DDR-Energiekombinate träumen von AKWs

Aus telegraph 01/1990, vom 8. Januar

Im „Neuen Deutschland“ vom 4. Januar wurde zu einem neuen Energiekon­zept für die DDR ausgerechnet der Chef des Atomkraftwerks Lubmin interviewt und sah begreiflicherweise die Entsatzkapazitäten für Braunkohlenstrom im Ausbau der Atomenergie. Aufgetischt wurden die bekannten Märchen: Das vom ständig wachsenden Energiebe­darf: Man rechne mit jährlichen Zuwachsraten um 2% und einem Zuwachs von 8.000 Megawatt, eingeschlos­sen Ersatzkapazitäten für alte Anlagen, bis zum Jahr 2000. Die sechs energieer­zeugenden Kombinate der DDR schlügen deshalb innerhalb des Energie­konzepts ein spezielles Atomenergiepro­gramm vor. Dann das Märchen von der alternativen Atomenergie: Atomenergie sei in der Investition billiger und umwelt­freundlicher als Kohleener­gie und die Sicherheits­risiken seien bei modernen Atomkraftwerken sehr gering.

Und dies wird zu einem Zeitpunkt behauptet, zu dem in den westlichen Industrieländern die Ablehnung der Atomenergie eine allgemeine geworden ist. Daß die einschlägigen westdeutschen und französischen Konzerne uns deshalb nur allzugerne fast umsonst Atomkraftwerke ins Land stellen wollen, ist begreiflich. Idiotisch wäre es, wenn wir uns beschwatzen lassen, diese Ladenhüter zu kaufen. Es gab selbst in den Hochzeiten der Atomenergie nie irgendwo auf der Welt eine Versicherung, die sich bereit­gefunden hätte, ein Atomkraft­werk zu versichern.

Immerhin in Grobumrissen wurde schon vor Jahren von Basisgruppen ein Energiekonzept für die DDR erarbeitet (siehe z.B.“Morsche Meiler, Umwelt-Bibliothek 1986). In einem Land, in dem Energie auf geradezu kriminelle Weise verpulvert wird, ist unsere Hauptenergiequelle für die Zukunft die Einsparung. Bei dezentraler Anwendung können Alterna­tivenergieerzeu­gungen aus Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme durchaus zum Fundament des Energiehaushalts werden. Wir haben in diesen Blättern schon den Gedanken vertreten, daß der Nullpunkt, an dem die DDR-Enegiepolitik steht, durchaus eine Chance werden könnte, wenn wir das nutzen, um große Investitionen im Alternativenergiebereich zu machen. Binnen 10 Jahren könnten wir weltweit zum Marktführer werden.

© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph