aus telegraph 10/1989
vom 20. Dezember 1989
„Mit großer Sorge habe ich die Ausführungen „Eine Kundgebung als Plebiszit“ und „Revolutionäre Besonnenheit = keine Gewalt?“ gelesen. Aus diesen Ausführungen hört man an mehreren Stellen RAF-Töne, so bei der Verächtlichmachung freier Wahlen (Begriff „Wahlklosett“) und bei der Ablehnung des Gewaltmonopols des Staates. Die Forderungen der mündigen Bürger unseres Landes aber lauten: „Freie Wahlen“ und „Keine Gewalt“.
Dabei wollen wir auch bleiben und den Linksfaschismus der RAF genauso ausgrenzen, wie den Rechtsfaschismus mancher Skinhead-Gruppen oder die faschistoide Ausländerfeindlichkeit. Ich denke auch, daß wir mündigen Bürger uns an jedem Tag neu klar machen müssen, aus den vor allem ökonomisch bedingten Schwierigkeiten bringt uns nur harte Arbeit wieder heraus. Wir müssen für eine bessere Republik auch besser arbeiten!
Prof. Dr. W. Pritzkow, Merseburg
Anm. der Redaktion: Bekanntlich gibt es vieles zwischen Himmel und Erde, was den Professor-Doktors nie träumte. Es sind so tatsächlich auch demokratische Systeme erdacht und zeitweise auch praktiziert worden, in denen die Bürger nicht irgendwelche Vertreter und Parteien wählen, sondern selbst ihre Geschicke bestimmen. Diese Systeme nennt man Basis- oder direkte Demokratie. Was nun das Gewaltmonopol des Staates betrifft, so hat es ebenfalls die Vorstellung gegeben, daß, einen Gesellschaftsvertrag vorausgesetzt, die Bürger dem Staat die Gewaltmittel wegnehmen, und damit einfach das schöne Gewaltmonopol zerstören. Das ist natürlich gemein, aber die Leute, die so etwas gedacht haben, nannten sich Demokraten. Tatsache! Im übrigen ist es natürlich witzig, daß wir, die offiziell bis vor drei Monaten als Agenten und Helfershelfer des Imperialismus denunziert wurden, jetzt von einem gewendeten Professor-Doktor unter neuen Doktrinen wieder in die Ecke gestellt werden, diesmal in die RAF-Ecke.
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