GRENZCAMP ’99

Die Linke entdeckt wieder das Ferienlager
aus telegraph 1/1999

Vom 7. bis zum 15. August findet bei Zittau ein antirassistisches Grenzcamp statt. Bereits zum zweiten Mal veranstaltet die Kampagne Kein Mensch ist illegal das Camp, um auf die Situation an der EU- Außengrenze aufmerksam zu machen. Nachdem im letzen Jahr in Rothenburg bei Görlitz gezeltet wurde, befindet sich das Camp dieses Mal auf einer Wiese mitten im deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländereck. Diese Grenzen gelten als die, von der Polizei in Europa bestbewachten. Seit der Abschaffung des Asylrechts im Juli 1993 sind über 70 Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen, diese Grenzen zu überqueren. Der Bundesgenzschutz (BGS) schürt unter der Bevölkerung in den Grenzregionen Ängste und Ressentiments gegenüber illegalen Flüchtlingen, um die Den-nu-nzi-ations-bereitschaft der Anwohner zu erhöhen. So spricht der BGS gern davon, daß 70 bis 80 Prozent der Festnahmen durch gezielte Hinweise aus der Bevölkerung erfolgen.

In diesem Jahr erfährt das Grenzcamp eine besondere Brisanz dadurch, daß im September die sächsischen Landtagswahlen stattfinden.

Die NPD hat in Sachsen mit über 1.200 Mitgliedern ihren größten Landesverband. Es wird befürchtet, daß es der NPD gelingen könnte, in den Landtag einzuziehen. So besteht eine Kooperation mit den örtlichen Antifa-Gruppen, um im Zusammenhang des Camps gegen rassistische Stimmungsmache im sächsischen Wahlkampf zu agieren.

Angestrebt wird in diesem Jahr eine Zusammenarbeit mit polnischen und tschechischen antirassistischen Gruppen. Darüber hinaus werden zeitgleich an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, sowie an der italienisch-albanischen Grenze antirassistische Camps stattfinden.

Mit vielen verschiedenen öffentlichkeitswirksamen Aktionen will das Grenzcamp auf die Situation vor Ort hinweisen. Es ist eine Campzeitung geplant, die in großer Auflage in der Region verteilt wird. Das kulturelle Programm, mit Konzerten und Filmen im Camp, soll auch Jugendliche vor Ort ansprechen und für das Anliegen des Grenzcamps sensibilisieren.

Bei der Vorbereitung des Camps sind sich die beteiligten Gruppen darüber klar, daß es problematisch ist, als „Auswärtige“ für eine Woche in die Konflikte der Grenzregion zu intervenieren. Ebenso schwierig ist es, der rassistischen Hetze des BGS etwas entgegenzusetzen, wenn dieser einer der größten Arbeitgeber in der Gegend ist. Es ist also zwingend notwendig, sich mit den strukturellen Problemen einer Region auseinanderzusetzen, in der nach offiziellen Statistiken jeder fünfte, nach Abzug von ABM u.ä. fast jeder zweite arbeitslos ist. Diese Spannungsverhältnis könnte die Gelegenheit bieten, im Rahmen des Grenzcamp `99 die Bedingungen und Möglichkeiten antirassistischer Politik im Osten grundlegend zu diskutieren.

Und das wäre ja schon ein Anfang.

Kontakt und Information: Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM), Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin, Tel.: 030/ 693 56 70.

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