Hausbesetzungen in Magdeburg

aus „Die Andere Zeitung“ Magdeburg / telegraph 8/1990

Nun also Hausbesetzungen auch in Magdeburg. Viermal räumte die Polizei am Wochenende vom 6. bis 8. April, unter anderem den ehemaligen Stasi-Knast am Moritzplatz, ein Gebäude in der Halleschen Straße, ein leerstehendes Haus am Sudenberger Tor.

Insbesondere am Moritzplatz scheinen die Auseinandersetzungen noch nicht ausgestanden. Vom Rat der Stadt als Eigentümer übernommen, sind zwei Projekte für den Gebäudetrakt geplant. Zum einen ein Versuch der Abteilung Inneres beim Stadtbezirk Nord, hier „familiengelöste“ Bürger (gemeint sind ehemalige Strafgefangene, die nach der Entlassung keine Bleibe haben) mit Wohnraum zu versorgen.

Dafür ein ausgedienter Knast! Andererseits werden vom Stadtrat keine Alternativen gelassen, damit das Team um Herrn Krähe sein Projekt in einem anderen Objekt realisieren kann. Inzwischen sind von Seiten der Stadt auch sämtliche Gelder zur Finanzierung des Objektes bis nach den Kommunalwahlen am 6. Mai storniert worden. Somit hängt auch das zweite für die „Moritzburg“ geplante Projekt in der Luft. Hier sollte in Zusamenhang mit der Offenen Arbeit der Evangelischen Kirche ein Jugendzentrum besonderer Art entstehen, eine Begegnungs-
stätte für Punks, Autonome. Da dies nun nicht realisierbar scheint, wurde das Objekt am vergangenen Samstag kurzerhand besetzt. Bis Montag früh ließ die Volkspolizei die Jugendlichen gewähren, ehe dann endgültig und leider auch ziemlich handfest geräumt wurde.

Die Autonomen wollen das Objekt wieder besetzen. Angesichts der finanziellen Zwänge. denen Jugendliche bei der Realisierung eigener Projekte unterworfen sind, scheint ihr Ärger nur allzu verständlich.

Gerade die Punks waren es ja im Oktober des vergangenen Jahres, die in Magdeburg in erster Reihe die Wende miterstritten haben. Ihre neue Freiheit scheint allerdings schon dahin, denn die Gesetze des Marktes regeln inzwischen federführend auch ihre ökonomischen
Perspektiven. Dadurch dürften sivch Punks und Autonome ähnlich eingeengt in ihrer Lebensart fühlen, wie unter der ideologische Drangsalierung und Gleichmacherei der alten Führung. Darauf werden sie auch in Zukunft mit Demos oder auch Besetzungen hinweisen.

Erfolg wäre ihnen zu wünschen, denn ein Cafe am Sudenberger Tor oder eine Begegnungsstätte mit Auftrittsmöglichkeiten für Künstler aller Art, besonders aber der Kultur der Punks entsprechend, wäre sicher eine Bereicherung für die ziemlich öde, diskoüberladene und farblose Musikszene in Magdeburg.