Juristische Blackout

aus telegraph 10/1990
von Wolfgang Rüddenklau

Die DDR-Justiz versucht sich derzeit auf alle mögliche Weise aus der Verantwortung für vergangene Untaten zu stehlen, um sich an künftigen Untaten beteiligen zu können. Ein interessantes Beispiel ist das Urteil gegen Andreas Kalk, der sich im Januar 1988 an der eigenständigen Rosa-Luxemburg-Demonstration beteiligte und nach zweiwöchiger Untersuchungshaft wegen „Zusammenrotten“ ein Jahr mit Bewährung erhielt. Die „Milde“ des Urteils ist nur auf die damalige DDR-weite Solidaritätswelle zurückzuführen.

Anfang des Jahres schrieb Andreas Kalk nun an die DDR-Justiz und erkundigte sich, wie das Urteil der damaligen Zeit im Lichte der Gewendeten zu betrachten sei. Nach einer langen Bedenkpause antwortete die Generalstaatsanwaltschaft der DDR mit folgenden klassischen Worten:

„Werter Herr Kalk!
Auf ihr Schreiben vom 21.3.90 wird mitgeteilt, daß für sie im Strafregister keine Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit registriert sind. Somit gelten sie als nicht bestraft.
Neumeister, Staatsanwalt“

Irgendwie müssen wir das Ganze damals wohl geträumt haben.

r.l.