„Für eine fröhliche Revolution der Frauen mit politischer Konsequenz“
aus telegraph 471990
von KM
Am 17.2. fand im Gebäude des alten ZK der Gründungskongreß des Unabhängigen Frauenverbandes statt. Der Verband begreift sich als parteiunabhängige und parteiübergreifende Organisation, basierend auf der selbständigen Arbeit von Gruppen und einzelnen Frauen. Auf dem Kongreß wurde über Statut und Programmentwurf des Verbandes abgestimmt.
Im Verlauf betonten einige Rednerinnen zunächst im aktuellen Bezug die Notwendigkeit einer breiten Offensive der Frauenbewegung zur Umstrukturierung der patriarchalen Gesellschaft mit ihren lebensfeindlichen und lebenszerstörenden Zwängen.
Ina Merkel, Mitglied der Gruppe „Eigenart“ meinte in der Diskussionseröffnung, daß sich in der DDR eine schweigende Mehrheit der Frauen nicht für die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten ausgesprochen hätte. „Sie sind wieder einmal nicht gefragt worden, was die Perspektive dieses Landes angeht. Sie haben kein Vaterland zu verlieren, weil sie nie eines hatten, das ihren Bedürfnissen gerecht wurde. Sie haben auch kein Vaterland zu gewinnen, denn die nationale Borniertheit, die mit diesem Begriff einhergeht, ist ihnen fremd.“ Die Alternativen seien nur zu finden, wenn wir hier bei uns beginnen.
Es wurde ein Antrag zur Bildung einer Sozialcharta verabschiedet, die praktische Schritte zur Bewahrung der sozialen Errungenschaften ausarbeiten soll. Eine Vertreterin der Grünen Partei schlug vor, für die zukünftige Volkskammer eine Quotierung zu fordern (ohne weiteres wird diese Idee die heiße Zustimmung der eifrigen Konstrukteure einer gesamtdeutschen Regierung finden).
Obwohl Statut- und Programmentwurf, in welchen das Selbstverständnis des Verbandes als „Bestandteil einer weltweiten Frauenbewegung, die für die Abschaffung unterdrückender Herrschafts- und Denkstrukturen kämpft, die eine gewaltlose, demokratische, ökologisch stabile und multikulturelle Welt schaffen will…“ deutlich formuliert wird, letztlich vom Kongreß bestätigt wurden, sind dem Verband in seiner politischen Handlungsfähigkeit bislang offenbar Grenzen gesetzt. Eine nicht zu unterschätzende Zahl von Vertreterinnen einzelner Basisgruppen aus verschiedenen DDR-Bezirken und Mitgliederinnen von Altparteien bewiesen vor allem bei den Diskussionen um die praktische Verwirklichung einiger Zielsetzungen eine politische Kurzsichtigkeit und Mordsgeduld, die in ihrer Ignoranz die unmittelbare Dringlichkeit des Handelns unerschütterlich in Frage stellt. Bis zu der Einsicht, daß die selbstverachtende Rücksichtnahme und das Warten auf eine freundliche Herablassung natürlich auch Lieblingskinder jeder Herrschaft sind, hat die Verbitterung eben nicht bei allen gereicht. Besonders gut zu beobachten war dies beim Streit über den Vorschlag, für den 8. März diesen Jahres statt des bisherigen Feiertages einen arbeitsfreien Kampftag aller Frauen einzufordern. Einleuchtend eigentlich die Tatsache, daß das vierzig Jahre lang angeordnete Frau-Fröhlich-sein nur das geputzt Fenster einer frauenfeindlichen Gesellschaft war und daß diese Politik der `siegreichen Emanzipation der Geschlechter‘ dem Versuch einer Analyse der wirklichen Verhältnisse nur allen Wind aus den Segeln nahm. Aber deswegen gleich arbeitsfrei? „In dieser wirtschaftlichen Lage! Wir dürfen doch die Männer nicht damit diskriminieren, daß wir einfach so freinehmen, wir verlieren erst recht unsere Arbeitsplätze!“ „Sie bekommen sowieso ihren Himmelfahrtstag wieder“, kam endlich eine Gegenstimme. „Wir können nicht warten, daß uns unser Recht zugestanden wird, wir kommen nicht umhin, darum zu kämpfen.“ Vermutlich wird der 8. März die letzte Chance sein, die jetzt bereits geplante Rückkehr an den häuslichen Herd zu verhindern. Neben den vielen anderen schönen Sachen, die auf uns zukommen – vielleicht ja auch §218…
Die Integration der Frauen in das Berufseleben in den vergangenen vierzig Jahren hat den eigentlichen Ursachen der gesellschaftlichen Benachteiligung keinen Abbruch getan. Sie hat im Gegenteil eine Doppelbelastung in Betrieb und Familie und einen weitgehenden Entzug der mütterlichen Nähe für die Kinder hervorgebracht. Ich denke, die Ursache für die bisherige Dornröschenrolle der Frau ist größtenteils in der Entfremdung der Arbeit zu suchen. Es ist nicht möglich, an einer Sache ohne gleichzeitige Trennung vom „privaten“ Leben intensiv zu arbeiten. Dieses Abschneiden des unmittelbaren Beteiligtseins am Produkt, eine verwahrloste Wohnkultur (wer zu Hause sitzt, ist einsam), die Abwertung der häuslichen Arbeit führen zum Ausscheiden aus der gesellschaftlichen Kommunikation. Natürlich wäre eine Rückverbannung aus dem Berufsleben nur ein vorzeitiges Beiseitestellen, ein logisch-notwendiger Begleitschritt bei der Einführung der Ellenbogengesellschaft.
Es ist zu hoffen, daß der ausdruckgebende Kern der Verbandes diejenigen bleiben, die trotz des zu erwartenden Kleinkrieges der Verhandlungen offensiv und phantasievoll die vielseitige Konsequenz der Emanzipation der Frauen für die ganze Gesellschaft im Auge haben.