Berliner Gegendemonstration zum Kohl-Besuch

aus telegraph 10/1989
vom 20. Dezember 1989

Zu einer Demonstration gegen Wiedervereinigung und Ausverkauf der DDR versammelten sich anläßlich des Kohl- Besuchs am Dienstag abend mehr als 10000 Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz. In einem friedlichen Demonstrationszug zog die Menge zum Platz der Akademie, wo um 18.00 Uhr eine Großkundgebung stattfand. In Sprechchören und auf Transparenten wie „Wir sind der Welt eine Alternative schuldig“ forderten die Demonstranten aktiv an der Entwicklung eines „dritten Weges“ auf souveränem DDR- Territorium mitwirken zu wollen. Lautstark wurde der aufkommenden Nazi- Bewegung der Kampf angesagt. Als erster Redner forderte ein Sprecher der Vereinigten Linken durch zwei Zitate aus der Weltbühne, für eine künftige Verfassung einen „antifaschistischen, demokratischen, sozialistischen Staat deutscher Nation“. Begrüßt wurde auch die Forderung nach sofortiger öffentlicher Beratung über die Bedingungen unter denen Kapitalinvestionen möglich sein sollen, sowie die, nach der Schaffung selbstverwalteter Strukturen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Mit dem Sprechchor „Aufhören Jetzt“ und „Nie wieder Deutschland“ wurde der Versuch eines Mitinitiator der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt beantwortet, einen Drei- Stufenplan zur „Nationalen Einigung“ vorzustellen. Für die Anerkennung der bestehenden Grenzen in Europa sprach sich das Neue Forum Berlin in einer Erklärung aus. Die bestehenden Probleme seien nicht nationalstaatlich zu lösen. Das NF trete für den Grundsatz „Eine Welt statt Drei“ ein. Die Schaffung von Konten mit einer Summe von 40.000 D-Mark für jeden Bürger der DDR forderte die Schauspielerin Grete Reichel. Diese Summe entspräche der Schuldenlast der DDR geteilt durch 17 Millionen. „Und wir brauchen nicht mehr für 100 DM Dankeschön zu sagen“. Nach ca. 2 Stunden war die friedliche Kundgebung beendet.
t.b.

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