AUSLESE 2000 – EIN GUTER JAHRGANG

von Knobi
aus telegraph #102/103

Oder: Auch im Osten trägt man Westen
Da es dieses mal Unmengen guter Bücher gibt, wollen wir uns erst gar nicht groß mit der Vorrede aufhalten, und um das Ganze etwas zu straffen, sind die Bücher diesmal nach Verlagen sortiert, die einfach alphabetisch (so in etwa) aufgeführt werden.

AurorA-Buchversand hat seinen neuen Herbst/Winter-Katalog fertig, der kostenlos ins Haus kommt, wenn mensch seine Adresse abgibt: AurorA-Buchversand, Knobelsdorffstr. 8 in 14059 Berlin.

EVA/Rotbuch Verlag Hamburg: Seit Januar gibt es die Reihe “Rotbuch 3000”, in der halbjährlich 6 Titel erscheinen. Alle Bände umfassen 96 Seiten mit zahlr. Abb., prägnanten Texten und kosten jeweils 14,90 DM. Sie sollen der Einführung in Themen unserer Zeit dienen. Bände zu folgenden Themen sind bereits erschienen: Migranten, Sozialismus, Drogen, Sexualität, Expo 2000, Popmusik, Existenzialismus, Hacker usw. Vielleicht ist nicht jeder Band zufriedenstellend, aber im ganzen eine löbliche Reihe des Herausgebers und Ex-ID-Archiv-Verlegers Martin Hoffmann.

Verlag Edition AV-Verlag 88 Frankfurt/M. : Der kleine Anarcho-Verlag, der seit ein paar Jahren existiert, bemüht sich redlich, neben Broschüren jetzt auch Bücher zu produzieren. Als Reprint ist jetzt erschienen: Pierre-Joseph Proudhon; Die Bekenntnisse eines Revolutionärs (255 S./ 24,80 DM). Dieses 1849 verfasste Werk gehört mit zu seinen wichtigsten.

Verlag Graswurzelrevolution e.V. Heidelberg: die traditionellste, antimilitaristische und libertäre Zeitschrift des Nachkriegs-Deutschland hat jetzt auch einen Buchverlag gegründet. Das zweite Buch ist jetzt: Gewaltfreier Anarchismus – Herausforderung und Perspektiven zur Jahrhundertwende (203 S. / 29,80 DM). Gleichzeit ist dies der Reader zum gleichnamigen Kongress in Köln gewesen. In pazifistisch-libertären Kreisen ist dieses Buch sicherlich ein Muss, um auf dem neuesten Stand der Diskussion zu sein.

Karin Kramer Verlag Berlin: Hier gab es reichlich neues. Jan-Erik Hubele; Zwischen Himmel und Hölle – Jim Morrison in Paris (191 S. / über 200 Abb. / 38,—DM). Morrison, Pop-Ikone, wie Jimi Hendrix und/oder Janis Joplin und ebenso früh in Paris verstorben. Let it Roll! +++ Peter Giersich/Bernd Kramer; Max Hölz – Sein Leben und sein Kampf (173 S. / 60 Abb. / 36,—DM). Zahlreiches, bisher unveröffentlichtes Archivmaterial zu dem “roten General”, der während der Zeit der Weimarer Republik die “direkte Aktion” proklamierte und auf ungeklärte Weise in der SU ums Leben kam. + + + Hubert Kennedy (Hrsg.); Lieber Tucker… – Die Briefe von John Henry Mackay an Benj. R. Tucker. (176 S. / Abb. / 36,—). Knapp 200 Postkarten und Briefe als Dokumente einer rund 40jährigen Freundschaft unter Individual-Anarchisten, die 1933 mit dem Tod Mackays endete. + + + Rolf Giesen / Klaus Dieter Weiß; Das Klo – Schmutz wird durch Poesie erst schön. (128 S. / Abb. / 24,—DM). Ein notwendiges Buch, weil wir alle im Laufe unseres Lebens über hundert Tage auf dem Klo verbringen (abgesehen davon lässt sich dort auch gut lesen). + + + Thorsten Hinz; Mystik und Anarchie – Meister Eckhart und seine Bedeutung im Denken Gustav Landauers (256 S. / 20 Abb. / geb. / 48,—DM).

Nautilus Verlag Hamburg: In der Reihe “Kleine Bücherei für Hand und Kopf” ist das 50. Bändchen erschienen. Wetterleuchten! Künstler-Manifeste des 20. Jahrhunderts (128 S. / Abb. / 18 DM). Dokumente der europäischen Avantgarde, die nicht nur heute noch lesbar sind, sondern vor allem noch eingelöst werden müssten. +++ Otto Gross; Von der geschlechtlichen Not zur sozialen Katastrophe (192 S. / 29,80 DM). Diese gesammelten Aufsätze des Psychoanalytikers Gross von 1913 – 1920 werden mit einem Essay von Franz Jung eingeleitet. +++ Ein “Brüller” im wahrsten Sinne ist Wiglaf Droste / Gerhard Henschel; Der Mullah von Bullerbü (160 S. / geb. / 28 DM). “Der härteste Thriller seit “Urmel aus dem Eis”!”

Paranoia City Verlag Zürich: Lange hat es gedauert, und es wurde gut: Der neue p.m.; Subcoma – Nachhaltig vorsorgen für das Leben nach der Wirtschaft. (192 S. / 24 DM). Neben der Kritik an einer starren Linken samt der Neo-Sozialdemokratie (herrlicher Ausdruck), knallharten Fakten, warum unser Leben endlich eine Wende erleben muss, gibt es eben auch die Alternativen wie es – vielleicht – doch klappen könnte für ein besseres Leben. Unsere Aufgabe wird es demnächst wohl sein Subcoma-Clubs zu gründen. Subcoma = Subsistenz / Community / A-Patriarchat. Unbedingt lesen!

Unrast Verlag Münster: Silke Lohschelder; AnarchaFeminismus – Auf den Spuren einer Utopie (196 S. / 24,80 DM) Über den klassischen Anarchismus, dessen Protagonistinnen und den Diskussionen der letzten Jahre. +++ Für eine andere, ebenso notwendige Diskussion sorgt das Buch: Irit Neidhardt / Willi Bischof (Hg.); Wir sind die Guten – Antisemitismus in der radikalen Linken. (188 S. / 26,80 DM). Wenngleich die Beiträge einige Schwächen aufweisen, so dienen sie doch einer notwendigen Aufarbeitung. Berücksichtigt wird allerdings nur der westdeutsche Linksradikalismus. +++ Und noch was Klassisches: Michael Bakunin; Die revolutionäre Frage – Föderalismus, Sozialismus, Antitheologismus. (179 S. / ca. 24,80 DM). Erschienen in der Reihe “Klassiker der Sozialrevolte” als Band 6, liegt hier eine Erstübersetzung des großen russischen Revolutionärs vor, und ein Grundlagenwerk libertärer Theorie.

Verlag Libertäre Assoziation / Verlag der Buchläden Schwarze Risse Berlin und Rote Strasse Göttingen: Nach dem großartigen Plakate-Buch ein neues Meisterwerk, welches in jeden Bücherschrank gehört. Klaus Schönberger (Hg.); Va Banque – Bankraub, Theorie, Praxis, Geschichte (325 S. / Abb. / 34 DM). Mit soziologischen und kulturhistorischen Betrachtungen, Geschichte und Geschichten und dem Hinweis auf den §249 StGB. Nach der Lektüre wird jedeR, es wohl bedauern, dass der Geldverkehr immer mehr per Plastikkarte abgewickelt wird.

Wäre schön, wenn der eine oder andere Titel vielleicht mal in einer längeren Rezension an dieser Stelle vorgestellt werden könnte. Selten war eine Buchsaison so gut mit interessanten Titeln bestückt wie in diesem Herbst 2000.

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