AUF DER SUCHE NACH DEM BELGISCHEN PROFESSOR

aus telegraph #110
von Alexander Krohn

Zugegeben, etwas mißmutig machte ich mich auf Richtung Allenby/King Hussein-Brücke, jenachdem ob man Jude oder Araber ist, aber mein Freund Fayez meinte, Jerusalem wäre sehenswert. Die israelischen Behörden mochten Stempel in meinem Paß nicht, besonders nicht den syrischen, und den aus dem Libanon, der der beste ist, denn ihn ziert eine Zeder, die angeblich nur dort wächst, abgesehn davon, daß die Franzosen ein paar umpflanzten.

So setzte ich mich aus Loyalität zu meinen arabischen Taxi-Genossen, als ein junger Palästinenser namens Ashraf daherkam, und zwar direkt aus der Schweiz vom palästinensisch/israelischen Friedenstreffen. Er war Mitglied der kommunistischen PPP, Abgeordneter der Stadt Ramallah, Stellvertretender Generalsekretär des Jugendverbandes, und im Prinzip die dritthöchste Leuchte der Partei. Er berichtete, man hätte sie wie Kriminelle behandelt, immer separat gehalten, kein Hotel, kein Schlaf, kein Kontakt, alles zu ihrer eigenen Sicherheit, wie ihnen versichert wurde, während die israelische Delegation Stadtrundfahrten unternahm. Dafür gab es am Ende eine Tüte Schokolade, für jeden. Er saß nun bereits acht Stunden da.

„Ja aber sagen sie mal, wir sehen,
sie saßen bereits im Gefängnis, da sie einen Stein geworfen haben –
wie kam denn das?“
„BECAUSE YOU ARE OCCUPATORS AND I HAVE
A RIGHT TO RESIST!“

Gut geschüttelt vor Lachen, Adressen ausgetauscht, dann schlug ich vor, unser Gespräch zu vertagen (man äugte bereits), und kam endlich durch. Vorher wurde ich noch vernommen. Ein Beamter, dessen Hemd sich über dem Gürtel ausbeulte, führte mich einen hellen Gang entlang und bedeutete mir, vor einem Büro Platz zu nehmen. Heraus trat ein freundlicher Mann mit einem, wie ich zu erkennen glaubte, deutschen Paß in der Hand. Ich nickte ihm zu und fragte, ob er auch aus Deutschland sei. Er war aber vom Geheimdienst und das war mein Paß. Er stellte nun ein paar Fragen und gewährte mir letztlich eine Woche. Auf nach Jerusalem!

Oder doch nicht – denn es war spät und dunkelte bereits, es fuhr kein Bus mehr und ein Taxi kostete 250 Schekel. Ich stand unschlüssig herum, dachte nach, und siehe da, heraus kam Ashraf. Und so fuhren wir in die Westbank. Im Bus begann er zu erzählen, daß sie heute morgen in Ramallah einmarschiert wären, in ein paar Eckhäuser geschossen hätten und andere Sachen, aber ich merkte, wie ich abschweifte, ich kann schlecht zuhören, es war oft langweilig, und so hab ich’s irgendwie verlernt, jedenfalls endete er mit den Worten: Trouble. Big Trouble.

Umsteigen mußten wir in Jericho, wo er palästinensischen Bullen und Taxifahrern die Hände schüttelte, von dort ging’s nach Kallandia, ein Ort, der in meinen Ohren wie ein orientalisches Zauberland klang, sich aber nur als matschiger Umsteigebahnhof und Flüchtlingsslum entpuppte, und weiter nach Ramallah.

„Your friend is a good man!“
„Do you know him?“
„No. But I heard of him!“

Mein Kumpel war also berühmt. In Ramallah stellte er fest, daß er seinen Schlüssel verbummelt oder verborgt hatte, plazierte mich in ein Restaurant, bestellte mir Hommus, Foul, Salat, Brot, und verschwand. Nach dem Essen wurde mir langweilig und kalt und ich ging in einen Laden und redete mit dem Verkäufer, der sehr fröhlich schien. Nach einer Weile kam Ashraf, unverrichteter Dinge, und nach einer weiteren Weile sein Mitbewohner, ein älterer Muslim aus Jenin, mit einem großen Sack Mandarinen. Die Wohnung gehöre der O r g a n i s a t i o n, wurde mir mitgeteilt. Die Mandarinen schmeckten süß.

Ashri ging dann mit einer Flasche Whisky, die er im Duty Free Shop Amman erstanden hatte, Freunde besuchen – angeblich hätten zweihundert Palästinenser den Laden gestürmt und die Schnapsregale leergekauft:

„Also! Ihr Palästinenser kommt hier rein
und kauft einfach den ganzen Schnaps!
Ihr seid doch Muslime!“
„That’s our life!“ –

Bei der Gelegenheit erzählte er, daß er während einer von den Israelis verhängten Ausgangssperre einmal runterging, um ein Bier zu trinken, darauf schiß, sozusagen, und ließ den interessanten Satz fallen: „Man muß zusehen, sich die Lust am Leben zu erhalten. Wenn dir die Lust am Leben abhanden kommt, kannst du jeden Widerstand vergessen.“ Schien mir ein handfestes Problem zu sein, in Deutschland.

Jedenfalls dachte ich, fragst du mal nicht, von welcher O r g a n i s a t i o n die hier immer reden, dumme Fragen ergeben zwar oft kluge Antworten, aber auch dumme Gegenfragen. Er ging also los, Freunde treffen, und ein Haus besichtigen, welches die Soldaten kurzerhand in die Luft gesprengt hatten, da Waffen gefunden wurden.

So lag ich auf dem Sofa und kuckte zusammen mit dem Alten fern, fragte ihn Löcher in den Bauch und fror, denn es gab keine Heizung. Wir verschanzten uns hinter dicken Decken, durch das Fenster sah man eine jüdische Siedlung, die auf einem Hügel errichtet war, die Hänge waren gerodet – es wirkte wie eine futuristische Ritterburg. Der Mann war in der Landwirtschaft tätig, ähnlich wie Ashraf, der studierter Ökonom und Landwirt war – die beruflich häufig anzutreffende Kombination von Politik und Landwirtschaft wurde mir erst später klar, da Land existentiell ist.

Bald kam auch Ashraf, der Jugendlichen Kurse für gewaltlosen Widerstand gibt, und erzählte von seiner Gefängniszeit, wie er jeden Tag verprügelt wurde, winkte ab, das wäre gar nichts, er wäre noch gut davon gekommen, anderen hätte man Chemikalien gespritzt, nicht wenige, die unfruchtbar oder mit Organschäden rauskämen. Und so ging ich zu Bett. Ich hatte einen eigenen Raum und sah aus dem Fenster, es war still in Ramallah. Ein paar Hunde bellten.

Ich fragte mich, warum hier so viele Menschen guter Laune schienen? Und was man wohl macht, wenn die Soldaten kommen? Stellte mir vor, wie sie mit angelegten Gewehren in die Wohnung heizten. Ich beruhigte mich aber damit, daß sie vermutlich nicht wahllos Häuser stürmen, sondern auf Widerstandsherde fixiert sind. Dann dachte ich: Er ist Kommunist. Er saß im Gefängnis. Er sprach von Waffen. Das ist ein Widerstandsherd.
Und so schlief ich ein.

Am nächsten Morgen mußte Ashraf zur Schule, wir tranken noch zwei Kaffee, ich versprach wiederzukommen, das hier aufzuschreiben, und er geleitete mich zum Service-Taxi-Platz. Bye bye! Maasalamma! Schalom! Und so fuhr ich nach Jerusalem.

 

AUF DER SUCHE NACH DER SCHWESTER AUS KYOTO

Oder doch nicht. Ich fuhr gleich weiter nach Hebron, aber da regnete es und sah auch sonst nicht gut aus. Auf dem Rückweg hielt ich in Bethlehem, traf einen Dummkopf und arabischen Antisemiten, aber auch da: Regen. Dunkel war es auch schon, in letzter Minute kam ich zum Checkpoint, und nach Jerusalem: schlafen. Vorher aber dachte ich, was du brauchst, sind I n f o r m a t i o n e n. Also ging ich in eine Absteige namens Damaskus Hotel, die man mir empfohlen hatte, und deren Namen ich, da ich nicht zuhören kann, wieder vergessen hatte, und somit immer nach dem Tabasco Hotel fragte; ein meiner Meinung nach räudiges Loch. Am Tresen saß ein Deutscher, kritzelte Bibelzitate, Teufelssterne und Sechsen auf ein Plakat, verkündete, die Welt gehe bald unter, und außerdem: „Gaza? Das kannst du vergessen.“

Mir fiel der Benn-Aufsatz ein: Soll die Dichtung das Leben bessern? In diesem zerpflückte der Dichter jedes einzelne Wort. Ich beschloß die Taktik anzuwenden: Das war das erste Wort. Dazu fiel mir nicht viel ein, außer: was? Was meint er mit das? Woher weiß er, was ich will? Wo ich es selbst nicht weiß. Und was weiß er, was ich nicht weiß? Ich kam zu dem Schluß: er blufft – er weiß nichts. Also: das = 0. Zero.

Nächstes Wort: kannst. Lüge! Ich kann nichts. Kannst auch 0.
Du – wie kommt der dazu mich zu duzen? Diese Westler duzen immer Hinz und Kunz. Einfach ignorieren …
Letztes Wort: vergessen. Vergessen kann man doch nur, was man weiß!? Und ich weiß doch nichts! Deshalb hab ich doch gefragt! Ergibt alles keinen Sinn …

Probierst du es einfach mal, dachte ich, man hört so viele Dinge, und Informationen mag ich sowieso nicht. Alles was ich über Gaza wußte, war, daß Eiko, die japanische Krankenschwester, die ich in Amman kennengelernt, und die in Gaza gearbeitet hatte, sagte, sie mochte ihre Kollegen, speziell einen Arzt und zwei Schwestern, außerdem läge Gaza-City am Meer.

Als ich ankam (Erez Border Crossing), regnete es und man gab mir zu verstehen, ich solle mich verpissen. War egal, Eiko war sowieso nicht mehr da, sie flog einen Tag bevor ich Amman verließ nach Hause, die ganze Geschichte ergibt keinen Sinn. Gern hätte ich mir aber das Krankenhaus angesehn. Wie kann man dort freiwillig arbeiten?

Also fuhr ich wieder nach Jerusalem. Und am nächsten Tag nach Nablus. Dort arbeitete nämlich der b e l g i s c h e P r o f e s s o r, dem ich Wochen zuvor ein lockeres Schreiben übermittelt hatte, in welchem ich ein zur Not kostenloses Rockkonzert offerierte. Die letzten Sätze meiner Bewerbung lauteten:

I can’t sing.
I can’t keep the rhythm on time.
I always forget the words while singing.
I could play around the 10th of december.

Leider hat er sich nie gemeldet – und leider wies man mich auch in Nablus ab.

Und so fuhr ich wieder nach Jerusalem. Lief ein wenig durch die Stadt: Wailing wall, Dome of the Rock, Al Aksa. In der Altstadt bedrohte mich ein arabischer Junge mit einem stumpfen Küchenmesser und sein Kumpel boxte mir in den Rücken.

Und die Juden
schüttelten ihre Köpfe
an der Klagemauer
Shake it, Baby

Und die Muslime
knieten 300 Meter
weiter im Staub
We will, we will
rock you

Besuchte nochmals Ashri in Ramallah, dem man seitens der PPP gesteckt hatte, daß der militante Flügel der Fatah-Partei ihn auf die Abschußliste gesetzt hätte, da er am Friedenstreffen teilgenommen hatte (sic!). Er wirkte sichtlich nervös, und gab an, sich eine Wumme besorgen zu müssen. Falls er mir da keinen Bären aufband. Ich glaub aber nicht. Was meint ihr?

 

AUF DER SUCHE NACH DEM DICKEN CHINESEN

Ich wäre gern grundlos gefahren. Instinktiv und aus innerer Überzeugung heraus grundlos. Registrierte aber schnell, daß ich mich einer Flut von Vorwürfen aussetzen würde, die mich (obwohl ich mehr und mehr merkte, daß sich nach und nach Gründe auftaten, gegen die ich mich allerdings sträubte) fast k r a m p f h a f t nach einem Grund suchen ließ. Insgeheim erinnerte ich mich, daß Martin, ein deutscher Journalist, den ich kennen und mögen gelernt hatte, berichtete, er hätte einen dicken Chinesen getroffen, der nur als T o u r i s t da war. Borroughs, dachte ich, ging auf die Suche nach Yage. Als ich Fayez ansprach, rief er nur: Go!

Zwei Tage mußte ich warten, am dritten Tag fand sich eine Gelegenheit. Wir fuhren gegen Mitternacht los, nach etwa vier Stunden erreichten wir die Grenze. Der Fahrer war alt und faltig, hatte entzündete Augen, roch und spendierte Tee. Er sprach kein Englisch. Etwas unruhig war ich, da ich niemanden unterrichtet hatte und Fayez befahl, eventuelle Anrufer anzulügen. Er fuhr schleichend, verpaßte Abfahrten und fuhr meist auf der falschen Seite. Ost-Jordanien war schön. Hügelig-wellig. Karge Wüste. Schwarzer Himmel, Sterne.

An der Grenze ging es schnell. Im Morgengrauen zeigte ein Schild 550 km an. Die Fahrt war, wenn ich nicht gerade schlief, wild. Kaum 20 Kilometer, ohne daß etwas passierte: die Fahrbahn gesperrt, ein Hubschrauber auf der Autobahn, zwei Amerikaner über einem am Boden liegenden; Straßensperren durch irakische Bullen, die Gewehre im Anschlag; ein provisorisches Gefängnis oder Militärlager, stacheldrahtumzäunt, schwarz verhüllte Shia-Frauen in Warteschlange; oder rechterhand ein Einsatz – ein sichernder GI im Reisfeld, ein Trupp tritt in ein Haus; oder: Kolonnen von Jeeps mit aufmontierten MGs, das erste zielt nach vorn, das letzte nach hinten.

Martin sagte, ein Monat Bagdad und man hätte – journalistisch betrachtet – ausgesorgt. Zugegeben: Ekel war auch ein Grund. Desweiteren Engel. Einige dubiose Menschen getroffen: Presseleute, Geschäftsmänner, Sozialarbeiter, aber auch Engel – selbstlos, schwebend, reich – z. B. Fayez. Irgendwann hielten wir an einer Tankstelle, großer, schmutziger Saal, häßliche Blicke, zerknülltes Brot in Tomatensoße. Ein schönes Bild, aber kaum hungrig.

Bagdad schien wie Vietnam im Fernsehen. Hubschrauber beinahe in Steinwurfhöhe und permanent. Smog. Staub. Chaos. Viele Palmen. Im Taxi fühlte ich mich unwohl, es trennt wohl doch noch die Stände – weiß, allein auf der Rückbank im Stau – ich wäre lieber gelaufen. Das Hotel, daß Fayez mir empfohlen hatte, war voll. Ich wußte nicht, wo ich war, mein Fahrer (dessen Gesicht, Gestik und Geruch ich mochte) wollte auf einmal das doppelte des Preises. Ich war schlecht vorbereitet, hatte eine ungünstige grüne Weste an, ungünstige Plastik-Cowboy-Stiefel, ungünstige israelische Schekel, wußte aber exakt, was ich wollte: und fand ein Hotel.

Saddam hatten sie gefangen, ich hielt das für einen Witz, überall wurde in die Luft geschossen (einmal ging ich zu Boden). Starke Abneigung gegen Katastrophen-Freaks (leider nie einen getroffen, hätte mich interessiert), sowie starke Abneigung gegen jene, die alles unverständliche pervers nennen, waren, zugegeben, auch zwei Gründe.

Während der Schüsse hinauszugehen, empfehle sich nicht, wurde mir an der Rezeption gesagt. Nach einer Weile ging ich aber doch, Schüsse machen mir, wie ich feststellte, gute Laune und die Agonie in Berlin ist schwer zu ertragen: so äußert sich das. Außerdem wollte ich zum Tigris. Martin meinte, man könne dort Bier trinken, auch hätte er mit dem dicken Chinesen dort immer zu Abend gegessen. (Nun war das allerdings im August oder September gewesen, jetzt war Dezember, aber ich dachte mir, einer, der so dick ist wie der dicke Chinese, kann es nicht eilig haben.)

Leider gab es nur Fisch, den ich, obwohl er sehr schmackhaft aussah – man legte ihn, vermutlich selbst geangelt, einfach aufs Feuer, auf die Glut – nicht aß. Auf dem Rückweg lief ich mit eingezogenem Kopf, denn plötzlich hatte mich meine in Palästina konstant anwesende Lebensunlust oder präziser: -gleichgültigkeit oder noch präziser: -lust aus unerklärlichem Grunde einfach (und unangenehmerweise) verlassen, zumal: so ein Krieg produziert bzw. ermuntert ja auch lauter Schwachköpfe und Irre in der Gegend rumzuballern, nur so.

Am nächsten Tag lief ich früh los nach links, also Nordwesten, und unterhielt mich, obwohl ich gerne wortkarg bin, mit so ziemlich jedem Blödmann, wenn gleich auch mit gutherzigen Wesen – die meisten waren allerdings (entgegen meiner anderen Erfahrungen) eher abweisend. Vorbei lief ich an stark bewachten Tankstellen und Amtsgebäuden, am Sheraton Hotel, am Palestine Hotel, fragte mich auch, warum Menschen dort freiwillig einziehen, aber Journalisten sind oft gar nicht so klug, wie ich mittlerweile herausgefunden hatte, denn Raketen sind auch nur Blitze die vom Himmel kommen und das Höchste suchen; mein Hotel war mir, um ehrlich zu sein, schon zu hoch.

Die erste Brücke jedenfalls links ging ich, eine deutsche Brücke übrigens, die mir ein 73-jähriger Rasierschaumverkäufer empfahl, da er sie mit Hilfe deutscher Ingenieure und Bauarbeiter selbst erbaut hatte. Der, da er angeblich nicht Mitglied der Ba’ath-Partei war, keine Rente bekam und also arbeiten mußte, und weiterhin erzählte, wie Saddams Anhänger während der Bombardements, die sein Haus komplett zerstörten und seine Tochter töteten, mit Panzerfäusten auf offener Straße in den Himmel zielten, aber alle (wie er sagte) dabei starben und deren Kadaver während der Bombenpausen in den Straßengräben verscharrt wurden. Die Brücke war, wie Deutsche oft sind und bauen: solide, zuverlässig, langweilig.

Am anderen Ufer erwartete mich ein rauchendes Ministerium, schwarz verkohlt, Papiere flogen aus den scheibenlosen Fenstern, unten rannte ein armer Büttel, der gegen den strengen Wind versuchte, sie wieder einzusammeln, eins flog direkt in meine Hosentasche. Einen Filmstreifen fand ich auch. Weiter ging es vorbei an zerstörten Regierungsgebäuden, an jeder Ecke standen amerikanische Panzer mit auffallend jungen Soldaten in Bereitschaft. Hier und da trank ich eine Kola, mied sie, da lebensgefährlich und rufschädigend, wie ich denke, und jeder weiß. Traf Saddam-Hasser und Saddam-Anhänger, wobei letztere etwas gröber schienen.

Lief dann hoch bis zur Haifa Straße, beeindruckende orientalisch-futuristische Neubau-Gegenden entlang und überquerte rechts die vierte Brücke Richtung Medan Square, Rashid Straße. Stritt mich mit einem Teenager, der mir nicht glauben wollte, daß sein Motorrad aus Deutschland kam (obwohl auf dem Tankdeckel groß und breit MZ stand) und latschte die gesamte Strecke wieder zum Hotel zurück.

Bagdad ist eine bezaubernde, traurigerweise von der Atmosphäre und Architektur her enorm friedfertige Stadt, welche aus palmengesäumten Straßen, magisch bunten Moscheen und lehmbraunen Häusern besteht, wie man zumindest westlich davon im Mittleren Osten keinesgleichen findet. Den dicken Chinesen habe ich nicht getroffen.

Alexander Krohn ist Musiker, Verleger und Reisender, er lebt manchmal in Berlin.

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