JOHN PEEL IST TOT

von Ronald Galenza
aus telegraph #111

Der Welt legendärster DJ ist tot. Der englische Radio DJ John Peel ist am 25. Oktober 2004 an einem Herzinfarkt in Peru gestorben. Er war der wichtigste Radio DJ aller Zeiten. John Peel, geboren als John Ravenscroft im August 1939, war Richtschütze in der britischen Armee und Arbeiter in einer Baumwoll-Mühle, bevor er sein Faible für Radio-Moderationen entdeckte. Erste Erfahrungen sammelte der Musikfan Anfang der Sechziger, als er von England nach Texas umzog und dort bei einer kleinen Radiostation in Dallas anfing. 

Mitte der Sechziger ging er in die Heimat zurück und betrieb dort einen Piratensender; sein „Radio Caroline“ morste von einem Schiff vor der Küste. Die staatliche Sendeanstalt BBC setzte den Piraten 1967 als DJ bei ihrem brandneuen Popsender Radio One ein und gab ihm vorsichtshalber nur einen Vertrag für sechs Monate. Am Ende sollten es fast 40 Jahre werden.

Über den britischen Soldatensender BFBS strahlte John Peel in den Siebziger- und Achtzigerjahren in alle Welt. Auch in Deutschland hatte John Peel eine eingeschworene Fan-Gemeinde. Seine Stimme war längst eine Legende – selbst für die informierten Teile der DDR-Jugend. Seine Sendung „John Peels Music“ war ihr groovendes Guckloch in die Welt. Ein schepperndes Stück Individualität im Land der Singebewegung und der Schallplattenunterhalter. Bands aus der DDR, Polen, Ungarn, CSSR oder der Sowjetunion schickten ihm über krude Umwege ihre Musik zu, die er auch spielte und damit die Jugendlichen in diesen Ländern miteinander verband und informierte.

Peels Erfolg beruhte auf der Tatsache, daß der findige DJ den Mainstream ignorierte und stets den interessantesten Underground- oder Newcomer-Bands den Vorzug gab. Als andere Sender Motown-Hits spielten, legte Peel den Experimental-Rock auf. Als seine Konkurrenten Ende der Siebziger immer noch Rock-Dinosaurier spielten, begeisterte sich Peel schon längst für die frühen Punkbands. Immer wieder machte sich der mächtige Discjockey für Neulinge abseits der Charts stark – und verhalf ihnen damit zu Ruhm und Ehre. So half Peel britischen Musikgrößen wie Marc Bolan, David Bowie, The Clash, Sex Pistols und The Smiths zum Durchbruch. Auf seinen Geburtstags-Parties spielten aus Hochachtung Bands wie The Fall oder Wedding Present.

Seine Fans saßen die Freitag- und Sonn-abendnächte atemlos staunend vor dem Radio und hörten in seinen Sendungen einen ganz neuen Klang-Kosmos. Nichts von dem, was Peel spielte, hatte man schon einmal gehört. Alles war neu; aber fast alles davon wurde in den Monaten und Jahren danach zum lebensver-ändernden Stil. Egal ob Rock, Punk, Reggae, World Music, Avantgarde, er war immer wach und offen für Neues. Peel spielte als Erster die Musik der Berliner Elektronik-Szene, Bands wie Rechenzentrum, To Rococo Rot und Tarwater, die er ganz besonders schätzte.

Er hat die musikalische Sozialisierung mehrerer Generationen stark beeinflußt. Dabei blieb er immer offen für neue Trends und Töne. Peel ist stets neugierig geblieben und er hat immer gespürt, wann ein einst aufregender Sound zum Klischee erstarrte. Seine Größe wuchs aus seiner Unabhängigkeit. Sein Umgang mit Menschen glich dabei seinem Umgehen mit Musik. Er verachtete Hierarchien und Umsätze, ihm ging es vielmehr um Ursprünglichkeit, Originalität und Hingabe. Seine Offenheit und Neugier ließen ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Es gab noch soviel zu entdecken.

Schraubt die Flaschen auf! Dreht die Musik lauter! Legt „Teenage Kicks“ von den Undertones auf, sein Lieblingslied! Einen wie ihn wird es nie mehr geben.

Farewell John!

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