Jump across the border

von telegraph 2/98

Diesen Sommer schon was vor? In der Nähe von Rothenburg, ca. 20 km nördlich von Görlitz, wird in diesem Sommer ein Aktionscamp verschiedener antirassistischer und antifaschistischer Gruppen stattfinden. Vom 24.7. bis 2.8. organisieren die in der bundesweiten Kampagne „kein mensch ist illegal“ vernetzten Gruppen, auf einer Wiese, ein Zeltlager. Die Grenze/Neisse ist ca. 1 km entfernt und in Rothenburg direkt befindet sich eine BGS-Station sowie eine Fachhochschule für Polizei und BGS.

Das Ziel des Camps soll es sein, mit verschiedensten kulturellen und politischen Aktivitäten, direkt an der Außengrenze der EU, die Situation der Flüchtlinge bekannt zu machen und ins Verhältnis zur eigenen Realität zu bringen. Außerdem ist es eine hervorragende Gelegenheit, sich eine Woche im Grünen (mit hoffentlich bestem Wetter) mit vielen netten Menschen zu treffen und auszutauschen. Dabei wird von den vorbereitenden Gruppen aus der Region davon ausgegangen, daß die Bevölkerung nicht aus rassistischem Mob auf der einen und wohlgeschulten AntirassistInnen auf der anderen Seite besteht, sondern daß es einige Leute dazwischen gibt, und es soll sich auch speziell darum bemüht werden, diese Menschen anzusprechen, die ein anderes Verständnis haben. Das Camp ist so als eine Möglichkeit konzipiert, der hartnäckigen Propaganda mit der speziell der BGS die Grenzbevölkerung überzieht, Gegeninformationen und -standpunkte zugänglich zu machen.

Die bisherige Planung sieht so aus, daß von Freitagnacht bis Sonntagmittag – 36 Stunden Non Stop! eine Art Eröffnungsparty läuft. Radical Rave Berlin organisiert diesen „International Borderlinerave“, auf dem durchgehend ein populärer elektronischer Musikstil (der Name verrät es) laufen wird.

Ab Sonntagmittag beginnt dann der eigentliche Campaufbau.
Für Montag ist eine „Sight-Seeing-Tour“ geplant – ein oder mehrere erste Umzüge, in Rothenburg und in und um Görlitz, um das Grenzcamp bzw. die dahinterstehenden Überlegungen bekannt zu machen. Die Rede war auch von vorbereiteten „Modulen“, also immer wieder einsetzbaren Ankündigungs- und Verbreitungsmethoden für Lautsprecherwägen, Radiosendungen, Filmvorführungen … Die Campzeitung, ein bis dahin fertigzustellendes Massenfaltblatt, soll breit verteilt werden, mit einer Einladung zu einer offenen Abendveranstaltung am nächsten Abend außerhalb des Camps in Görlitz.

Der Dienstag trägt das Motto: Gegen Denunziantentum und Schlepperhetze, für Fluchthilfen! Im Mittelpunkt steht eine Denkmalaufstellung für die“unbekannten FluchthelferInnen“, mit anschließender Kundgebung in Görlitz. Abends soll eine offene Veranstaltung stattfinden, die über Fluchtgründe und die privilegierte Situation hier informiert. Für diese Veranstaltung, eine Art zentrales Aushängeschild, soll breit in der Region eingeladen werden, wobei klar ist, daß der Zutritt für ausgewiesene Gegner antirassistischer Politik versperrt bleiben wird.

Der Mittwoch steht unter dem Motto „Gegen die Grenzjustiz“ und wird sich unter anderem mit den Prozeßen gegen Taxifahrer in der Region beschäftigen, denen vorgeworfen wird, durch das bewußte „Nichtbeachten“ der Hautfarbe ihrer Kunden gegen diverse Gesetze der BRD verstoßen zu haben. Eventuell werden sich Taxi-Kollegen aus Berlin und Hamburg an der Gestaltung des Tages beteiligen. Auch ein „Knastbeben“ in Görlitz vor dem Gefängnis ist angedacht. Außerdem gibt es bei weiteren BGS-Stationen sogenannte Abschiebegewahrsame.

Donnerstag: Antifaschistischer Aktionstag: An diesem Tag werden vor allem die Organisierung und Mobilisierung von verschiedenen Rechtsradikalen in der Region thematisiert. Die Veranstaltungen könnten parallel oder nacheinander in Görlitz und Zittau stattfinden, was auch von den eigenen Kräften abhängt.

Freitag: In Rothenburg, wie gesagt, gibt es einen dreiteiligen BGS-Komplex mit Station, Fachhochschule und Hubschrauberlandeplatz. (1993 hatte dort am Tag der „Wiedervereinigung“ eine RZ einen Anschlag auf BGS – Fahrzeuge verübt.) In Rothenburg, aber auch in Zittau und Görlitz befinden sich in den BGS-Stationen Rückschiebeplätze für an der Grenze aufgegriffene MigrantInnen. Welche Aktionsformen vorstellbar wären (Kundgebung, Blockaden..), ist bisher offen und hängt, wie vieles andere, von der Kreativität und Beteiligung der beteiligten Gruppen ab.

Samstag: Die Neisse-Regatta wird stattfinden, aber Ort und „Wettkampfregeln“ sind noch ungeklärt. Abends soll vielleicht ein Abschlußkonzert stattfinden. Dort könnte dann auch die Siegerehrung der Regatta abgehalten werden!

Damit ist natürlich nur das Rahmenprogramm beschrieben, ob und wieviele inhaltliche Veranstaltungen und Workshops stattfinden, oder weitere Konzerte innerhalb der Woche, bleibt kommenden Treffen vorbehalten. Ein Streetball-Event mit prominenter Beteiligung unter dem Titel „Jump across the Border“ ist als jugendkulturelles Ereignis in Planung, eventuell mit Hip-Hop Bandauftritten vermixt.

Desweiteren gibt es die Überlegung Grenzführungen anzubieten, und inner- wie außerhalb des Camps sollen verschiedenste Filmvorführungen laufen, (Wanderkino/Openair). Wie oben schon angedeutet, werden noch weitere Gruppen (speziell aus der Ex-DDR) gesucht, die Lust haben das Spektakel mitzuorganisieren. Auch kompetente Einzelpersonen (speziell Polnisch- und Tschechischdolmetscher) sind hiermit aufgefordert sich Einzubringen.

Am 5.7.1998, Sonntag, wird in Zittau unter dem Motto „kein mensch ist illegal“ eine antirassistische, antifaschistische Demonstration stattfinden. Alle die sich ein Bild von der Region und dem politischen Rahmen machen wollen, sollten die Gelegenheit für einen Wochenendausflug nutzen.

Weitere Informationen für alle, die an der Vorbereitung teilnehmen wollen gibt es unter der Handynummer der Kampagne „kein mensch ist illegal“: 0172-8910825

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