aus telegraph 9/1990
Vom 23.-26. April 1990 fand in Kassel ein von der dortigen Universität ins Leben gerufener Kongress zu Fragen von Abfallwirtschaft und Deponietechnik statt. Anwesend Vertreter aus allen Bereichen, die in irgendeiner Weise etwas mit Abfällen zu tun haben, vor allem Vertreter der Verwaltungen, Industrie und Wirtschaft (65%). Als „Kontaktmesse“ für Ost und West gedacht, war sehr breit eingeladen worden, sodass sich ein sehr gleichmässiges Ost-West-Verhältnis von Referenten und Teilnehmern ergab. DDR-Umweltgruppen erhielten wohl noch eine Einladung aufgrund ihrer exotischen Herkunft, westdeutsche Umweltgruppen und -organisationen waren jedenfalls nicht unter den Referenten.
Einige DDR-Referenten fielen durch Beschönigungen und unkorrekte Beiträge auf. Laut Dr. Ruppe vom Institut für Umweltschutz (ehemals Zentrum für Umweltgestaltung) ist in der DDR zwar nicht alles so gelaufen wie es sollte, aber im Prinzip hat man es ja im Griff. In die selbe Kerbe schlug Fr. Dr. Montkowski, Abteilungsleiterin im DDR-Umweltministerium und mitverantwortlich für die „West-Müll-Deponien“. Sie tat sich im Besonderen durch einen schlechten Vortragsstil und das häufige unerklärte benutzen DDR-spezifischer Begriffe und Abkürzungen hervor. Das massige Aufzählen von Gesetzen, Bestimmungen und Organen gibt noch lange keinen Überblick über existierende Zustände.
Dr. Tauchitz von der BHI Leipzig war noch der Meinung, dass das gezielte Einbringen von Schadstoffen in eine Hausmülldeponie einen bedeutenden Reinigungseffekt hätte. Herr Kenner, Chef der Schönberger Gifthalde, erzählte vom wunderbaren Deponiezustand und der neuen Sickerwasserreinigung. Er nannte auch den Zeitpunkt der Inbetriebnahme, Anfang 1990, kein Wort davon, dass die Anlage ja seit 1974 betrieben wird und was jetzt mit der hochgiftigen Altlast geschieht. Die mit dem Müllgeschäft erwirtschafteten Gelder werden jedenfalls nicht für die Sanierung eingesetzt, ihren Verwendungszweck nannte Herr Kenner auch: Bau vieler neuer Deponien in Mecklenburg. Die Inhalte bundesdeutscher Referate schwankten zwischen Handlungsunfähigkeit kommunaler Verwaltungen, dem Bemühen um sichere Entsorgung und 0-Emmission, dem Vorstellen von High-Tech und dem Verkauf möglichst teurer Anlagen.
Zum einen wurden Forschungsergebnisse und Technologien vorgestellt, zum anderen den Behörden klargemacht, das Entsorgung teuer und Sanierung noch teurer ist.
Interessant z.B. die Vorträge von Prof. Dr. J. Hahn zur Inertisierung von Verbrennungsrückständen, Von Prof. Dr. K. Wiemer zur Deponietechnik und Dr. J. Jager zu Sanierungsfragen, stark zu Hinterfragen z.B. der Vortrag E. Gläsers zu Betondeponien mit begehbarer Basis.
Insgesamt waren die vorgestellten Technologien jedoch weit von der in Ost und West vorherrschenden Entsorgungspraxis entfernt. Vor allem für die Teilnehmer aus der DDR wäre es wichtig gewesen, etwas über einfach zu realisierende Sanierungsmöglichkeiten zu erfahren. Eine Mustervorzeigedeponie ist zwar nett, ändert aber nichts an der Gesamtemmission aller über 15000 auf dem Gebiet der DDR relevanten Objekten. Das Zusammenspiel von Biologie, Geologie und Technik wurde so gut wie nicht erwähnt, nur Einzelaspekte losgelöst betrachtet. Das erweckte den Eindruck, mit Technik allein sei alles zu machen. Bei der Abfallproblematik sollte wohl eher in geologischen Zeiträumen gedacht werden, Altlasten haben wir jetzt schon genug.
Während der abschließenden Podiumsdiskussion als Frage aufgeworfen, und mit „Das war nicht das Anliegen dieses Kongresses, dazu müsste man einen eigenen machen“ beantwortet: Die Müllvermeidung. An den ersten Tag des Kongresses hätte sie nicht nur gepasst, sondern gemusst. Politiker und Behördenvertreter aus Ost und West sprachen über Stand und Perspektiven der Abfallwirtschaft, wobei alle die Entstehung des Mülls in der Mülltonne vermuteten. Erstaunlich, wie schnell und einfach die DDR-Vertreter den Zusammenbruch von durchgängigem Pfandsystem und SERO hinnahmen und von vornherein überlegten, wie man nun mit dem dreifachen Müllberg fertig wird.
Bleibt zu hoffen, dass die Vertreter von DDR-Behörden und -Firmen das richtige herausgehört und Verträge geschlossen haben, die nicht das Müllproblem auf technologisch weniger entwickelte Länder bzw. unsere Nachfahren abwälzen. Im Hinblick auf diese Hoffnung waren Fr. Dr. Montkowski, Herr Ruppe und Herr Kenner nicht gerade in bester Gesellschaft.
Der Tagungsband ist, wie weitere Veröffentlichungen zur Abfallproblematik in der Umwelt-Bibliothek Berlin einzusehen.