Tunnel zu einer VP-Inspektion wurde in Berlin entdeckt
aus telegraph telegraph 7/1990
Wer ein Haus besetzt, hat, ebenso wie ein Besitzer, an dessen Zustand ein größeres Interesse als ein Mieter. Besetzer werden sich um den Zustand des Daches Sorge machen, aber auch, wenn es neben ihrem Keller heftig rauscht. Letzteres wiederfuhr den Besetzern der seinerzeit schlagzeilenträchtigen Schönhauser Allee 20. Sie brachen die Kellerwand zum nebenliegenden leerstehenden Haus auf und fanden einen knietief unter Wasser stehenden Keller. Nachdem der Haveriedienst den Keller abgepumnpt hatte, entdeckten die Besetzer an der Wand in Richtung des nahegelegenen Polizeireviers ein gußeisernes Türchen, das in einen ovalen Tunnel führt. Der Tunnel endet offenbar vor der Wand der Volkspolizeiinspektion Prenzlauer Berg mit einem weiteren Türchen, das allerdings mit Schweißpunkten versehen und nur mit Gewalt zu öffnen ist.
Ein ehemaliger Mieter gab uns den Hinweis, daß der Tunnel wahrscheinlich vor 1981 noch benutzt wurde. Anders wäre das plötzliche Erscheinen einer Gruppe von Polizisten auf dem Hof der Schönhauser Allee 20 nicht zu erklären gewesen. Ebensowenig wie die polizeiliche Überprüfung vor Zuweisung der Wohnung.
Offenbar handelt es sich um einen Fluchttunnel aus noch unter dem Zellenbereich der VP-Inspektion gelegenen Räumlichkeiten unklarer Bestimmung. Schon früher fiel auf, daß entsprechenden Kellerräume der Inspektion zur Straße hin zugemauert sind. Es gibt Spekulationen über eine Untertunnelung des gesamten jüdischen Friedhofs, bzw. eine Verbindung zu dem bereits in der Nazizeit gebauten dreistöckigen unterirdischen Bunker unter der Metzer Straße. Letzterer wird in regelmäßigen Abständen von als Transportpolizisten uniformierten Männern durch den Zugang einer ehemalige Toilette besucht.
Die Angelegenheit könnte sich natürlich als völlig harmlos herausstellen. Aber eine Untersuchung durch eine unabhängige Komission scheint im Interesse der öffentlichen Sicherheit vor Staatssicherheitsnachfolgern dringend notwendig.