von Sven Vogt
aus telegraph #118/119
Im Jahre 1918 liegt Deutschland wirtschaftlich am Boden und die Niederlage im 1. Weltkrieg ist absehbar. Unter diesen Vorzeichen soll die Marine zu einer Schlacht gegen die britische Royal Navy ausfahren. Doch der Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918 führt zu Meutereien in Wilhelmshaven und zum Matrosenaufstand in Kiel. Werftarbeiter solidarisieren sich und es werden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die das weitere Vorgehen planen. Innerhalb kürzester Zeit breitet sich der Aufstand auf weite Teile des Deutschen Reiches aus. Der Verlauf in den verschiedenen Städten ähnelt sich. Angereiste Matrosen aus Kiel organisieren Demonstrationen, Arbeiter und weitere Soldaten schließen sich an. Kasernen und Polizeistationen werden gestürmt, die erbeuteten Waffen verteilt. Öffentliche Gebäude werden besetzt, Gefangene befreit, der Generalstreik ausgerufen und Räte gewählt. Diesen wurde die Exekutivgewalt zugesprochen. Die Matrosen ziehen dann zur nächsten Stadt, um sie nach dem gleichen Prinzip einzunehmen.
Krieg und Revolution wurden von dem zeitweise in Greifswald wirkenden Oskar Kanehl unter anderem so verarbeitet:
Der letzte Krieg
Du großer Krieg!
Wo sind für Deine Schlachten die Soldaten?
Du großer Sieg!
Wo sind zu Deiner Weihe die Prälaten?
Wo sind die Waffen deiner überzähligen Feinde?
Hauft euch, Geistkämpfer aller Vaterländer,
brecht aus mit eures Feldgeschreies Wucht;
das abreißt eitele Paradebänder,
das Plempen bricht, Schießprügeln flucht;
das in Kanonenschlünden Kugeln würgt.
Pflanzt auf, entrollt die heilige Fahne,
die Freiheit bürgt!
Du aller Geister große Republik.
Ruf gegen allen Mörderkrieg den letzten Krieg.
Zu aller Siege wundergroßem Sieg!
Die „Gedichte eines dienstpflichtigen Soldaten aus der Mordsaison 1914-1918“ von Oskar Kanehl wurden 1922 vom Verlag „Die Aktion“ herausgegeben. Der in Greifswald promovierte Autor veröffentlichte hier den „Wiecker Boten“, der von der Universität mit einem Boykott der Druckerei der Zeitschrift beantwortet wurde. Wegen Gotteslästerung und Verbreitung unzüchtiger Schriften wurde der „Wiecker Bote“ im Sommer 1914 verboten. Korpsstudenten wollten sich mit Kanehl duellieren, bis er schließlich zum Krieg eingezogen wurde. Aus dem Krieg entlassen ging Kanehl nach Berlin und engagierte sich dort im Arbeiter- und Soldatenrat.
Im Ketzernest
Im „schwarzen Ketzernest“ Greifswald, wie Kanehl die Stadt nannte, kam die Revolution auf samtenen Pfoten. Hier wurde 1917 durch königlichen Erlass Leo Max Julius Fleischmann in das Amt des Bürgermeisters eingesetzt. Dieser lud am Abend des 8. November 1918 ausgewählte Bürger ins Rathaus und beriet mit ihnen, wie Unruhen in Greifswald zu verhindern seien. Der Magistrat gründete zunächst einen Vertrauensausschuss, dessen Vorsitzender Fleischmann wurde. Nachdem am 9. November in Berlin die Republik von dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Philipp Scheidemann und die sozialistische Republik von Karl Liebknecht ausgerufen wurden, gründete sich am 10. November auch in Greifswald ein Arbeiter- und Soldatenrat, dessen Vorsitzender der Greifswalder Ratsherr und Polizeidirektor der Stadt Ulrich Burmann (SPD) wurde. Sein Vertreter war Hauptmann und Bataillonskommandeur Teuchert. Vertrauensausschuss, Magistrat und Arbeiter- und Soldatenrat einigten sich am selben Tag auf die Zusammenarbeit. Fünf Arbeiter des Arbeiter- und Soldatenrates wurden in den Magistrat hinzu gewählt, darunter Max Burwitz1 und Julius Schröder 2, und zwölf Weitere in das „Bürgerschaftliche Kollegium“. Im Gegenzug sicherte der Arbeiter- und Soldatenrat zu, für Ruhe und Sicherheit zu sorgen sowie Persönlichkeit und Eigentum zu schützen. Bürgermeister Fleischmann äußerte dazu auf der Sitzung von Magistrat und Kollegium: „Wenn wir Vertreter der Arbeiterschaft wählen, sind wir von dem Vertrauen der gesamten Bevölkerung getragen und sind imstande zu verhindern, dass revolutionäre Bewegungen sich nach links und noch weiter entwickeln, wie es in Großstädten schon geschehen ist.“ So lautet es dann auch im Befehl des Arbeiter- und Soldatenrates vom 10. November: „Wer aber durch […] Rebellion, Aufreizung durch Wort und Tat, durch Schrift oder Presse […] die Ruhe, Ordnung und Sicherheit von Leben oder Eigentum stört, ist des Todes.“ Der Magistrat erklärte, er stehe „rückhaltlos hinter der neuen Regierung“. Auf der Massendemonstration am 11. November redeten schließlich Fleischmann und Burmann. Die Amtsenthebung von Landrat Graf Dietrich von Behr wurde verkündet, wobei Burmann diesen Posten übernahm. Die Stadt wurde auf Befehl des Arbeiter- und Soldatenrates rot beflaggt und der 8-Stundentag in Aussicht gestellt. Am 16. November fand eine Demonstration der Sozialdemokraten mit etwa 2.000 Teilnehmern statt. In der Greifswalder Zeitung vom 7. Dezember machte sich Burmann für eine Volkshochschule und ein Arbeiterheim stark, und betonte: „Wir wollen den Staat und die Mittellinie aufrechterhalten.“ Die Mehrheit der Sozialdemokraten hoffte auf die Wahlen zur Nationalversammlung im Jahr 1919. Die Führung der Stadt blieb daher unangetastet.
Radikalere Töne waren nur von Professor Dr. jur. Karl Polenske zu hören. Am 5. Dezember äußerte er auf einer Arbeiterversammlung, dass die Spartakusgruppe, die zu der Zeit noch den linken Flügel bei den Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) bildete, die wahre Verfechterin der sozialdemokratischen Ideale sei. Polenske schloss sich der USPD an. In seiner Vorlesung „Römische Rechtsgeschichte“ las er an der Universität über kapitalistische und proletarische Strömungen und Gegenströmungen in der Rechtspolitik der Römer und gründete eine Arbeiterhochschule, um mit Arbeitern und Studenten die Fragen einer Boden- und Geldreform zu vertiefen. Insbesondere die Deutschnationalen polemisierten gegen den „vorpommerschen Spartakus“, um ihn aus seinem Amt zu entfernen.
Den Anhängern der alten Ordnung waren aber auch die gemäßigten Sozialdemokraten ein Dorn im Auge. Mit dem aus dem Vertrauensausschuss hervorgegangenen Volksausschuss unter Fleischmann formierten sich die Konservativen. Auch die Universität wirkte gegen die Revolution. Mit den Worten: „Erkennt die gemeinsame Gefahr, die sozialdemokratische Parteiherrschaft!“ rief z.B. Universitätsprofessor Dr. Stark am 23. November in der Greifswalder Zeitung zur Sammlung der bürgerlichen Kräfte auf. Ende November bildeten sich Räte der Beamten, Handwerker, Kaufleute, Angestellten und Bauern, die sich am 30. Dezember zum Bürgerrat zusammenschlossen und gegen die Sozialdemokraten Stellung bezogen. Die Wiedereinsetzung des Grafen v. Behr als Landrat wurde ebenso gefordert wie die Entlassung der neuen Magistrats- und Stadtverordnetenvertreter. Orts- und Kreisvereine der konservativen Parteien wurden gegründet: die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) am 9.12.1918, die Deutsche Volkspartei (DVP) am 15.12.1918, die Deutsche Demokratische Partei (DDP) am 18.12.1918 und die Christliche Volkspartei am 12.1.1919. Sie bildeten ein vielschichtiges Gegengewicht zu den Sozialdemokraten. Prof. Dr. Clemens Thaer (DVP), Studienrat und Gymnasialprofessor, führte dazu aus: „Wir wollen keine öde Gleichmacherei. Also Kampf gegen die Sozialdemokratie! – Aber unter welcher Fahne? Ich sage, nicht unter einer, sondern unter vielen. Bei Proportionalwahlen, wie wir sie haben werden, kommt es nicht darauf an, sich auf einen Kandidaten, ein Programm zu einigen; solch ein Programm könnte ja nur so farblos sein, dass man keinen Hund damit hinter dem Ofen hervorlockte. Mehrere Kandidaten aufstellen, von verschiedenen Richtungen, die nur darin einig sind, den Tendenzen der Sozialdemokratie entgegenzutreten, die unsere Zukunft gefährden. Gegenseitige Unterstützung, Vermeidung von Reibungen, Einigung über mehrere Listen, die dieselben Namen, nur in verschiedener Reihenfolge enthalten.“
Gegen diese Bestrebungen demonstrierten am 1.1.1919 Greifswalder Arbeiter. Am 4. Januar kam es auf einer öffentlichen Versammlung der Deutschnationalen, bei der die Sozialdemokratie für die Kriegsniederlage verantwortlich gemacht wurde, zu Tumulten: der Greifswalder Korvettenkapitän v. Forstner und Andere wurden von aufgebrachten Matrosen ausgepfiffen und mit Prügel aus dem Volkssaal der Stadthalle befördert. Auch bei der diesmal geschlossenen Veranstaltung der Deutschnationalen am 7. Januar kommt es zu Schlägereien. Allerdings wirkte der Greifswalder Arbeiter- und Soldatenrat weiterhin mäßigend. Am 16.1.1919 unterstützte er einen Aufruf zur Unterstützung der Freikorps-Werbung. Diese Truppen waren paramilitärische Einheiten, die der Führung des SPD-Politikers Gustav Noske unterstellt wurden und Aufstände unterdrücken sollten. Dagegen widersetzte sich der Arbeiter- und Soldatenrat Greifswald konsequent der Bildung von monarchistisch-konservativen Einwohnerwehren. Bei den Wahlen in Greifswald am 19.1.1919 zur Deutschen Nationalversammlung, am 26.1. zum Preußischen Landtag und schließlich am 2.3. zur Stadtvertretung wurde die SPD überall die stärkste Partei. Allerdings erhielten in Greifswald die verschiedenen bürgerlichen Parteien insgesamt die Mehrheit. Der Volksausschuss stellte seine Tätigkeit ein und der Arbeiter- und Soldatenrat spielte kaum noch eine Rolle. Die Zustimmung zum Kurs der SPD und des Arbeiter- und Soldatenrates in der Bevölkerung sank. So wurde am 25. März auf einer öffentlichen Versammlung der USPD die Ebert-Regierung in Berlin kritisiert und die versprochene Sozialisierung von Produktiveigentum eingefordert. Am 27. März verließen 5 Mitglieder der 14-köpfigen Greifswalder SPD-Fraktion die Partei und bildeten eine Fraktion der USPD. Karl Polenske folgte am 9. April einem Ruf zur Unterstützung der Bayerischen Räterepublik nach München. Die mäßigende Funktion des Greifswalder Arbeiter- und Soldatenrates kam noch einmal zum Ausdruck, als am 20.6.1919 vom Magistrat eine Kundgebung gegen den Versailler Vertrag organisiert wurde. Dort sprachen unter Protest von Arbeitern der deutschnationale Rektor der Universität Prof. Dr. Friedrich Pels Leusden und Dr. Lejeune von der Rheinländervereinigung. Letzterer musste vorzeitig seine Rede beenden und Ratsherr Dr. Müller kam gar nicht mehr zu Wort, denn der Eisenbahnarbeiter Willi Böttcher bestieg die Rednertribüne und begann mit seiner Rede. Daraufhin entriss ihm Burmann das Manuskript. Es folgten Auseinandersetzungen, die Tribüne wurde von Arbeitern umgestürzt und Burmann kam zu Fall. Polizeibeamte eilten hinzu, einem wurde der Säbel weggenommen. Mit Stöcken bewaffnete Studenten gingen ebenfalls auf die Arbeiter los. Doch diese entwendeten ihnen die Stöcke, verprügelten sie zum Teil, trieben sie auseinander und jagten sie vom Marktplatz. Im Nachgang verurteilte der Arbeiterrat jedoch den „Disziplinbruch Böttchers und die Haltung eines Teils der Menge gegen den Vorsitzenden des Arbeiterrates Burmann aufs schärfste.“
Von Greifswald nach München und zurück
Reichskanzler Ebert misstraute von Anfang an der Rätebewegung, obwohl diese die SPD zunächst stützte. Zunehmend enttäuscht von dem Kurs der Regierung kam es später in verschiedenen Teilen Deutschlands zu neuen Aufständen. Zuletzt riefen am 7. April Ernst Toller (USPD), Erich Mühsam (Anarchist) und Gustav Landauer (Anarchist) die „Räterepublik Baiern“ aus. Die alte SPD-Regierung floh nach Bamberg. Als Volksbeauftragter für das Finanzwesen wurde Silvio Gesell eingesetzt. Der Greifswalder Staatsrechtler Karl Polenske wirkte ab dem 10. April als Rechtsbeirat Gesells sowie als Leiter der Abteilung für finanzielle Aufklärung. Zum Rechnungsbeirat wurde der Münchner Dr. Theophil Christen berufen. Gesell, Polenske und Christen entwickelten ein Wirtschaftsprogramm, das eine gestaffelte Vermögensabgabe, eine Bodenreform, die Einführung eines neuen Geldsystems, dem Freigeld, und eines neuen Bodenrentensystems, dem Freiland, vorsah. Im Gegensatz zu anderen sozialen Bewegungen stellten sie die Eigentumsfrage nur für den Boden, andere Produktionsmittel sollten als Privateigentum erhalten bleiben können. Mit diesem Programm erwarteten sie am ehesten Zustimmung in sozialen Bewegungen, schlossen aber auch nicht aus, dass sich einzelne monarchistische oder bürgerliche Kreise überzeugen ließen3.
Am 13. April wurde ein Putschversuch gegen die Räterepublik von der sich im Aufbau befindenden „Roten Armee“ vereitelt. Gesell, Christen und Polenske wurden nach 10 Stunden Haft befreit. Die Räteregierung wurde von einem Aktionsausschuss ersetzt und die kommunistische Räterepublik ausgerufen. Da Silvio Gesell sich weigerte, auf Anweisung der neuen Regierung bedingungslos 500.000 Mark zur Verfügung zu stellen, wurde er abgelöst. Karl Polenske reiste daraufhin nach Bamberg, und wollte über eine Fortsetzung von Gesells Tätigkeit als Finanzminister in einer neuen bayerischen Regierung verhandeln. Die Exil-Regierung Hoffmann nahm ihn jedoch vom 20. April bis zum 4. Mai in Schutzhaft. Gegen Kaution entließ man ihn wieder. Polenske schrieb über die Ereignisse in dem Theaterstück „10 Tage Rätefinanzminister“ und veröffentlichte „Das proletarische Finanz- und Wirtschaftsprogramm des Volksbeauftragten der bayerischen Räterepublik Silvio Gesell“.
In Deutschland hatte die Regierung mit reaktionären Truppen bereits viele Aufstände brutal zurückgeschlagen. In Berlin wurden neben vielen Anderen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet. Bis März starben in der Stadt etwa 1600 Menschen. In Bremen kamen 400 Menschen ums Leben. Die Bayerische Räterepublik wurde am 2. Mai gewaltsam aufgelöst und damit auch die letzte Räterepublik in Deutschland. Bei diesen Kämpfen wurden 606 Tote registriert, 233 Kämpfer der Roten Armee und 335 Zivilisten. Die Dunkelziffer liegt bei insgesamt etwa 1000. Gustav Landauer wurde am 2. Mai in Gefangenschaft durch Pistolenschüsse schwer verletzt und schließlich tot getreten. Aber der Terror setzte sich auch nach der Niederwerfung fort: Etwa 2200 Unterstützer wurden zum Tode oder zu Haftstrafen verurteilt. Eugen Leviné, Anführer der kommunistischen Räterepublik, wurde des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Erich Mühsam erhielt zunächst 15 Jahre Haft, wurde jedoch nach 5 Jahren amnestiert, Toller erhielt fünf Jahre, die er vollständig absaß. Silvio Gesell und Theophil Christen wurden von dem Münchner Standgericht frei gesprochen, das Verfahren gegen Karl Polenske eingestellt. Die drei wurden aber weiter als „bolschewistische Banknotenfälscher“ und „Helfer von Hochverrätern und Geiselmördern“ diffamiert.
Zurück in Greifswald plante Karl Polenske seine Vorlesungstätigkeit wieder aufzunehmen. Es kam jedoch zu tumultartigen Szenen im Hörsaal, als die oft konservativen Studenten ihn am Sprechen hindern wollten. Resigniert über die politische Unkultur in Greifswald und die fehlende Aussicht, irgendwo anders eine geregelte Lehrtätigkeit aufzunehmen, verzichtete er freiwillig auf seine Lehrbefugnis und zog in die Genossenschaft Eden (Oranienburg).
Alles umsonst?
Obwohl die Ergebnisse hinter den Wünschen von verschiedenen sozialen Bewegungen zurückblieben, gab es einige Erfolge der Revolution zu verbuchen: Der 8-Stundentag wurde von den Gewerkschaften mit der Großindustrie im Arbeitsgemeinschaftsabkommen erhandelt, wobei allerdings im Gegenzug die Forderungen der Sozialisierung von Produktiveigentum und direkte Demokratie im Produktionsbereich nicht weiter verfolgt wurden. Am 12. November 1918 veröffentlichte der Rat der Volksbeauftragten in Berlin sein Regierungsprogramm. Er hob den Belagerungszustand und die Zensur auf, schaffte die Gesindeordnung ab und führte das allgemeine Wahlrecht ab 20 Jahren ein, erstmals auch für Frauen. Alle bisherigen politisch Inhaftierten erhielten Amnestie. Bestimmungen zur Vereins-, Versammlungs- und Pressefreiheit wurden erlassen. Auf der Basis des Arbeitsgemeinschaftsabkommens wurde der 8-Stunden-Tag vorgeschrieben und Leistungen der Erwerbslosenfürsorge, der Sozial- und Unfallversicherung ausgeweitet. Im Kohle- und Kalibergbau sowie in der Stahlindustrie wurden „Selbstverwaltungskörperschaften“ eingesetzt, aus denen die heutigen Betriebsräte hervorgingen. Der 1. Mai wurde 1919 erstmals als gesetzlicher Feiertag begangen. Auch in Greifswald wurden erstmals Frauen mit in die Stadtvertretung gewählt.
1 Max Burwitz war Lehrer und SPD-Mitglied. Nach dem 2. Weltkrieg kam er zur SED, wurde von 1945 bis 1947 Stadtschulrat und von 1947 bis 1949 Oberbürgermeister Greifwalds, danach bis 1952 OB Rostocks.
2 Schröder gehörte zunächst der Sozialdemokratie an, wandte sich aber nach einer Reise in die Sowjetunion der KPD zu, da er wegen der Reise in Konflikte mit seiner Partei geriet. Seit 1944 wirkte er in einer 4-köpfigen KPD-Gruppe und erörterte im Drei-Wochen-Rhythmus die politischen Ereignisse. Außerdem hörten sie ausländische Rundfunksendungen und knüpften Kontakte zu Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. Er hatte auch direkten Kontakt zum Exekutivkomitee des Greifswalder Nationalkomitees. Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) war ein Zusammenschluss von kriegsgefangenen deutschen Soldaten und Offizieren sowie kommunistischen deutschen Emigranten in der Sowjetunion. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er hauptamtlicher Beigeordneter des OB Wilhelm Bieg.
3 Diese Offenheit führte bei Karl Polenske dazu, später der Propaganda der NSDAP auf den Leim zu gehen. Diese behauptete eine Reform des Bodenrechts zu planen und die „Zinsknechtschaft“ zu brechen, missbrauchte diese Phrasen jedoch dazu, um Juden zu enteignen.
Bücher
BIEDERSTEDT, RUDOLF (Bearb.): Übersicht über die Bestände des Stadtarchivs Greifswald und archivalischer Quellennachweis zur Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung, Greifswald 1966 (Quellen zur vorpommerschen Regionalgeschichte, hrsg. vom Kulturhistorischen Museum Stralsund, vom Stadtarchiv Stralsund, vom Staatsarchiv Greifswald, vom Museum Greifswald und vom Stadtarchiv Greifswald), Greifswald 1966.
KANEHL, OSKAR: Die Schande – Gedichte eines dienstpflichtigen Soldaten aus der Mordsaison 1914-1918. Verlag Die Aktion, Berlin 1922.
POLENSKE, KARL: 10 Tage Rätefinanzminister. unter: www.humanwirtschaftspartei.de/module/huwi/info/anlagen/20/10-tage-nd.pdf
POLENSKE, KARL: An Alle! – Das proletarische Finanz- und Wirtschaftsprogramm des Volksbeauftragten der bayerischen Räterepublik Silvio Gesell, Berlin o. J. (etwa 1919-1920) unter: www.tristan-abromeit.de/pdf_bibliothek/56.4 Gesell Polenske An Alle.pdf
POLENSKE, KARL: Forschungen zur Bodenreform. Boden und Kapital im Recht, Band 1 und 2. Fischer 1909.
SCHREINER, KLAUS: Dokumente berichten aus der Geschichte der Greifswalder Arbeiterbewegung. Greifswald 1958.
WERNICKE, HORST: Greifswald – Geschichte der Stadt. Thomas Helms Verlag Schwerin 2000.
Stadtarchiv Greifswald
Es lohnt sich zur weiteren Aufarbeitung ein Blick in die von BIEDERSTEDT aufgeführten Archivalien! Im Rahmen dieses Artikels konnte aus Zeitgründen nur die Stellung des Arbeiter- und Soldatenrates zu den Bürgerwehren offen gelegt werden (in Rep. 6 I a Gh Geheimsachen).
Internet
www.novemberrevolution.de/maintext.php?cap=matrosen aufstand
de.wikipedia.org/wiki/Novemberrevolution
de.wikipedia.org/wiki/Münchner_Räterepublik
Burwitz, Max: de.wikipedia.org/wiki/Max_Burwitz
Kanehl, Oskar: www.uni-greifswald.de/~dt_phil/Wiecker-Bote/kanehl.html
Polenske, Karl: userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/onken/modell/swf/kap2.htm
Schröder, Julius: www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-1117/CAP5.DOC
Manuskript
WERNER ONKEN: Karl Polenske. Unveröffentl. biographische Skizze (Archiv für Geld- und Bodenreform, www.sozialoekonomie.info, Oldenburg). Vielen Dank an den Autor!
Sven Vogt ist Journalist und lebt in Greifswald.
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