von Bernd Gehrke
(Aus telegraph #1 _ 1998)
Seit dem Januar 1990 gibt es dieses Haus im Zentrum Berlins. Auf Grund der Forderung des Zentralen Runden Tisches nach Arbeitsmöglichkeiten für die Gruppen und Bewegungen der demokratischen Opposition, wurde das Gebäude der SED-Kreisleitung Berlin-Mitte in Besitz genommen. Der mit der zuständigen SED-Einrichtung abgeschlossene Vertrag gestattet den Bürgerbewegungen die unbegrenzte, unentgeldliche Nutzung des Gebäudes und das Vorkaufsrecht für einen symbolischen Preis. In der Wende-Zeit war das Haus der Demokratie Raum für viele historisch zu nennender Ereignisse. Obgleich nach dem Anschluß der DDR und der folgenden Krise der Bürgerbewegungen sich viele Berliner Basisinitiativen in ihre Kieze zurückzogen, blieb es ein Ort demokratischer Basisaktivitäten mit bundesweiter Ausstrahlung, ein wichtiger Begegnungsort von Initiativen aus Ost und West. Mehr als 40 Organisationen und Projekte verschiedenster Art haben hier Platz gefunden. Garant der politisch vielfältigen Basisaktivitäten ist die von den Bürgerbewegungen gegründete Stiftung Haus der Demokratie, die die demokratische Selbstverwaltung durch die Bürgerbewegungen garantiert. Doch seit Jahren muß das Haus der Demokratie um seine Existenz ringen. Der bundesrepublikanische Staat will der demokratischen Bürgerbewegung wieder abnehmen, was diese der SED abgerungen hat. Der Nutzungsvertrag und der Kauf zum symbolischen Preis wurde von der Treuhand nicht anerkannt. Seit 1997 wird jedoch der massive Versuch gemacht, das Haus an den Deutschen Beamtenbund zu verkaufen. Räumungsdrohungen wurden zum Jahresende gegenüber den Bürgerbewegungen ausgesprochen und konnten nur gerichtlich gestoppt werden. Unter anderem, weil die Unabhängige Parteienkommission des Deutschen Bundestages ihr Votum in dieser Angelegenheit noch nicht gegeben hatte. Diese veranstaltete deshalb am 2. Februar 1998 einen sogenannten Runden Tisch zum Haus der Demokratie, zu dem sie außer den Vertreterinnen und Vertretern der Gremien des Hauses und seiner Gründungsorganisationen willkürlich, auch sogenannte „prominente Bürgerrechtler“ wie den CDU-Bundestagskandidaten Nooke, trotz fehlender Legitimation in dieser Angelegenheit, einlud. Dieser verfügt aber über gute Beziehungen zu den Machthabern. Trotzdem war diese Sitzung ein relativer Erfolg für die Bürgerbewegungen. Die von ihnen vertretene Position fand bei der Unabhängigen Parteienkommission scheinbar offene Ohren: Da die Bürgerbewegungen weder über die Mittel verfügen, das Haus selbst zu kaufen, noch einen Grund sehen, von ihrer bisherigen Forderung nach Akzeptanz ihres Eigentumsanspruches abzugehen oder eine „Etage der Demokratie“ beim Deutschen Beamtenbund akzeptieren können, hatten sie eine politische Entscheidung über die förmliche Übereignung des Hauses an die Stiftung Haus der Demokratie gefordert. Einvernehmlich wurde beschlossen, daß Unabhängige Parteienkommission und die Stiftung Haus der Demokratie eine politische Lösung suchen: der Vorsitzende dieser Kommission, Papier, wollte bis zur nächsten Sitzung der Unabhängigen Parteienkommission ein Gespräch mit dem Bundeskanzleramt hierüber führen. Die Stiftung Haus der Demokratie erklärte sich ihrerseits bereit, ein Verwaltungsmodell zu erarbeiten, durch welches die Integration der von den „dubioser Weise anwesenden“ prominennten Bürgerrechtlern in´s Spiel gebrachten Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur im Rahmen der demokratischen Selbstverwaltung des Hauses durch die Bürgerbewegungen ermöglicht werden kann.
Doch die politische Entscheidung ist inzwischen gegen die Bürgerbewegungen gefallen. Die Unabhängige Parteienkommission hat auf ihrer Sitzung am 24. Februar 1998 die Übereignung des Gebäudes an die Stiftung Haus der Demokratie als das demokratisch gebildete Organ der Bürgerbewegungen definitiv ausgeschlossen! Offen ist für sie lediglich noch, welcher andere Eigentümer das Gebäude erhalten wird. Eine Steilvorlage für diese Entscheidung lieferte das Gangsterstück jener Clique sogenannter „prominenter Bürgerrechtler“, die sich in der Öffentlichkeit als Demokraten aufspielen, jedoch im Verbund mit dem Bundeskanzleramt einen Putsch gegen die demokratischen Selbstverwaltungsorgane der Bürgerbewegungen unternahmen. In einem Brief an die Unabhängige Parteienkommission schlugen Günter Nooke, Gerd Poppe, Konrad Weiß, Wolfgang Ullmann, Ehrhard Neubert und Ulrike Poppe, hinter dem Rücken der Stiftung Haus der Demokratie, den Erwerb des Hauses durch die Bundesregierung, zugunsten der noch zu gründenden Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vor. Das politische Ziel dieses Attentats ,ist die Verwandlung des Hauses aus einem Ort der heute aktiven und vielfältigen Bürger- bzw. Basisdemokratie in einen unter Staatskuratell stehenden und dem „Anti-Totalitarismus“ verpflichteten „Ort der Erinnerung an die friedliche Revolution des Herbstes 1989“. Nun kann nur noch das Eingreifen einer Basisbewegung verhindern, daß das Symbol der ostdeutschen Demokratiebe-wegung als ein Ort der heute aktiver Bürger- und Basisdemokratie, liquidiert oder gar in ein Museum gegen die Basisdemokratie verwandelt wird.
Verteidigt das Haus der Demokratie und seine Stiftung gegen den Zugriff der Staatsmacht!
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