aus telegraph 9/1990
Am 26.4.90 fand im WKK (Wehrkreiskommando, d.Red) Weimar ein erstes Pressegespräch statt, wo Oberst G. Enderlein, Leiter des WKK, einlud. Schlicht und ergreifend wollte er mit diesem Gespräch die Presse sachkundig machen, damit sie, nach seinen Vorstellungen, den Wehr- und Zivildienst „unkritisch und sauber“ darstellen soll.
Er und seine Kollegen (in Zivil) verrieten uns gleich zu Beginn, dass die Wehr- und Dienstmotivation in Armee und Volk am Boden ist und für die NVA ein neues „Dienstmotiv“ gefunden werden muss, ja der „Sinn des Soldatseins muss breiter ausgelegt werden. Des Weiteren hofft der Oberst auf die Zeit, in der wieder „mehr Recht und Gesetz“ im Land herrscht, um starke Partner zu finden. Zweifellos ging der Armee durch die Umgestaltung der GST wichtige Vorarbeit verloren (Führerschein, Fallschirmspringer, Taucher…). Auch die vormilitärische Ausbildung war ein wichtiger Pfeiler! Partner sucht man aber auch in den Parteien der Stadt. Anscheinend fühlen sich die Militärs etwas im Abseits.
So dann auch die (Un)sinnserklärung für die Armee, denn der weitere Bestand ist schon damit zu rechtfertigen, dass die über 40 Jahre Friedenserhaltung (wessen Friede, d.Säzzer) auch Verdienst der NVA sind und das ist international anerkannt. Zum anderen wäre es so, dass eine völlige Auflösung der NVA etwa 10 Jahre dauern würde, in Anbetracht der vielen kostspieligen Technik und der Masse an Munition. Kurz und erschütternd, es geht, so wörtlich, „darum, den Bestand der Armee zu sichern“, daraus ergibt sich, dass die „Armee vom ganzen Volk getragen werden muss, und nicht vom Halbem!“. Dies würde der Name „Volksarmee“ ja besagen. Das heißt eindeutig, keine Entmilitarisierung und keine Abschaffung der Wehrpflicht! Interessant auch die Aussage, dass durch Mangel an Unteroffizieren (Dienstzeit 2 Jahre), einige Soldaten im Grundwehrdienst nach Abschluss der 12monatigen Dienstpflicht soweit qualifiziert sein sollen, dass sie diese Aufgabe übernehmen sollen. Ach ja – im Übrigen sind 12 Monate Wehrdienst nicht mit 12 Monaten Vorbereitung um in das Feld zu ziehen. So die drei Militärs.
Der Wolf im Schafspelz gab noch zu verstehen, dass das WKK früher schon immer versucht hat, soziale Härten von den jungen Wehrpflichtigen zu nehmen, aber man sei auch Gesetzen verpflichtet!
Brotlos sahen sich die drei Militärs in Anbetracht der Zukunftsaussichten wahrlich nicht, denn „NATO und Warschauer Pakt haben sich in Gedanken schon sehr angenähert“ und der Name von Herrn Wörtner wurde mehr als einmal ohne bitteren Beigeschmack genannt. Mich jagte ein kalter Schauer nach dem anderen, als man dann noch sagte, dass aus den bisherigen militärischen Verpflichtungen politische werden müssten. Nun, ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber dies ist seit längerem Wörners Meinung und der symbolisiert für mich nicht gerade den Friedensengel. Das die Militärs bei diesen „politischen Verpflichtungen“ höchstwahrscheinlich nicht ihre Uniform und ihr militärisches Denken ablegen brauchen, ist wohl jedem klar.
Kurz stellten sie dann noch den neugegründeten „Verband der Berufssoldaten“ vor, welcher als Grundanliegen soziale und rechtliche Interessenvertretung der Berufssoldaten hat. Durch ihn soll das Zusammengehörigkeitsgefühl (das Wort „Soldatenkameradschaft“ fiel) wiederhergestellt werden. Ich glaube, auch das spricht für sich!