Mit diesem Heft haltet ihr die Einhundertste Ausgabe des telegraph in der Hand, was vor zehn Jahren sicher kaum jemand geglaubt hätte.
In dieser Zeit hat sich natürlich viel verändert. Eine der wichtigsten Veränderungen ist die wachsende Zahl von Flüchtlingen in unserem Land. War es früher so, dass man von hier fliehen wollte, und nicht rausgelassen wurde, will man heute hierher und wird nicht reingelassen. Galt man früher nach erfolgreicher Flucht im Westen als Held, bzw. auf jeden Fall als unterstützungswürdig, ist man heute nach erfolgreicher Überwindung der Grenze oft ein Krimineller, der im Verborgenen leben muss. Flucht und Migration bleibt also für uns Ostdeutsche ein Thema, allerdings mit anderem Vorzeichen.
Es ist wahrscheinlich unnötig, an dieser Stelle die Hetze zu widerlegen, die von rechts gegen die „Asylantenflut“ und den „Menschenhandel“, der mit der Fluchthilfe verbunden sein soll, entfaltet wird. Auch dass es zahlreiche linke und liberale Initiativen gibt, die versuchen, etwas dagegen zu setzen, ist bekannt. Die von ihnen erhobenen Forderungen, wie „Bleiberecht für alle, jetzt sofort!“, sind ebenfalls bekannt und bleiben seit Jahren eher abstrakt. Die Positionen sind klar – die konkrete antirassistische Arbeit ist oft eine Flüchtlingspolitik ohne Flüchtlinge. Aus diesem Grund haben wir in dieser Ausgabe eng mit der Gruppe Kahina zusammengearbeitet, die sich seit Jahren in Leipzig in der Flüchtlingsarbeit engagiert. Weitere Hilfe kam von der Forschungsgesellschaft für Flucht und Migration (FFM) aus Berlin.
Es ist ein Heft entstanden, dass sich von den üblichen Prospekten zum Thema in verschiedener Hinsicht unterscheidet. In „Perspektiven von Flüchtlingsberatung und Antirassismus im Osten“ werden die üblichen Positionen hinterfragt. Auch „DDR und Flüchtlinge – Kein Asyl nirgends? “ liefert streitbare Thesen über die Bedeutung des Bürgerlichen Gesetzbuches für Migrantinnen. In zwei Interviews kommen Flüchtlinge selbst zu Wort. Darüber hinaus gibt es einen umfangreichen Artikel über Mexikos Linke, zwei Buchbesprechungen und einen Artikel zum Umgang mit der Natur im Osten.
Aufgrund der unerwartet vielen Beiträge ist das Heft dicker geworden, als wir es ursprünglich geplant hatten. Wir bringen es daher als Doppelnummer heraus und möchten uns an dieser Stelle auch noch einmal bei der Stiftung „Nord-Süd-Brücken“ bedanken, für ihre großzügige Förderung dieses Heftes.
Bis zum nächsten Heft Eure telegraph Redaktion
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