Bauernland in Junkerhand?

von W.B.
aus telegraph 5/1996

„Wir schreiben das Jahr eintausend neunhundert und sechsundneunzig, seit ein Mann ans Kreuz genagelt wurde, weil er die verrückte Idee hatte, alle könnten einfach mal nett zueinander sein. Ganz Mecklenburg ist von den Römern besetzt. Ganz Mecklenburg? Nein, nicht ganz, ein kleines Dorf leistet erbitterten Widerstand. Ihr Dorf ist von Stacheldraht umzingelt. Von den Römern werden sie nur ‘die Verrückten’ genannt. Zwar besitzen sie keinen Zaubertrank, der ihnen unüberwindliche Stärke verleiht; und doch konnten sie sich bisher behaupten.“

Genau dieser Zaubertrank scheint das einzige zu sein, was ihnen im Moment noch weiterhelfen könnte. Ihr Dorf Kleppelshagen wurde verkauft, der umliegende Wald gleich mit dazu. Der neue Eigentümer faselt von Naturschutz und verkauft den Wald scheibchenweise nach Schweden zur Papiergewinnung. Er redet von natürlichem Landbau und entzieht der am Ort lebenden Bio-Gärtnerin ihre Lebensgrundlage, indem er von ihr seit Jahren genutztes Land ersatzlos zurückfordert, um seine Kühe zu weiden. Er redet von Erhaltung der historischen Dorfgemeinde, und das Erste was er tut, ist sich das Gutshaus herrschaftlich einzurichten.

Die Rede ist von H. Redwisch, Fabrikant und Millionär, der sich jüngst in Straßburg, Mecklenburg-Vorpommern einkaufte. Eigentlich klang das alles sehr schön. Er wolle ‘Rotwild in seinem natürlichem Rückzugsgebiet’ beobachten, ließ er verkünden. Dieses ‚Forschungsprojekt’ ließe er sich einiges kosten, die Tiere müßten sich frei bewegen können. Und die alteingesessenen Bewohner hätten nichts zu befürchten, er wolle ‘niemanden vertreiben’. Dies ist für ihn heute nur noch ‘politisches Geplänkel’, das ‘man führe wenn man Land kaufen wolle’ (Zitat Redwisch). Heute ist der Wald mit Stacheldraht umzäunt, auf der Weide stehen subventionierte Öko-Rinder. Laufende Mietverträge werden nicht verlängert, wer nicht bereits seit zwanzig Jahren im Dorf wohnt, ist seiner Meinung nach ein ‘Neuzugezogener’, und hat dort nichts zu suchen. Dies betrifft insbesondere besagte Bio-Gärtnerin und eine Wohngemeinschaft in der Dorfstraße 14-18. Jene hatten die Frechheit beseßen erst 1990 dort hinzuziehen, und da sie keinen Mietvertrag bekamen, einfach ungefragt Miete an die Treuhand zu überweisen. Das dies heute als Mietvertrag gelten könne, wie alle rechtlich versierte Römer bestätigen, wird von ihm und der Treuhandnachfolgerin geflissentlieh ignoriert. Diese hatte ihm besagtes Haus als unbewohnt übergeben, und sich damit über geltendes Recht hinweggesetzt.

Die Geschichte dieses Kaufes (es handelt sich immerhin um ein mehrere Quadratkilometer großes Gebiet größtenteils noch forstwirtschaftlich ‘unberührter’ Waldflächen mit einem großen Rot und Schwarzwildbestand) ist schon etwas länger, und liest sich schon fast wie ein Raubritterroman. Da werden Versprechungen gemacht, Drohungen ausgesprochen, wenn einer mittels Einschüchterung nicht spurt wird er halt gekauft. Und mit dem Versprechen gewunken, seinen Wohnsitz in den Kreis zu verlegen, was eine nicht unerhebliche Steuereinnahme bringen würde. Was davon unter dem Strich übrig bleibt wird man sehen, schon die Bau- und Sanierungsmaßnahmen in Kleppelshagen werden nicht unerhebliche Abschreibungsleichen werden. Da wird Denkmalschutzbedarf erst angemeldet, später dann, wenn die Stadt nach einem Blick in ihrer Kassen feststellt, die erforderlichen ‚werterhaltenden Maßnahmen’ nicht finanzieren zu können, und deshalb vom geplanten Kauf zurückgetreten ist, kurzerhand wieder fallengelassen. Ist schon sehr praktisch, wenn Mann einen alten Spezi und Freund als Verhandlungspartner hat. Vorstandsvorsitzender der Wald-Verwertungsgesellschaft, Nachfolgerin der Treuhand und verantwortlich für den Verkauf, ist ein Herr von

Staufenberg, Wessi und gleichzeitig Vorsitzender des Verbands der Waldbesitzer. Von dort kennt man sich auch. Wenn Mann dann noch einen Bürgermeister in der Tasche hat, der gegen seine eigene Stadt klagt, um ein Vor- kaufsrechtderStadtanzustreiten,kann doch eigentlich fast nix mehr schiefgehen.

Inzwischen fühlt sich Redwisch anscheinend schon als der neue Gutsherr, der ‘mit gütiger Hand’ über alles wacht. Eines Tages verirrte sich ein kranker Fuchs in den Vorgarten einer Dorfbewohnerin. Der herbeigerufene Förster weigerte Sich, das kranke Tier von seinen Qualen zu erlösen. Auch die Polizei konnte erst einmal nichts tun, sie durfte innerhalb des Dorfes nicht von der Schußwaffe Gebrauch machen, rief nach einem Tierarzt. Glücklicherweise kam H. Redwisch in seinem Auto vorbei, und interessierte sich natürlich brennend dafür, was da auf ’seinem’ Land los sei. Nach kurzer Berichterstattung seiner ‘Büttel’ holte er, begeisterter Jäger, seine Flinte aus dem Auto und lößte ‘das Problem’ auf seine Weise. Im übrigen lädt besagte Wohngemeinschaft zum ‚internationalen Fußballturnier’ am 8./9. Juni ein. Kurzfristige Meldungen für den Streit um den begehrten Pokal werden noch angenommen, bei anschließender Party werden die Sieger ausgiebig gefeiert werden. Ansonsten stehen auch noch zwei bis drei Häuser im Dorf leer, die danach schreien dem Zugriff durch das neue alte Junkertum entzogen zu werden. Und dies ist ausdrücklich kEINE Aufforderung , sich gar widerrechtlich ein Haus anzueignen ;-)

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