Kultur

Sapeurs – Overdressing als antikoloniale Haltung

Von Jürgen Schneider

In Brazzaville (Republik Kongo) und Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) gibt es Tausende von Männern, die sich zu den Sapeurs zählen. Mit der Ausweitung der kongolesischen Diaspora hat sich auch die Dandy-Subkultur der Sapeurs ausgebreitet und ist auch in europäischen Hauptstädten zu finden, etwa in London, Brüssel und Paris. Sapeurs stammen meist aus armen Verhältnissen, kleiden sich aber ultrachic, am liebsten mit einer eigenwilligen Kombination teurer Designerkleidung. Anzüge von Yves Saint Laurent, von Gaultier und Armani sind ebenso gefragt wie die Produkte der japanischen Modemacher Kenzo und Yamamoto. Imitate gelten als Blasphemie, es herrscht strikte Originalpflicht. Sapeurs wohnen zumeist in schäbigen Hütten, halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, geben aber ein Vermögen für ihre Designerklamotten aus. In dieser Irrationalität besteht für sie die Würde und Unabhängigkeit, die sie sich auch unter den widrigsten Umständen bewahren: »Ihr habt uns kolonisiert, aber wir kleiden uns besser als ihr.« 2014 posierten Sapeurs für eine Werbespot der Dubliner Bierbrauerei Guinness. Die Botschaft der prostmodernen, floskelbewehrten Dunkelbierpromotionsfuzzis lautete: »In life, you cannot always choose what you do, but you can always choose who you are.«

Die Geschichte der Sapeurs lässt sich bis ins 19. Jahrhundert und in die Zeit der französischen Kolonisierung des Kongobeckens zurückverfolgen. Einige Kolonialherren entlohnten ihre Diener mit getragener Kleidung, und die Diener flanierten gerne sonntags in diesen Kleidungsstücken aus Europa.  Das Phänomen Sapeurs breitete sich in den 1920-er- und 30-er Jahren unter in Paris lebenden Kongolesen aus. Als Begründer der Bewegung gilt der antikoloniale Aktivist Grenard André Matsoua (1899-1942), der nach einem längeren Aufenthalt in Europa in einem eleganten westlichen Anzug zurückkehrte und einen neuen Kleidungsstil samt entsprechenden Tugenden propagierte. Nach der Unabhängigkeit des Kongo von Belgien reisten viele Kongolesen nach Paris und kehrten nach der neuesten Mode gekleidet nachhause zurück. In den 1970-er Jahren warb der 2016 verstorbene »König des kongolesischen Rumba«, Papa Wemba, aus der Demokratischen Republik Kongo (damals: Zaire) für die Sapeur-Idee und es kam zur Gründung von SAPE (Société des Ambianceurs et des Personnes Èlégantes; dt.: Gesellschaft der Unterhalter und eleganten Menschen). Der Herrscher von Zaire, Mobutu, hatte westliche Kleidung verboten.

La SAPE war lange eine reine Männerangelegenheit. Seit ein paar Jahren gibt es jedoch in Brazzaville Frauen, die der Bewegung folgen. Sapeuses nennen sie sich, tragen Männerkleider und haben sich in einer Vereinigung organisiert, die den Namen Association des femmes féminines du Congo trägt. Die Assoziation wurde 2015 gegründet und umfasst rund hundert Sapeuses. Die Sapeuses seien eine Herausforderung für die kongolesische patriarchalische Gesellschaft, und durch die Rückkehr zu den Ursprüngen von La SAPE werde die Machtdynamik umgekehrt, lautet das Urteil des Fotografen Tariq Zaidi, der auf beiden Seiten des Kongo-Flusses die stolzen, topchic gekleideten Sapeurs und Sapeuses in ihrer ärmlichen Umgebung abgelichtet hat. Die Fotos lassen sich in seinem Bildband SAPEURS – Ladies and Gentlemen of the Congo bewundern (Heidelberg u. Berlin: Kehrer Verlag, 2020, 176 S., 121 Farbabb., 35,00 Euro). Alle Fotos in dieser Würdigung sind diesem Fotoband entnommen.

Fotos: Copyright Kehrer Verlag