APOSTEL FEIX UND DER HEILIGE GNEIST

von Bert Papenfuß
aus telegraph #106

Kurz nach dem Internationalen Frauentag 2002 ist Lothar Feix gestorben. Geburtstag hatte er
zusammen mit Wilhelm Pieck am 3. Januar. Da Feixi meine Texte und meine Art zu schreiben nur bedingt schätzte, will ich mich zurückhalten, und in erster Linie ihn selbst und Dichter, die er wirklich mochte, zu Wort kommen lassen.

„Nachts lassen sie mich hier in Ruh,
Und wenn sie dann die Klöppel schwingen,
Die dröhnenden Dinger wie Donner singen,
Da seh ich zu
Und schlürf in langen Zügen
Aus allen meinen Krügen
Kognak, Korn und Aquavit
Und habe mein Vergnügen.
Wenn wohle Glut die Nacht bezieht,
Das ist mir mehr wie Morgenrot,
Und morgen sind viel Häuser tot.
Grgsgi,
Der Teufel hole sie!
Dreck! Komm, Karlineken, komm
Mach mich fromm,
Daß ich in den Himmel komm!“ 1

„Was die Gelehrten reden, ist nur Kohl,
Denn eine taube Nuß ist ihr Symbol,
Wie diese ist ihr Schädel hohl,
Der Schweine Leder ihr Idol –
Der Weise weihet sich dem Alkohol.“ 2

Kennen gelernt haben wir uns 1977 in der „Tute“ am Alex, er kam dort meistens am Nachmittag mit einer Aktentasche unter dem Arm rein und trank Kaffee, Bier und Schnaps. Er kannte jemanden in irgendeiner Kulturbehörde in Mitte, und überbrachte mir die frohe Botschaft, daß meine erste offizielle Lesung, die just im „Club 29“ stattfinden sollte, verboten sei. Damals haben wir unsere Lebensgeschichten  ausgetauscht, ich weiß nur noch, daß er in der Gneiststraße geboren oder aufgewachsen ist, dann auch schon zur Armee kam, und seither keine Spirituose verkommen ließ. 3 In einem „Autobiografie“ betiteltem Manuskript 4 schreibt er 19-jährig, also 1973 – er war gerade zur Asche geholt worden, die er als Tausendtagesack enterte, und als einfacher Soldat verließ – folgendes:

„Letzter Wille“
Des ersteren seien die Lehrer bedacht, die mich auf Ideen brachten, denen sie abhold sind. Ihnen meine Lunge. Sollen sie die Asche aufs Haupt sich streuen.
Meine Vergangenheit dem, der sie gebrauchen kann. Die Zukunft den Lebensüberdrüssigen. Die
begehrenswert, nehm ich mit mir. Den Gläubigern Vertröstungen. Denen, die mir schuldig, den Mantel des Vergessens. Den Rest zum freien Verkauf. Den Freunden nur noch den Rat, ihr Geld besser anzulegen.
Geld hab ich keins zu hinterlassen, mein krankhafter Geiz neidete der Brieftasche stets ihren
Inhalt. So war ich meist derart mittellos, daß ich genug zum Leben hatte, denn mein Leben fraß nicht viel.

Das Drama geht weiter. Das Publikum wird ersucht, auf den sich sezierenden Helden keine Tomaten zu werfen. Er mag keine Rohkost.

Nachmittags, wenn ich das Pensum an Tagesarbeit absolviert hatte, oder nicht weiter zu tragen
bereit war, raste ich mit dem Sturmschritt des arg-beschäftigten, wie ich ihn dann benutze, wenn ich Zeit hatte, nach Hause, setzte dort angekommen Wasser auf, brühte schwarzen Tee und brachte schwarze Scheiben, sogenannte Schallplatten zum Tönen. Ich las, hörte, trank, dachte und schrieb.

Durchmaß so 5 Ebenen ohne mehr zu brauchen, als ein Ein-Mann-Teegedeck, Aschenbecher,
Lektüre, Platten und Papier nebst Bleistift. Das mag langweilig klingen, wenn man nicht bedenkt wie interessant moderne Musik ist, wie interessant einige Literaturen sind, wie aufregend es ist, zu rauchen. Wenn euch solch Leben nicht vergönnt ist, dann ist jeder von uns um etwas ärmer als der andere. Mir war es gegeben, je nach Belieben mich in eine Harmonie zu hängen, in ein Buch zu klettern, mich gedanklich in jedes Problem zu begeben, mit dem Bleistift Papier zu besprechen oder durch den Tabaksdunst meines Zimmers in das Aroma starken Tees zu springen. Ich erbaute mir eine Traumburg und wehrte als begnadeter Recke den Eindringlingen, die mich zu nützlicher Arbeit anhalten wollten.

Das ist so eine Art Romantik, die Weltflucht heißt, weil sie diese bewirkt. Wenn man allein ist, kann man träumen. Das macht Spaß und so träumt man häufig, zu oft, um noch voll am Leben teilzunehmen.

Und da man letztlich nicht mehr am Leben teilnimmt, bleibt einem nichts anderes übrig, als zu
träumen. Wenn ich spazierenging, was ich öfters tat, dann um dem Leben eine Chance zu geben, an mich heranzukommen. Das tat es selten, und ich starrte in die Wolken, ob da irgendwo ein Platz sei, von dem man auf die Welt herabspucken könnte. Dann hab ich mich unnütz gefühlt, zwecklos, ohne eigentliches Recht, Sauerstoff zu verbrauchen. Ich war überall nicht zu Hause, denn ich hatte mich mittlerweile derart an meinen wohnlichen Traum gewöhnt, daß mir diese Welt nirgendwo ganz behaglich scheint. So raste ich also durch die Gegenden, staunte Wälder an, Häuser und Ameisenhaufen, und war durch nichts zu verwundern, denn mir war alles in der Welt verwunderlich.

Meine Beziehungen zur Gesellschaft der Menschen entbehren einer gewissen Komik nicht. Ich traf auf Leute, bei denen ich mich durchaus wohl fühlen könnte, besäße ich nicht den Ruf des Outsiders, der mich zwang, einen Outsider zu spielen. Inzwischen bin ich mit der Rolle derart vertraut, daß ich  nur mit Mühe anders sein kann als outside. Das Leben ist ein Theaterspiel. In meinem bin ich der Hauptdarsteller, der zwischen den Auftritten hinter der Bühne sitzt, raucht, liest, Tee trinkt, Musik hört und träumt. Das Bestreben jedes Menschen sollte dahin gehen, nicht nur Held, sondern auch Autor seines Dramas zu sein. Im übrigen ist mir, als aufgeklärtem Menschen, die Rolle des Outsiders von unirdischen Mächten zugeteilt worden.“

Diese Zustandsbeschreibung der Befremdung in der DDR der frühsiebziger Jahre erfüllt mich heute mit dem Gefühl von Geborgenheit. Ich war damals als 19-jähriger genauso drauf, nur zwanzig Jahre jünger, was den Stil anbetraf. Feixi hatte einen vollen Abflug auf die Fin de siècle-Boheme, Beat und Jazz, ich auf Kubo-Futurismus, Dada und Punk. Was uns verband, war der Anarchismus. Wenn wir uns trafen, tranken wir erst mal auf Kronstadt, Machno und Durutti, erzählten uns die Überlieferungen wieder und wieder mit Trauer und Wut, und begannen uns zu streiten, wer der wahre Anarchist sei, von Anarcha-Feministinnen war damals noch nicht die Rede. Ich warf ihm vor, er söffe zuviel, er konterte, ich vertrüge nicht genug.

1981 initiierte er mit Uwe Ducke eine Kranzniederlegung am Erich Mühsam-Denkmal in Oranienburg, was von der Ordnungshut doch sehr beargwöhnt wurde. Ab Oktober 1989 latschte er zu jeder Scheiß-Demo, ich war nie im Leben auf einer, außer bei Randale, wo er allerdings auch anzutreffen war. Einmal wurden wir zusammen gekascht. Am 13. August 1981 um 11 traf ich ihn in der Karl-Marx-Allee bei der Parade der Kampfgruppen, wohin ich meinen damaligen Schwiegervater Kurt begleitete, der ’61 dabei gewesen war, und extra nach Berlin kam, um sich die machtvolle Demonstration anzusehen. Ich ließ Kurt und Kleinfamilie stehen und ging mit Feixi ins Bibliothekscafé, um den Tag ausklingen zu lassen.

„ENDLOS gereckt, von Lampen bleich bewacht,
die gilbenden gepfählten Schädeln gleichen,
wächst einsam eine Straße in die Nacht.
Es stelzen Schatten. Meine Angst sieht Leichen,
wie sie geräuschlos von den Dächern schrecken
und hinter Riesenbäuchen sich verstecken,
aus Hausfassaden wächsern aufgebläht.
Das Licht spritzt auf den Asphalt weiße Lachen.
Der Himmel gähnt mit bleiern grauem Rachen,
aus dem ein Zahn bedrohlich niederspäht …
Die Füße fliehen ihrem eignen Stampfen.
Das Haar steigt auf. Die kalten Augen dampfen.“ 5

„Was die Gelehrten reden, ist nur Kohl,
Denn eine taube Nuß ist ihr Symbol,
Wie diese ist ihr Schädel hohl,
Der Schweine Leder ihr Idol –
Der Weise weihet sich dem Alkohol.“

Revolutionäre Militanz war ihm genauso geläufig und willkommen wie mir. Er entstammte dem Dunstkreis des „Iskra-Klubs“, einer Art Debattierrunde renitenter Jugendlicher, die im Raum 131 des HdjT (Haus der jungen Talente, nachmals Podewil) zusammenkam. Che Guevara, Tamara Bunke, Kim Irrsinn, Kulturrevolution, Angela Davis, Schwarzer September, Leila Khaled, IRA, ETA usw., erst das Rote Buch, dann das Grüne von Gaddafi usf. – die ganze Palette des Revolutionsromantizismus.
Auch war ihm noch ein Moralismus eigen, der mir schon ein paar Jahre früher durch die Freunde und Helfer rausgeprügelt worden war. Mich konnte man mit realer Existenz jagen, er hatte Alpträume, weil er glaubte, zu versagen.

„Alptraum“
Während ich beschäftigt war vom Kleinsein ins Jungsein zu stiefeln, ward mir folgender Traum
gesandt. Ich rannte durch die Häuser einer seltsamen Stadt. Alle Wände standen mir offen. Ich rief: Es brennt, Leute, Feuer! Rettet euch! Man achtete mich nicht. Dann kam hinter mir ein Meer von Flammen und in den ersten Feuerzungen stand eine schwarze Gestalt, mit Lippen so dünn wie Augen, die in die Nerven stechen.
Dann sah ich mich im Bett liegen, froh dem Traum entronnen zu sein, als vom Kopfende der Liege eine Stimme fragte: Du oder das Leben? Ich wagte nicht, zu ihm zu schauen, doch ich wußte, das war jener Schwarze, der da fragte. Ich wollte reden, schreien: Ich, Ich. Doch ich brachte kein Wort hervor.
Mancher Held bleibt unerkannt, weil ihm im entscheidenden Moment die Stimme versagt. Doch
dunkle Mächte verstehen es wohl, Gedanken zu lesen.

Versuche ins Leben einzusteigen, gab es mehrere. Eine Zeitlang schien mir jedes zweite Mädchen geeignet, mich glücklich zu machen. Von denen, die es auch versuchten, gab es jede bald auf. Auch kam es vor, daß ich freiwillig abdankte, wenn mich das Träumen schöner als die Realität dünkte.
Meiner Beständigkeit zu Ehren muß ich mitteilen, daß ich in fast jede meiner großen Lieben auch heute noch verliebt sein könnte. Den Zug der Zeit negierend, erspare ich Intimitäten meinen Ohren.
Dieses Jahrhundert ist mit zu wenig verschlafen, um einen trefflichen Beichtvater abzugeben. Bliebe noch die Frage zu beantworten, die den Menschen weit besser kennzeichnet als die Parteizugehörigkeit:
Was stellt man sich unter Liebe vor? Antwort: Wenn selbst die dreckigste Realität einem durch
einen anderen wertvoller wird als der schönste Traum. Und, da ich trotz allem doch Zeitgenosse bin, Trieb ist auch dabei, wenngleich nicht alles Trieb ist, was irgendwas treibt. Weil gerade davon gesprochen wurde: Liebe war auch mitschuldig, daß ich das doppelte des Pflichtpensums Militärdienst auf mich nehme. Wenngleich nicht grade Vaterlandsliebe, so doch etliche konkret beim Namen zu nennende Lieben, die ich irgendwie sicher wissen möchte. Wollte ich in meinem Leben meine Ruhe haben, ist mir das Grund genug, dafür zu sorgen, daß einzig der Lärm friedlicher Zivilisation sie stört und nicht Jagdbombergeheul. Und wenn die 3 Jahre vorbei sind, hab ich mir das recht auf meine Ruhe erworben und kann jeden Nörgler kurz abfertigen.
Ich hab es satt, nur im Traum und in großen Worten für eine Sache Opfer zu bringen. Falls ich mal sterbe, was passieren kann, will ich mit mehr als mit Reden für eine bessere Zeit eingetreten sein; für eine Zeit, in der jeder seine Art von Ruhe haben kann, weil es keinen mehr gibt, dessen erwünschte Ruhe irgendjemanden umbringt, eine Zeit, die Kommunismus heißen soll, weil das eines der besten Worte ist, die die menschliche Stimme hervorgebracht hat. Dafür investiere ich etliche Zentimeter Haare, Zeit fürs Stiefelputzen; dafür laß ich mich anbrüllen, brüll zurück und zwinge mich in derartig idiotische Kleidungsstücke, wie es Uniformen nun mal sind. Dafür laß ich Hektoliter Tee ungetrunken, Dutzende Mädchen ungekannt, und Unsummen Jazz ungehört.

Hier endet diese Autobiografie. Unerwähnt bleiben solch großartige Bildungserlebnisse, wie sie mir das Trampen brachte. Unerwähnt der heroische, nichtsdestotrotz mißglückte Versuch, Hiddensee zu revolutionieren. Und manches bleibt unerwähnt, wenn es auch noch so hervorragend war. Das alles hätte jeder andere erleben können. Davon können andere erzählen. Warum gerade ich?
Wenn ich dann einst vor dem Kasernentor stehe, im Regen, denn es wird in Strömen gießen, damit mich die Erwartungsfreude nicht verbrennt, – dann liegt der 2. Teil des Lebens (Titel: Mein dreijähriger Krieg) hinter mir, und ein 3. Teil ist in Vorbereitung.“ 6

Der 3. Teil seines Lebens hat sich bis 1987 hingeschleppt, als im Prenzlauer Berg die ersten illegalen Kneipen entstanden, er witterte Morgenluft und wurde plötzlich mobil, fuhr tatsächlich nach Leningrad und kam begeistert zurück, hörte „NOL“ und „DDT“. 1990 wurden erste Veranstaltungskneipen gegründet, er „betrieb“ praktisch das „Café Kiryl“, hatte seine Heimstatt gefunden, ein 4. Teil hatte begonnen. Unter den Entzweiungen der Betreiber und Besitzer hat er wahrscheinlich ebensosehr gelitten, wie unter der großen Ausreisewelle von 1984 – ihm wurde wieder etwas weggenommen. Der „Torpedokäfer“, den er 1994 mit aus- und aufbaute, beflügelte ihn wie Anfang der siebziger Jahre der „Durstige Pegasus“, ein Kneipen- und Veranstaltungskonzept, das er zusammen mit Jochen Wisotzki entwickelte. Wiederum kam es zu Überwürfen und Spaltungen, in die er sich „desinteressiert“ einmischte.

„Und immer dunkler wird die Nacht,
die Liebe schläft ein, und der Haß erwacht,
und immer üppiger dehnt sich die Lust,
und immer angstvoller schwillt die Brust;
kein Stern, der blau durch die Wolken bricht,
kein Lied, daß süß von Erlösung spricht –
mein Herz schlägt laut, mein Gewissen schreit:
Ein blutiger Frevel ist diese Zeit!“ 7

„Was die Gelehrten reden, ist nur Kohl,
Denn eine taube Nuß ist ihr Symbol,
Wie diese ist ihr Schädel hohl,
Der Schweine Leder ihr Idol –
Der Weise weihet sich dem Alkohol.“

Feixi war eine Berliner Flanze; seinen ganzen Frühling hat er im Prenzlauer Berg rumgeknospelt, seinen kurzen Sommer der Militanz hat er verplempert, den langen Herbst der DDR durchgehalten im Dschumm, und als es dann eisig wurde, war das Jahr auch schon rum. Es ist nicht zu befürchten, daß ihn der heilige Gneist 8 mit seinem komischen Rechtsstaat geholt hat, sondern doch wohl eher der Höllenfeix selber, auf daß mal einer durchfegt und die Tassen hoch stellt. Lesen, trinken, hören, denken, schreiben bis zum Abwinken – wenn das keine Hölle ist, weiß ich nicht, wohin ich gehöre.
Wenn es dir aber reichen sollte, Lothar, feg den Dreck zusammen und komm hoch, sterben kannst du immer wieder.

Ich verdanke Feixi unter anderem so sinnlose Worte wie: Ate, Bilch, Elemi, Ete, Erpe, Gagat,
Hebe, Kerala, Leè, Obi, Ogi, Orissa, Salep, Tete und Uke. Ob seiner Tätigkeit auf der Trabrennbahn Karlshorst war er kreuzworträtselgewieft und korrigierte oft meine stümperhaften Lösungen im „Torpedokäfer“. Eine gewisse Wortverliebtheit war ihm eigen, ebenso Gnatz, Schadenfreude und viele andere Marotten mehr. Besonders schätzte er die irischen Autoren, von denen überliefert ist, daß sie genügend tranken – Joyce und Beckett natürlich, ganz besonders Flann O’Brien, und natürlich auch den Waliser Dylan Thomas, dessen „Do not go gentle into that good night“ wir oft in der nicht so dollen Intonation von John Cale im „Kiryl“ hörten. „Do Not Go Gentle Into That Good Night

Do not go gentle into that good night,
Old age should burn and rave at close of day;
Rage, rage against the dying of the light.

Though wise men at their end know dark is right,
Because their words had forked no lightning they
Do not go gentle into that good night.

Good men, the last wave by, crying how bright
Their frail deeds might have danced in a green bay,
Rage, rage against the dying of the light.

Wild men who caught and sang the sun in flight,
And learn, too late, they grieved it on its way,
Do not go gentle into that good night.

Grave men, near death, who see with blinding sight
Blind eyes could blaze like meteors and be gay,
Rage, rage against the dying of the light.

And you, my father, there on the sad height,
Curse, bless, me now with your fierce tears, I pray.
Do not go gentle into that good night.
Rage, rage against the dying of the light.“ 9

„Was die Gelehrten reden, ist nur Kohl,
Denn eine taube Nuß ist ihr Symbol,
Wie diese ist ihr Schädel hohl,
Der Schweine Leder ihr Idol –
Der Weise weihet sich dem Alkohol.“

Feixi hat ein offenes Werk hinterlassen. Zwei Koffer voll „Wirres Zeux“. Erzählungen, Märchen,
Parabeln – er wollte mal Lehrer werden – Gedichte, Notizen, Notizen, Notizen. Bei ihm zu Hause sah es aus wie in Peter Hilles Manuskriptsack. Im Gespräch mit Annett Gröschner bezeichnete er sich als „langzeitarbeitsloser Gelegenheitsautor“, was aber wahrscheinlich ein Wink mit dem Zaunspfahl an Annett war. Obwohl er offiziell arbeitslos war, hat er immer gearbeitet, und zwar möglichst wenig.
Tröpfelnd aber kontinuierlich hat er für SKLAVEN, SKLAVEN Aufstand, die blauen SKLAVEN und GEGNER geschrieben. „In der Ruhe liegt die Kraft“ war sein, von Kurt Mühle übernommenes, Motto.
Programmatisch bastelte er in den letzten Jahren an Manifestationen des Desinteresses. Erfolg
erweckte sein Mißtrauen. Er nahm alles persönlich. Ihm war nicht zu helfen, er half anderen. Er hat sich immer darüber aufgeregt, daß zu viel gequatscht würde. „La de da de de, La de da de da …

And the beat goes on, the beat goes on.
Drums keep pounding a rhythm to the brain.“ 10

„& doch: Unter & hinter all diesem Schrott, der sich die Wirklichkeit eines sterbenden Jahrtausends nennt; irgendwo gibt es noch das, was wirklich wichtig ist!
Woher sonst sollte Leben kommen, Sehnsucht & Suche & der oft kaum zu leugnende Wunsch,
hemmungslose Gewalt auszuüben? Woher sollten die Hemmungen kommen?
Wo ist die Welt, in die wir geboren wurden, ohne jede Chance, dort anzukommen.“ 11

1 Peter Hille. Aus: Aus den Liedern des betrunkenen Schuhus (Im Kirchturm)
2 Peter Hille. Ebenda.
3 Feixi hat kein’ Bohai um seine Lebensdaten gemacht, darum die biographischen Daten in Kürze. Geb. 1953,
LSD-Kiez, POS, EOS, Iskra-Klub, NVA, 1975 – 1978 Karl-Marx-Buchhandlung, Ehe, div. Jobs, Umweltbibliothek,
KvU, ab 1990 Café Kiryl, 1994 – 2001 Torpedokäfer, 1999 Arbeiter- und Literatenrat Prenzlauer
Berg, gest. 2002.
4 Quelle: Privatarchiv Jochen Wisotzki. Veröffentlicht in Zs. GEGNER, Heft 11, 2002.
5 Erich Mühsam. Aus: Der Krater, 1909.
6 Privatarchiv Jochen Wisotzki. Passage schließt direkt an die vorige an. Eingefügt ist der Satz: „Folgendes
erläutert obenstehendes.“
7 Arno Holz. Aus: Mein Herz schlägt laut, 1886.
8 Rudolf von Gneist: 1816 – 1895. Rechtslehrer und Politiker in Berlin. Schrieb Scheiß wie „Der Rechtsstaat“
(1872) usw.
9 Nie wchodŸ ³agodnie do tej dobrej nocy

Nie wchodŸ ³agodnie do tej dobrej nocy,
Staroœæ u kresu dnia niech p³onie, krwawi;
Buntuj siê, buntuj, gdy œwiat³o siê mroczy.
Mêdrcy, choæ wiedza, Ÿe ciemnoœæ w nich wkroczy –
Bo nie rozszczepia s³owami b³yskawic –
Nie wchodza cicho do tej dobrej nocy.
Cnotliwi, p³aczac, kiedy ich otoczy
Wspomnienie czynów w kruchym wieñcu s³awy,
Niech siê buntuja, gdy œwiat³o siê mroczy.

Szaleni, s³oñce chwytajacy w locie,
Wasz œpiew radosny by³ mu trenem ³zawym:
Nie wchodza cicho do tej dobrej nocy.
Posêpnym, którym œmieræ oœlepia oczy,
Niech wzrok siê w blasku jak meteor p³awi;
Niech siê buntuja, gdy œwiat³o siê mroczy.
B³ogos³awieñstwem i klatwa niech broczy
£za twoja, ojcze w niebie nie³askawym.
Nie wchodŸ ³agodnie do tej dobrej nocy.
Buntuj siê, buntuj, gdy œwiat³o siê mroczy.

Übers. Stanis³aw Barañczak.
Aus: Dylan Thomas, WIERSZE WYBRANE. Wydawnictwo Literackie, Kraków
1974.

10 Sonny & Cher: The Beat Goes On, In Case You’re In Love, 1967.
11 Lothar Feix. Aus: Last scream of the missing neighbours. In Zs. (blaue) SKLAVEN, BasisDruck Verlag, Berlin,
April 1998.

Bert Papenfuß ist Autor, Redakteur der Zeitschrift GEGNER und Mitbetreiber des Kaffee Burger in Berlin.

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