Kleiner marktwirtschaftlicher Unfall

Westgastronom machte bei alternativer Wahlparty in Erfurt Miese

aus telegraph 10/1990
von Wolfgang Rüdddenklau

Am 26. April fand in der Erfurter Thüringenhalle eine Wahlparty von Grüner Partei und Bündnis 90 statt. In Erfurt besteht das Bündnis 90 im Wesentlichen aus dem Neuen Forum und Kandidaten des Autonomen Jugendzentrums (AJZ). Es war durchaus keine Kommerzfete. Es spielten Jürgen Kehrt aus Erfurt, Kirsch & Co (ehemals Karacho und Pasch) und eine schon von früher gut bekannte Band aus dem Schwabenland. Nur die Grüne Partei glaubte sich in Richtung Marktwirtschaft orientieren zu müssen und vermietete die gesamte Thüringenhalle gastronomisch an einen Westunternehmer. In Reihe und Glied standen demzufolge am Stand sämtliche Coca Cola- und sonstige Büchsen. DDR-Bier gab es auch, aber mit einem äußerst deftigen Preisaufschlag. Auch das Fast-Food Angebot ließ nichts zu wünschen übrig. Dem Anlaß gab der Händler insofern Raum, als er die Big Macs mit einer Salatplatte versehen hatte und „Green Macs“ nannte.

Doch der Westhändler hatte Pech. Nach einigen Schwierigkeiten mit dem Transport bauten die Leute vom AJZ vor der Thüringenhalle ihre Stände mit der üblichen Fetenverpflegung der Offenen Arbeit zum Selbstkostenpreis auf: DDR-Bier, Saft, geschmierte Stullen zu 25 Pfennig, mit gutem Käse ausnahmsweise 70 Pfennig. Aus preismäßigen aber zum Teil wohl auch aus gesinnungsmäßigen Gründen verschmähte das überwiegend junge Publikum die Westgastronomie und wandte sich lieber den Ständen des AJZ zu. Gar nicht marktwirtschaftlich reagierte der Händler. Er klagte bei seinen Geschäftsfreunden von der Grünen Partei über unlautere Konkurrenz und forderte deren Vertreibung. Da die Wahlparty überwiegend von AJZ-Leuten vorbereitet war, konnten sich die Grünen und der Westhändler nicht durchsetzen.

r.l.