Aktionen gegen die Wehrpflicht in Ost- und West-Berlin

Aus telegraph 01/1990, vom 8. Januar

Am 11. Dezember demonstrierten anläßlich des Vier-Mächte-Treffens in Westberlin Totalverweigerer und Mitarbeiter der Internati­onale der Kriegsdienstgegner (IDK) vor dem ehemaligen Kontrollratsgebäude im Kleistpark. Auf Transpa­renten forderten sie die „Abschaffung der Wehrpflicht“, „Keine Auslieferung von Totalverweigerern aus Berlin“, „BRD ohne Armee“, „Entmilitarisierung statt wiedervereinigte Armeen“.

Sie wollten damit daran erinnern, daß der rot-grüne Senat seit Oktober seine Position aufgegeben hat, eine Auslieferung von Total­verweigerern in westdeutsche Ge­fängnisse sei wegen des alliierten Berlin-Status („Berlin ist eine entmili­tarisierte Stadt“) nicht möglich und die Entscheidung über die Abschiebung an die Alliierten übergeben hat. Der kalte Krieg, so die Verweigerer, sei vorüber, und es gäbe für die allgemeine Wehrpflicht und die gegenseitigen Morddro­hungen der Blöcke keine Rechtfertigung mehr. Berlin müsse nicht nur von deutschem, sondern auch von alliiertem Militär frei sein. Insbesondere machten sie auf die Fälle der Totalverweigerer Heiko Streck, Urs Marqurdt, Axel Schmidt und Gerhard Scherer hin, die bereits verurteilt wurden und nun aus Westberlin ausgeliefert werden sollen. (Die Alliierten haben inzwischen ihrer Auslieferung an die bundesdeutschen Gefängcnisse zugestimmt.)

Anläßlich des Kohl-Besuchs in der DDR demonstrierten am 18. und 19. Dezember Basisgruppen in verschiedenen Städten der DDR und der BRD „Gegen Armee, Militär und Rüstungsindustrie in Ost und West“. Zwar blieb die Aktion in Ostberlin nur klein, dafür waren die Transparente um so origineller: „Deutsche Soldaten seid Euch einig – desertiert!“, „Heute noch nicht desertiert?“, „Weg mit der Wehrpflicht in Ost und West“, „DDR und BRD – ohne Rüstung und Militär“.

g.h.

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