Entwurf: Ein Vorschlag zu kulturpolitischen Veränderungen in der DDR

aus telegraph 7/1989
vom 04. November 1989

Berlin den 30.10.1989

„Initiative nichtprofessioneller Kulturschaffender“

Wir schließen uns den Resolutionen des Schriftstellerverbandes, des Kommitees für Unterhaltungskunst, Theaterverbandes, der VBK Bezirksverbände und aller anderen Organisationen und Verbände, die für eine. umfassende Demokratisierung unserer Gesellschaft eintreten, an.
Wir befürworten grundlegende Bestrebungen des Neuen Forum , DEMOKRATIE JETZT, SDP, Demokratischer Aufbruch und anderer Bürgerbewegungen, die für eine demokratische Umgestaltung unseres Landes eintreten.

Wir sind der Auffassung, daß Kunst und Kultur immer eine individuelle Reflexion des sozialen Umfeldes ist. Die künstlerische Betätigung ist eine der mündigsten Formen der Äußerung. Zu viele Bürger der DDR haben zur Zeit schon verlernt, frei und ohne politische Überbewertung mit der uns umgebenden Kulturlandschaft umzugehen. Der Bereich kreativer Aüßerungsformen ist so groß geworden, daß nicht einzelne festlegen können, was Kunst und Kultur ist.

Wir erwarten von der weiteren Entwicklung in der Kulturpolitik, daß unter anderem ein freier Wettbewerb aller Kulturschaffenden (unabhängig von Bildung, Mitgliedschaft in Vereinen, Massenorganisationen etc., ausgenommen faschistische, militaristische, rassistische und brutalitätsverherrlichende Tendenzen) entstehen kann, der sich nach Angebot und Nachfrage regelt. Derzeitige Behinderungen und Einschränkungen der freien künstlerischen und kulturellen Arbeit von nicht professionellen Kulturschaffenden müssen grundlegend, d.h. per Gesetz, abgeschafft werden. Sich dann daraus ergebende Fragen könnten durchaus in einem umfassenden, offenen, kritischen Dialog gelöst werden.

Die Zulassung des freien Ver- und Ankaufs von Kunst aller Art (natürlich unter Berücksichtigung von Versteuerung), die Bildung und Zulassung unabhängiger Kunst- und Kulturinitiativen (wie z.B. Verlage, Film- und Musikstudios, Galerien aller Art, Theater, Kunstpodien, Biblio- und Phonotheken, Straßenkunst aller Art), die Schaffung und Erweiterung von kulturellen Bildungsmöglichkeiten, die generelle Zulassung von Vervielfältigungstechnik für künstlerische Zwecke im außerstaatlichen Bereich, sowie die freie und unverbindliche Unterstützung durch Betriebe, Institutionen, Organisationen und Privatpersonen (Sponsoren), sind mit die wichtigsten Voraussetzungen für eine neue, wesentlich kreativere und buntere Entfaltung der Alltagskultur in unserem Land.

Wir sind also der Meinung, daß es dringendst notwendig ist, zur Erreichung eines höheren Lebensniveaus gerade den kulturellen Horizont in unserer Heimat wesentlich zu erweitern.
Es muß ein gesundes und demokratisches Pro und Kontra in der DDR – Kultur entstehen Dieser Vorschlag soll zu einer breiten Diskussion in allen Bereichen und auf allen Ebenen beitragen. Wir erwarten Reaktionen, verwahren uns aber gegen eine unsachgemäee Auswertung in den BRD – Massenmedien u.a.,

gezeichnet: INK Postadresse: Jens Kuhle, Bergstr. 68, Berlin, 1040

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