpflicht- und Wehrdienstgesetze, die sich auf die Verfassung berufen. Und wenn doch Verfassung, dann eine neue, bitte schön, die vom Volk getragen wird nach eingehender Diskussion. Für so eine neue Verfassung gibt es bereits einen fertigen Entwurf, vorgeschlagen vom Zentralen Runden Tisch, und da lautet ein Satz: „Die Wehrpflicht ist abgeschafft.“
Also Schluß mit dem Hick- Hack und endlich eingesehen, daß das Beste, was dieser Teil des deutschen Volkes in eine bunte Republik einbringen sollte, eine wirklich entmilitarisierte Gesellschaft ist. Ein Land ohne Wehrpflicht, ohne Zwangsdienste und ohne Geheimdienste. Auf diese Weise könnten die 40 Jahre, die wir „dem Frieden verpflichtet“waren, zu einem krönenden Abschluß und neuem Anfang geführt werden. Ohnehin sind die alten Feindbilder dahin.
Zukünftige Militaristen und solche, die das Territorium der heutigen DDR wieder remilitarisieren wollten, hätten es dann (und nicht nur national) sicher erheblich schwerer, als mit einem an die Wehrpflicht gewöhnten Volke.
Weg mit der Wehrpflicht! – kann ich da nur resümieren, und zwar so schnell wie möglich.
Weg mit der Armee! – wäre dann der nächste Gedanke. Für ein entmilitarisiertes Deutschland! – wohl der dritte. Aber den macht Euch mal selber.
Rene Klein
Freundeskreis Wehrdiensttotalverweigerer
-Region Berlin-