NVA immer einsatzbereit

aus telegraph 10/1989
vom 20. Dezember 1989

Endete die Berliner Demonstration am 4. November nur durch Glücksfall nicht im Blutbad?

Seit einiger Zeit hörten wir das Gerücht, jetzt haben wir es direkt von einem Militärangehörigen gehört: Am 4. November, dem Tag der vom Künstlerverband initiierten Großdemonstration, sollen die Angehörigen der Potsdamer Division Berlin umstellt haben. Sie waren, nach den uns vorliegenden Angaben, in Gefechtsbereitschaft, aufmunitioniert und für den Einsatz gegen die Bevölkerung Berlins vorbereitet. Bereits Tage zuvor seien die Soldaten nicht mehr aus den Kasernen gekommen. Erzählt worden sei ihnen, daß am 4. November ein Mauerdurchbruch vom Westen und vom Osten geplant sei und daß Lynchjustiz für Militärangehörige vorbereitet würde. In Alarmbereitschaft war, dem Bericht zufolge, auch eine Hubschrauberstaffel und für den Einsatz gegen Demonstranten mit großkalibrigen Schnellfeuerwaffen ausgerüstet. Die Aktion sei vom damaligen Chef des Verteidigungsrates, SED-Chef und Staatsratsvorsitzenden, Egon Krenz, befohlen worden. Der Beginn der Aktion hing an einem seidenen Faden. Krenz konnte den entscheidenden Befehl nicht geben, weil sich einige Personen aus der zweiten Reihe ihm in den Weg stellten und ihn zwangen, die Aktion zurückzunehmen.

Wir fordern hiermit das Verteidigungsministerium auf, zu den Berichten über eine solche Aktion am 4. November endlich Stellung zu nehmen.

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