DIE LIBERTÄRE SZENE DER WOLGOGRADER REGION

von Wyacheslav Yashchenko
aus telegraph #106

Libertäre Bewegungen der Wolgograder Region in Russland beschränkten sich in den letzten 10 Jahren vor allem auf die lokale Punk-Szene. In der Regel sind Zentren der Kristallisation von linken radikalen Strukturen, Punk-Gruppen. Mitglieder von diesen Kollektiven und ihre Sympathisanten stehen für anarchistische, antifaschistische und antimilitaristische Prinzipien. Das erste libertäre Zentrum war die Punk- Band „Koleso Dkharmi“ (Das Rad von Dkharma) aus Wolshski. In der Mitte der neunziger Jahre provozierten Mitglieder dieser Band einen Krieg zwischen Punk-Anarchisten und Neo-Faschisten. Der Kampf dauert bis heute auf den Straßen von Wolshski und Wolgograd an. Sie sangen gegen den Krieg in Tschetschenien und den Dienst in der Armee, sie riefen zum Kampf gegen den Staat und Faschismus auf, welche beide eng miteinander verbunden sind. „Koleso Dkharmi“ war an Aktionen der radikalen ökologischen Organisation „Rainbow Keepers“ in Wolgodonsk im Juli 1997 beteiligt. Nach der Auflösung dieser Band rückte die Punk-Band „Joka Shetani“ in das Zentrum der libertären Bewegung in Wolshski. Der inoffizielle Leiter dieser Band, konnte ein Sound-Record- Studio gründen. Das war der Beginn der folgenden Integration der libertären Punk-Szene von Wolshski. Prinzipien der Selbst-Organisation (DIY) entwickelten sich hier. Das libertäre Zentrum von Frolowo ist die Band „Technika Molodjoshi“ (Technik der Ju- gend). Sie singen Lieder gegen das staatliche System und das Militär. Die Band ist die älteste in der Wolgo-grader Region. Sie ist bei den lokalen Punks eine Autorität. Das dritte integrative Zentrum libertärer Bewegung der Wolgograder Region ist eine Hardcore- Band: „Pravil`naya Riba“ (Guter Fisch) in Kapjar. Der inoffizielle Bandleader ist der Direktor des lokalen „Hauses der Kultur“. Auch er konnte ein Sound-Record-Studio gründen, die anarchistische Bewegung dadurch in der Stadt neue Mitglieder und an Kraft gewinnen. In Wolgograd gibt es keine vereinigte libertäre Front. Es gibt zwei polyphone koexistierende Arten kreativer Punk-Bewegung. Die erste ist die subkulturelle „Kunst“-Strömung. Die zweite ist eine politische Strömung. Der bekannteste Vertreter ersten Art ist die Band „Mata Hari“, die experimentellen Punk- Vanguard spielen. Mitglieder dieser Gruppe machen postmoderne Filme und Cartoons und geben das Magazin „Malgil“ heraus. Die politische Strömung wird von der experimentellen Punk-Band „Muzikanti vseya Rusi“ (Musiker ganz Rußlands) repräsentiert. Sie publizieren zwei Magazine: subkulturell künstlerisch das eine – „Decl“ und subkulturell politisch das andere – „Real Art“. Inhaltlich gesehen hat das letztgenannte Magazin einen ausgesprochen karnevalistischen, unterhaltenden Charakter. Hier gibt es nichts, was heilig ist. Die Autoren machen sich auch über die eigenen Prinzipien lustig, hinterfragen auch die eigenen Ideale. Deswegen sind die solidarischen Aktivitäten der libertären Punk-Kollektive in folgendes Raum- Schema aufgeteilt: Wolshski – Wolgograd – Frolowo. Die Punkbands von Kapjar und Kamyschin existieren separat wegen ihrer Entfernung zum regionalen Zentrum. Die bekannteste gemeinsame Untergrundaktion der Punk-Anarchisten war die Zerstörung des Headquaters der Neofaschisten in Wolgograd im Dezember 1999. Es gab Kämpfe mit den Faschisten in den Straßen von Wolshski. Das Antifa-Untergrund-Zentrum von Wolgograd verhinderte u.a. ein Konzert von neofaschistischen Hardcore Bands aus Moskau in Wolgograd. Vertreter der lokalen Punk-Szene beteiligten sich an Aktionen radikaler Ökologen, u.a. im Juli 2000 in den Wäldern des Wolga-Achtuba- Tieflandes. Ende 2001 nahm ein Mitglied der Band „Muzikanti vseya Rusi“ eine CD mit dem Titel: „Gegen den Krieg in Tschetschenien“ auf. Sie enthält Songs von 19 lokalen Bands. In Wolgograd gibt es ein alternatives Video- Studio – „Anarchvideo“. Es existiert hier seit 1997, seit einer der Anarcho-Syndikalisten einen Job im regionalen TV-Center fand. Er konnte ungefähr 100 Filme über die anarchistische und autonome Bewegung machen, die im lokalen TV gezeigt wurden. Dann stellte er diese in Video- Bändern zusammen und verbreitete sie unter den Anarchisten in Rußland. Gegenwärtig ist es still geworden um die Aktivitäten dieser Gruppen. Aber es ist die Ruhe vor dem Sturm!

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