aus telegraph 9/1990, von Herbert Mißlitz
Wenn wir uns die Schlagzeilen zum Thema „Militär“ der letzten Wochen anschauen, so wird mindestens eines deutlich: hohe Militärangehörige sowie sogenannte zivile Beschäftigte im Staatsdienst wollen uns eine neue „ganz andere“ Ära des Militarismus aufschwatzen. Schlagzeilen wie z.B. „Westliche Bündnisse – Pfeiler der Sicherheit“ oder „Eppelmann für Beibehaltung der Wehrpflicht als Ausdruck der Demokratie“ oder „Neues Konzept für die Vorne-Verteidigung“ oder „Gesamtdeutschland muss in die NATO“ sind jetzt auf der Tagesordnung und dies im Kontext der Schlagzeile „Auf dem Weg nach Deutschland“! Deutschland steht scheinbar im Mittelpunkt des Weltgeschehens und dies ja nicht zum ersten Mal!
Und um das Prädikat DEUTSCHLAND sauber zu halten, fließen dann schon mal Themen wie z.B. der Waffenhandel den Bach herunter. Statt dessen heißt es „Bekenntnis zur Wehrpflicht – Absage an Neutralität“. Der Bundesverteidigungsminister Stoltenberg warnt vor einem Wiederaufleben der Neutralitätsdiskussion in der Bundesrepublik.
Wir warnen vor einer Neutralitätsdiskussion in beiden deutschen Staaten – denn unsere Position ist nicht neutral gegenüber dem verbrecherischen Waffenhandel; denn: „DEUTSCHE WAFFEN UND DEUTSCHES GELD MORDEN MIT IN ALLER WELT“!!!
Entmilitarisierung erfordert nicht nur den Abbau der Armee, nicht nur die Konversion der Rüstungsbetriebe, sondern gerade auch die Umprofilierung der gesamten Wirtschaft!
Auch wenn die Lösung der vielen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, in absehbarer Zeit unmöglich scheint, so haben wir jetzt und heute die Chance, diesen Komplex aufzuweichen, haben wir die Chance, eine riesige Portion Sand in dieses Getriebe zu werfen!!
Wer heute an der Wehrpflicht in beiden deutschen Staaten festhält, verpflichtet uns für Grossdeutschland, verpflichtet uns – bewusst oder unbewusst – zu Teilhabern an den Verbrechen der Profitgeier!! Aber auch ein Berufsheer ist mindestens ebenso gefährlich! Denn wessen Interessen soll es vertreten?
Für unsere Zukunft brauchen wir keine Wehrpflicht und auch kein Berufsheer, sondern das Recht auf Verteidigung unserer Lebensinteressen das Recht auf Verteidigung gegen die Ausplünderung z.B. der „Dritten Welt“ mit Hilfe von deutschen Waffen und deutschem Geld!
Das Recht auf Verteidigung gegen die Macht der Konzerne, die eine weitere Militarisierung zum Scheffeln von Profit brauchen!
Das Recht auf Verteidigung der radikalen Entmilitarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche!
Und deshalb rufen wir alle Rekruten und Berufssoldaten auf: Boykottiert die Wehrpflicht und nehmt Euer Recht auf Verteidigung wahr!
Macht die NVA zur aktiven Friedensbewegung, deren einziger Verteidigungsauftrag nur die radikale, organisierte Entmilitarisierung sein darf!
Ein solcher Verteidigungsauftrag ist revolutionär und entspricht im hohem Masse unserer Verantwortung gerade als Deutsche!
Gehen wir in die Offensive gegen alle Pläne, das NATO-Bündnis als Garanten für ein Sicherheitssystem in Europa zu installieren!
Wir lassen uns nicht im Sandkasten des Militärs hin und her schieben!
Machen wir uns auf den Weg, mobilisieren wir eine breite Basis, daß heute von deutschem Boden übergreifende Impulse für Emanzipation, Solidarität und Entmilitarisierung ausgehen!