Töpfer und der Wahlkampf

aus telegraph 10/1989
vom 20. Dezember 1989

Am Donnerstag sollten sich in Ostberlin um 10 Uhr vormittags Vertreter von DDR-Ökogruppen mit Bundesumweltminister Töpfer treffen. Doch Töpfer kam nicht, obwohl seine Sekretärin noch am Vorabend den Termin bestätigt hatte. Wie sich zeigte, hatte Herr Töpfer für DDR-Umweltgruppen erst 18.30 Uhr Zeit und erschien dann auch um 19.15 Uhr. Offenbar schien es Töpfer dann doch günstiger, die pressefreundlichen Termine zu einem Schwatz mit dem CDU-freundlicheren Demokratischen Aufbruch nutzen. Schon am Anfang der Woche hatte er in Bonn bemerken müssen, daß DDR-Umweltgruppen ihm mit realen Problemen und Forderungen kommen und ausgesprochen Töpfer-unfreundlich sind.

In dieser Hinsicht wurde Töpfer auch in Ostberlin von den Umweltgruppen nicht enttäuscht. Zuerst wurde eine Konsenserklärung der anwesenden Gruppenvertreter verlesen, in der gefragt wurde, ob Töpfer in der DDR wäre, um CDU-Politik zu betreiben. Auch habe man davon gehört, daß ein Vertrag mit der DDR-Regierung in Höhe einiger Milliarden über Investitionen in 17 Projekten auf dem Umweltsektor beschlossen worden sei. Unter anderem solle in Espenhain (ein Werk aus den dreißiger Jahren) eine zweite SO2-Filterstufe eingebaut werden. Dieses Projekt, hieß es in der Erklärung, ginge an der Forderung von DDR-Umweltgruppen, Experten und der anliegender Bevölkerung nach sofortiger Stillegung der Dreckschleuder vorbei. So würden wie in der BRD Industrieruinen entstehen, die milliardenschwer auf dem Geldbeutel der Steuerzahler lägen.

Töpfer verwahrte sich gegen die Unterstellung, Wahlkampf betreiben zu wollen. Im übrigen sei in der BRD eine SO2-Abscheidungsquote von 98% erreicht. Dies sei für die DDR beispielhaft. Er informierte, daß DDR und BRD gemeinsame Umweltkommissionen bilden wollen, die Priorität liege auf dem Wassersektor. 3 Projekte würden die Freisetzung von 7 t Quecksiber jährlich unterbinden. Zur Energiefrage müsse man Zwischenlösungen finden, ein Energieverbundnetz würde dazu beitragen. Für die KKW-Anlagen in der DDR würde man die Möglichkeit erhalten, Sicherheitsanalysen für einen sicheren Betrieb zu erstellen.

Ansonsten wolle man nicht in erster Linie in Projekte investieren, sondern sich für die Schaffung rechtlicher Grundlagen im Umweltschutz einsetzen.

Dann kam das Problem des Müllimports in die DDR zur Sprache. Töpfer wurde vorgeworfen, daß sein Amt trotz des Wissens um die Unmöglichkeit von ordnungsgemäßer Deponierung in der DDR, weiter Genehmigungen zum Export erteile. Dies verstoße gegen Gesetze der BRD. Gefordert wurde der sofortige Stop der Mülltransporte und die Müllbeseitigung nach dem Verursacherprinzip. Für Westberlin würde das die Verhängung des Sondermüllnotstandes bedeuten.

Töpfer bestätigte, daß aus diesem Grunde in der BRD Anzeigen gegen ihn erstattet worden seien. Die Bundesländer seien aber selbst für die Entsorgung ihres Mülls verantwortlich. Er habe nicht gewußt und könne noch nicht beweisen, daß sein Müll in der DDR nicht ordnungsgemäß nach internationalem Standard entsorgt werde. Natürlich sei auch er für Müllvermeidung. Aber nicht zuletzt auf Grund des Einsatzes moderner Filtertechnik im Industriebereich würde immer mehr Müll entstehen, der entsorgt werden müsse. Umweltprobleme beim Einsatz von immer neuerer Technik müßten halt mit weiterentwickelter Technik beantwortet werden. Von Konsumeinschränkung war bei Töpfer nicht die Rede.

t.b.

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