Politik

Lang lebe die Niederlage des Nazifaschismus

Von Bini Adamczak

Gedenkstätte Buchenwald, Mahnmal, Winter Zentralbild Deutsche Demokratische Republik 17.3.1970. Wikimedia, Bundesarchiv, CC-BY-SA 3.0

Seit der Faschismus sich einmal der Welt bekannt gemacht hat, war er für keine Überraschung mehr gut. Selbst seine weltweite Rückkehr kam nicht unerwartet. Ebenso wenig wie die kapitalistische Krise, von der sie sich nährte. Wehret den Anfängen, diese Parole ist nicht erst vor 5, nicht erst vor 30 Jahren ausgegeben worden. Sondern vor 75 Jahren. Seit seinem Ende hat der Nazismus, hat der Faschismus, haben seine Fortführer und Wiedergänger nicht aufgehört anzufangen. Mal an den Rändern, dann in der Mitte der Gesellschaft, mal im Untergrund, dann an der Oberfläche, mal an den Stammtischen und in Hinterzimmern, dann in Polizei, Militär und Parlament. Nicht immer trägt der Faschismus die Maske des Ewiggestrigen, nicht immer ist er gleich zu erkennen. Doch am Ende des Tages hat er für Verwunderung gesorgt. Er bleibt bei jedem neuen Thema doch der alte. Das gilt für die Klima-Katastrophe wie für die Corona-Krise. Die Anhängerinnen des Faschismus leugnen so lange sie können. Dann bekennen sie sich offen: zur Zerstörung der Natur wie zum Sterbenlassen der Schwachen. Egal welche Antworten auf neue Fragen sich geben lassen – zielsicher wählt der Faschismus unter allen möglichen die schlechteste. Dagegen haben sich die Antifaschistinnen verschworen. Gegen die Fortdauer wie die Wiederholung des Faschismus im Allgemeinen, des deutschen Faschismus, des Nazifaschismus im Besonderen – vom Anfang seines Endes an. Der Schwur von Buchenwald datiert vom 19. April, 19 Tage vor der Kapitulation Deutschlands, 11 Tage vor dem Selbstmord seines Führers. Der Schwur beginnt mit der Ehrung der 51 000 in Buchenwald Ermordeten. Er fährt fort mit der Anklage durch die Hinterbliebenen. Dann mit der Bezeugung der ohnmächtigen Wut der lebend Gebliebenen. Und noch vor den Dank an die alliierten Freiheitsarmeen setzt er die rächende Hoffnung: „Wenn uns eins am Leben hielt, dann war es der Gedanke: Es kommt der Tag der Rache!“ Am Ende steht das Versprechen: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!“ Dieser Tag ist nicht gekommen. Der vorletzte Schuldige stand nicht vor den Richtern, er schlief ungerichtet ein. Der letzte Schuldige steht noch nicht vor Gericht. Die Anklagen laufen. Das Unrecht ist nicht gerächt. Weder juristisch noch politisch noch ökonomisch. „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung“, so schließt der Schwur von Buchenwald. „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Wir leben – 75 Jahre später – nicht in dieser neuen Welt. Sondern noch in jener alten von Krieg und Herrschaft. Der Nazismus wurde besiegt, nicht vernichtet für alle Zeit. Die gesellschaftlichen Wurzeln des Nazismus sind nicht gezogen: Immer wieder noch nicht nie wieder. 8. Mai 2020. Lang lebe die Niederlage des Nazifaschismus!

Bini Adamczak (* 21. Dezember 1979) ist eine politische Autorin zu Themen Kommunismus und queere Sexualität.