AKTION FINDELTRINKER

von Karsten Krampitz und Peter Wawerzinek
aus telegraph #111

Weil sie von ihren Frauen dort ausgesetzt wurden, erfrieren jeden Winter unter Deutschlands Brücken, in den Straßen und Parks Hunderte Trinker. Jene wenigen, die durch Zufall überleben, werden meist in einem Zustand aufgefunden, der einer dringenden pflegerischen Versorgung bedarf. Eine offizielle Statistik über die Aussetzung hilfloser Trinker gibt es nicht. Experten gehen davon aus, dass hierzulande die meisten Kältetoten volltrunken waren. Die Dunkelziffer ist vermutlich ungleich höher. 

Der Umgang mit Alkohol und seinen Opfern ist immer auch ein deutlicher Indikator dafür wie es um eine Gesellschaft bestellt ist. Obwohl wir nicht in Grönland leben, erfrieren Menschen. Die Halbwertzeit zwischenmenschlicher Beziehungen hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen. Vor allem alte und arbeitslose Männer werden rigoros entsorgt. Um der gängigen Praxis des Wegschauens und Liegenlassens entgegenzutreten, hat der deutsche PENN gemeinsam mit dem Eulenhof die Aktion „Findeltrinker“ ins Leben gerufen. Sie besteht im Wesentlichen aus drei Bausteinen:

– Ab sofort ist rund um die Uhr eine bundesweit erreichbare Notrufnummer geschaltet. Unter: 04829-9226 erhalten Frauen, die sich mit ihrem trinkenden Lebensabschnittsgefährten überworfen haben, Beratung. Neben der Inanspruchnahme weitreichender Hilfsangebote kann in extremer Notsituation die anonyme Übernahme des Trinkers vereinbart werden.
– Am 1. November 2004 wird in Wewelsfleth die weltweit erste Trinkerklappe in Betrieb genommen. Säufer können von ihren Frauen/Töchtern/Müttern aber auch der Nachbarin anonym abgegeben werden. Im Eulenhof erhalten die aufgefundenen Trinker umgehend medizinische Hilfe und in den kritischen ersten acht Wochen liebevolle Pflege. In dieser Zeitspanne kann der Trinker noch von seinen nächsten Angehörigen zurückgeholt werden.
– Nach der achten Entzugswoche beantragen der PENN-Klub und der Eulenhof die vormundschaftliche Betreuung beim Amtsgericht. Zeitgleich kümmert sich ein Betreuerstab um die Vermittlung an Pflegegattinnen.

Die Aktion „Findeltrinker“ rettet Leben. Neben finanzieller Hilfe brauchen wir dringend ehrenamtliche Mitarbeiter, ganz besonders aber liebevolle Pflegegattinnen für die uns anvertrauten Trinker. Wir rufen nicht nach einer vollständigen Finanzierung durch den Staat. Der Schutz von Frauen und ihren trinkenden Partnern in Notsituationen ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Unser Projekt ist auf private Spenden angewiesen.

Spendenkonto:
Karsten Krampitz
Konto 14309564 bei der Berliner Sparkasse, BLZ 100 500 00
Verwendungszweck: privat.
Neben der finanziellen Unterstützung benötigen wir dringend Schubkarren und warme Decken.

Wir wissen, keine Frau macht sich die Entscheidung leicht, sich auf diese Weise von ihrem Mann zu trennen. Ohnehin kann man das Leben des Trinkers nicht gegen, sondern nur mit der Ehefrau schützen. Eine Frau, die mit einem Trinker zusammengelebt hat, verdient höchsten Respekt. Nicht jeder Säufer ist ein Wunschtrinker. Die Inanspruchnahme unserer Trinkerklappe darf nur der letzte Ausweg sein, der es der Ehefrau oder Lebensgefährtin ermöglicht, straffrei zu bleiben.

Wie funktioniert die Trinkerklappe?
Klappe zu, Säufer lebt

Wir haben uns für den Begriff Trinkerklappe entschieden, weil der Eulenhof (Dorfstraße 2, 25599 Wewelsfleth) im Grunde eine Klappe ist und der Betrieb einer Trinkerklappe dem Eulenhof en miniature entspricht.
Die Trinkerklappe befindet sich leicht erreichbar am Seiteneingang. Die Abgabe geschieht völlig anonym. Die Frau öffnet die Klappe, das Helfersyndrom wird aktiviert, sie bettet ihren Mann, schließt die Klappe und entfernt sich. Hinter der sich schließenden Klappe steht ein Wärme-bettchen der Firma … (Sponsor wird noch gesucht) bereit. Der Wachdienst ist alarmiert. Über eine eingebaute Webcam wird die Situation erfasst, um einen Missbrauch auszuschließen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Karsten Krampitz = Schlickpirat,
Peter Wawerzinek ist Schriftsteller, er lebt in Berlin und Wewelsfleth, wo er Archivar einer Resozialisierungseinrichtung namens Eulenhof ist..

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