Inkompetenter Umweltminister entläßt seinen fähigen Stellvertreter
aus telegraph 9/1990
Schon in Nr. 4 des „telegraph“ vom 22. Februar mussten wir über STEINBERG reden (S. 24, „Aber Kinder, so ja nicht!“). Damals war er Minister für Schwerindustrie und als solcher Chef und Befürworter der Atomkraftwerke der DDR. Er trug dem Runden Tisch ein Energiekonzept vor, das von klassischen Plattitüden wimmelte und nicht einmal der erste, nein der schlechte dritte Aufguss der Argumentation der internationalen Atommafia war: Die längst widerlegte Behauptung dass industrielle Modernisierungen maximale Steigerung des Energieverbrauchs bedeute, die idiotische These, daß Atomkraftwerke rentabel seien, ja billiger als konventionelle Kraftwerke und dergleichen Zeugs. Kühn zog er daraus den Schluß, daß die Energielücke der DDR mit Atomstrom gefüllt werden müßte und bekam von den Fachleuten des Runden Tisches eine deftige Abfuhr.
Wir ahnten aber damals, daß Steinberg unverdrossen seine alten Kamellen demnächst andernorts auftischen würde. Und in der Tat, die Regierungsparteien machten eben diesen Steinberg ausgerechnet zum Minister für Umweltschutz und Reaktorsicherheit. Daß damit die Weichen für den Import westdeutscher Atomkraftwerke und eine gigantische Fehlinvestition auf dem Energiesektor gestellt sind, sahen wir schon. Immerhin gab es einen Trost: Der stellvertretende Umweltminister ist Dr. Michael Succow, LDP, ein Landschaftsökologe, der sich nach der „Wende“ rasch als Umweltpolitiker einen Namen gemacht hatte. Er hatte zusammen mit einem engagierten neueingestellten Mitarbeiterstab vorbildliche Strukturvorschläge für das neue Umweltministerium erarbeitet. Die Ökologisierung der Landwirtschaft, das Einrichten einer Umweltpolizei sowie die Übernahme von militärisch genutzten Flächen für eine ökologisch bestimmte Landnutzung waren Ziele, die er sich gestellt hatte. Noch in den letzten Tagen hatte er dafür gesorgt, dass jahrzehntelange Defizite bei der Sicherung naturnaher Erholungslandschaften durch Einrichtung von Biosphrenreservaten, Naturparks und Landschaftsschutzgebieten teilweise ausgeglichen wurden.
Anstoss zu Succows Sturz gab unserer Information nach ein Biosphärenreservat in der Uckermarck. Während Succow schon eine UNESCO-Finanzierung organisiert hatte, will der Betonflügel des Umweltministeriums eben dort ein Devisenhotel installieren. Zum Eklat kam es dann auf dem 20. Deutschen Naturschutztag vom 24. bis 28. 4. in Bad Reichenhall. Succow wollte dort zum ökologischen Landbau und zur Situation der Umwelt in der DDR sprechen. Per Telegramm an die Veranstalter erhielt Succow vom DDR-Umweltministerium Redeverbot. Die Intrige soll von einem gewissen Herrn Pickert, Staatssekretär für Umwelt, betrieben worden sein. Das CDU-Mitglied hatte bereits in Jena jahrelang die Gründung der IG Stadtökologie verhindert. Pickert, wird berichtet, sei selbst unfähig, habe aber in hohem Grade die bürokratische Tugend entwickelt, die Schwächen anderer auszunutzen.
Im Umweltministerium heisst es unter der Hand, Succow sei einfach zu engagiert gewesen und daher politisch nicht tragbar. Offiziell ist er noch bis zum 15. Mai im Amt und scheidet in gegenseitigem Einvernehmen. Er war loyal und einfältig genug, auch noch das leidige „gesundheitliche Befinden“ als Grund anzuführen. Abgelehnt hat er übrigens die Stelle eines Unterabteilungsleiters im Umweltministerium.