EULENHOFAUSFLUGSMÜLLSAMMLUNG

von Peter Wawerzinek
aus telegraph #111

An alle, an alle!
Wir sitzen in der Falle.

Sofort Vermelden
a) Leblose Jacke auf Gewässer nahe Beidenfleth
b) SAR-Hubschraubereinsatz wegen Gülleopfer
c) Riesenchampignonboom durch Atomentweichung
d) Mißgestaltete Kühe, Häufung schwarzer Schafe
Was hilft?
Engholmmilch als Vorbeugemittel.

Niemals Vermelden
a) Waschanlage ohne Türöffnung
b) Feierabend, Freifahrten
c) Dichterliegeplatz an der Elbe
d) Wellenwarnschilder
e) Bäuchlingslektüre

Was nicht hilft!
a) Auf Fasanenjagd im Herbst aus Versehen für ein Fasanenweibchen gehalten werden
b) Wildenten, die man am Ton der Flügelschwingen in der Luft erkennt, ohne hinzugucken abschießen
c) Feueralarmtraining à la: Es brennt der Atommeiler!
d) Ruhig bleiben
e) Sterben in Hamburg

Wie schützt sich der Eulenhof
Rettungsübungen. Erste Hilfe. Heinz hilft Walter. Inge hilft Karl-Heinz. Karl-Heinz hilft Susanne. Michael ist bereits bei der Freiwilligen Feuerwehr. Karl-Heinz hat seine zwei Söhne gestern hingeschickt.

Was zuvor geschehen ist
Heinz Priebe (Jägermeister): Ich sage, es wird Ungeheuerliches geschehen. Über jedes Maß. Auch wenn mir niemand glaubt, es keiner wahrhaben will, die Stadt als solches ist in Gefahr, weil auf dem Dörp ein Riesending geschah. Es war nachts im Revier. Das wilde Schwein lag erschossen. Mehr Licht denn je, schrie der Jäger die Töchter an. He. He. De Taschenfunzels flink beigeholt. Und denn issen Leuchten auf der Lichtung. Und das Schwein wird entsorgt, wird ausgeweidet. Zwei blutige Messer, auf dem Kotflügel des Anhängers abgelegt, gehn verloren. Die kann ich, sagt sich der Jäger, morgen früh wieder holen. Awer wie nu der Deibel es will, kömmtn Spaziergängerduett, sieht de Messer blutig anner Lache. Wissen Mord, denken Mord, tun wie Mord de Messer hin zur Polizeistation. Viermann, bereit de Leich zu suchen, tatün ins Dickicht. Finden nix so fix wo fix nix zu kriegen ist. Da wolln wir ma eben den Jäger fragen. Jäger sagt: Ich tu die Messer verlorn ham, tu se nich vermissen, weiß wo se im Walde liegen müssen. War da de Panik auf Polizeistation ausgestanden. Und eins wohl klar:

Schweineblut gerinnen tut, ganz wie das rote Menschenblut. Auch an dich, Genosse, der du pennst, und dermaßen Geschichten kennst: Schieb fort de wollnen Lenz.

Was danach kam
Karsten Krampitz (Schlickpirat): Ein Containerschiff mit bis unter die Decke reichender Ladung von Freiheiten wird nahen. Es bringt die Ameisenfreiheit, das schokoladenfreie Meer, Affenhirn gibt es plötzlich ohne Badezusatz.

Vergeßt die Modehefte und Dekorationen im Schaufenster.

An mehr als
alle,
an eben
alle:
Wie es zu verstehen ist

… möchte niemanden verraten, wo ich mich gewöhnlich aufhalte, wohin mich die einsamen Abendwege führen. Ich sage ungern, was ich von Sonne, Mond und den Sternen denke, was ich dem heulenden Sturm anvertraue. Ich weiß, was ich weiß. Ich habe gehört. Ich möchte berichten, das heißt, ich muß Erhörtes loswerden.

Das Thema heute: (Spaß beiseite!) Leben retten
Erstens:
Wollma sehn, sagt sich der Eulenhofer, wie sich der Büchsenpfand auf die Reinlichkeit der Autostraßen und Umgebung auswirkt.
Zweitens:
Wollma sehen, wer da als erster ausbüchst, kontert das Pflegerpersonal.
Drittens:
Ich halte durch, sagte einer wie der andere.
Viertens:
Zum Ende werden die Toten gezählt.

Hurra. Hurra. Hurra.

Wieso das Genehme nicht mit dem Brauchbaren verbinden.
Weshalb an der Belehrung nicht auch das Lachhafte finden.
Du hast die Mehrwegflasche. Sie hat mehrere Leben.
Du selber mußt dich mit einem Leben zufrieden geben.

Bericht
Also wandert die Eulencrew hinaus. Ein jeder läßt seine Alkoholproblematik zu Haus. Männer bekommen schwarze Tüten. Und auch die paar Weiber muß man nicht doll bitten. Ab der Eulenhof-Meierei sind siebzehn Freiwillige (un)voll(endet) dabei. Es geht, ohne daß die was merken, um starke Schwächen – schwache Stärken. Es geht um das Starke an der Schwäche. Es geht darum, wie schwach Stärken machen. Es geht um die Frage, wie verletzbar ich bin. Wir treten an, zu erfahren, zu benennen, Gefahren, die wir alle kennen.

Und lustig nebenher, sammeln wir Müll.
Jeder soviel wie er kann, jeder so freudig wie er will.

Die Einfahrt durch die Stadteingangsstülpe, weiß einer aus der Müllsammelschlange, speziell ihr Kopfsteinpflasterbuckel. Nicht umsonst warnt ein Schild: Niemals schneller als 30 Kilometer pro Stunde rasen, sonst fliegt der Kopf durchs Autodachverdeck. Prima beobachten, sauber ausgesprochen, ruft da der Herr Gedig und tippt das Dach als Gefahrenquelle an, wie schnell man von der Höhe in Tiefe rutschen kann. Bei Sturm zum Beispiel, Windstärke zehn. Der Schornstein verrußt. Die Mannschaft bibbert im lausigen Aufenthaltsraum. Das Thermometer sinkt von Sekunde zu Sekunde. Wo bleibt uns ein Retter, geht’s vom Lippenpaar zum Stoppelbartmunde. Und einer greift mit letzter Kraft zum Telefon. Gerd Gedig allein ruft zurück: Ich komme ja schon.

Rauf geht aufs Dach, auf seine Zinne, tapsenden Fußes, unangeleint in gebückter Haltung dem Schurken Schornstein entgegen. Erinnert euch, ihr ehemals haltlosen Trinkerseelen. Die Meierei begann schwer zu schwanken unterm Vorwärtstritt eures Oberindianers. Tapp, tapp, war sein Tapsen zu vernehmen.
Der Sturm heulte ungeniert und feige im Voraus, wie Stürme es immer anstellen, egal wen sie fortwehen, wenn sie zerstauben, wirbeln, schellen oder gar, wie ein Trinkhalmwald, Trinkhalm für Trinkhalm fällen.

Hat er sauber hingekriegt, der Gediggerd. Auch wenn er aussah, wie der schwarze Bimbomann auf Klapperlatschen. Wien Negerkuß in Schokoladenruß. Wien Kohlestück in Arbeitsklamotten, tönt der Walter, ein Kumpel in meinem Alter.

Und ruckzuck bleibt der Müllblock stehen. Einer hat ein totes Schwein ohne Haupt gesehen. Da müssen sie alle die Böschung runter. Das müssen sie Fotoablichten für spätere Generationen. Gegen die Ungläubigkeit der Beweis digital. Und schon gibt es frei Haus die ersten dreisten Geschichten, warum ein Schwein zu enthaupten ist, wie mit dem Kopf zu verfahren ist. Man schrumpft ihn, man nimmt ihm seinen Skalp, man brät ihn gar, man kocht ihn nur halb und setzt das Ding auf einen Marterpfahl. Das Undenkbarste ist plötzlich ganz normal. Wie gerade eben passiert, schildert einer, den Restkadaver an einen Faden gebunden, den Restkadaver hinter sich ziehend, wie das Schwein zum Terror kam. Gleich nach dem Irakfeldzug der Amis, verschont durch die Fastenzeit, gehüllt ins unschuldige Rosakleid schweinischer Haut, hat dieses Schwein sich mehr getraut als uns der restliche Körper sagen will.

Ein Schläferschwein.
Ein Schwein mit menschlichem Antlitz.

So eine Art Schweinekörperkönigtum, überbieten sich die Eulenhofer am gut befahrenen Straßenrand mit Konservenbüchse, Verpackung, Plaste, Elaste und Kondomhüllen in der Hand.

Zu Tode gefoltert im Auftrag von Bush, dem Präsidenten der weltweiten Gefahr.

Dann ist das ausgesprochen. Weiter zieht die Karawane. Mal gehe ich dem Gerd Gedig, mal mir oder der Gruppe voran. Und manchmal bleiben wir absichtlich weiter hinten. Ich schreibe auf, was mir zu Ohren kommt. Auch an der Stör, direkt an der Störwerkanlage wird der Spaß gebannt und die Gefahr benannt.

Gefährliche Gefahren, keine Kinderein.

Der Schlick zum Beispiel. Schlick und dumme Berliner Dichter heißt das nächste Lästerthema, weil eben ist der Krampitz fast im Schlick ersoffen, wegen ein paar gefalteten Papierbooten, verführerisch auf Hochglanzschlick abgesetzt von einer zu allen bösen Spielen bereiten Ebbewassersituation.

Und alle singen aus trockenen Kehlen:

Schlick, Schlick, Schlick
ist keine Spieluhr,
Schlick, Schlick, Schlick
ist Natur.
Voll, satt, grob und pur,
Schlick, Schlick, Schlick
nimmt sich nur,
gibt selten was zurück.
Der Schlick,
Der Schlick,
Der Schlick.

Von den Schrebergärten – wir wollen niemals übertreiben – ist (schrebershalber) fernzubleiben.

Über so viel ehrliche Anteilnahme, über so viel schülerfröhliches Mitreden/Mitmachen muß der Herr Gedig wahrhaft lachen./Das Lachen bleibt ihm ins Gesicht geschrieben, am Essentisch, vorm Erbsensuppenteller./Selbst wie er den Löffel, mit Erbsensuppe angefüllt, zu Munde führt, besteht das Grinsen./Am Grinsen vorbei, mittenmang die blitzblanken Kicherzahnreihen, schiebt sich der lachende Vagabund Erbsensuppenfuhren hinein bis der Teller aufgegessen, Nachschlag fällig ist.

Weitere Warnungen
Man kann beim Grillen wie Bauchfleisch verbrennen.
Man kann beim Schnapssaufen gegen den Fleischwolf laufen.
Man kann sich an steinharten Sohlen tödliche Beulen holen.
Man kann zerbröseln, beim Stuhlbeinwippen in ein Fallbeil kippen.
Man kann beim Trippeln ins Gulliloch abnibbeln.
Man kann sich selber in die Grube schnippeln.
Man kann sich am Eigenhaar aus der Scheiße ziehen.
Der Schopf kann reißen.
Man versinkt in tausend Todesscheißen.
Man kann überleben mit Blumenblühen.

Unerhebliche Bedrohungen
a) Liebeskummer und daraus resultierende Wahnvorstellung Geiselnahme
b) Finaler Todesschuß
c) Beauftragte von privaten Sicherheitsdiensten
d) Überfahren werden durch stärker werdenden Verkehr
e) Straßenlagenaltlast für Turbo-Neuheiten
f) Baden ohne Strick am Baum

Wie kann auch ich Leben retten
Durch Arbeit, sinnvolle Freizeit,
Flipperautomaten, Angeln in der Stör,
Glücksspiele, Entenrennen,
Spaß am Leben, Spaß an Harmonien.

Lebensretteroberweisheiten
Egal wohin man schaut – gegen Dummheit wächst kein Kraut.
Stille Wasser sind tief – Deiche liegen schief.
Nicht jeder meint es gut – der dich um Hilfe rief.
Wer zu spät kommt – den bestraft das Leben tödlich.
Traue keinem über deiner Frau – manche leben vom Gefühlsüberstau.
Traue keinem, der über 60 sein könnte – denn er bekommt vielleicht deine Rente.
Laß dich nie auf den Deibel Alkohol ein – er kann dein Exodus sein.

Wenn das Spaß sein soll, dann soll das sofort verboten sein:
a) Samstags Straßen von Gräsern zwischen den Bürgersteigsteinen befreien.
b) Wenn schon Schwachsinn, dann zweimal die Woche.
c) Wer Unkraut-Ex benutzt, ist wie Unkraut mit Unkraut-Ex zu behandeln, weil nachfolgenden Generationen der Spaß verdorben wird.

Dringlicher Nachsatz
Bei gleichmäßiger Lektüre oben angeführter Buchstaben finden Silben zu Worten mit Verstand. (Nur ernste) Zuschriften an:
Peter Wawerzinek, Gerd Gedig
Eulenhof, Dorfstraße 2
25599 Wewelsfleth

Peter Wawerzinek ist Schriftsteller, er lebt in Berlin und Wewelsfleth, wo er Archivar einer Resozialisierungseinrichtung namens Eulenhof ist.

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