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„ICH FÜR MEINEN TEIL BIN MIT DEN ANTIDEUTSCHEN FERTIG“

Robert Kurz und die Antideutsche Ideologie 

Dietmar Wolf

(Aus telegraph #110 / 2004)

Spätestens seit den großen Demonstrationen gegen den Afghanistan- und gegen den Irak-Krieg kennt man sie: so genannte „Antideutsche“ mit Israel- und USA-Fahnen. Kriegsgegner beschimpfen sie als „organisierten faschistischen Mob“. Ihre Parolen lauten „Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder!“ oder „Deutschland denken heißt Auschwitz denken“. Gegenüber politisierenden Schülern predigen sie Parolen wie „Coole Kids tragen keine Palitücher“.

Sie stehen in der ideologischen und teilweise personellen Kontinuität der antinationalen Linken, die nach dem Zusammenbruch des Realexistierenden Sozialismus und der Einverleibung der DDR durch die BRD den Auftakt für eine neue Ära der imperialistischen und nationalistischen Machtpolitik sahen. 1991, schon damals nur eine Minderheit innerhalb der deutschen Linken, begrüßten und verteidigten sie den zweiten Golfkrieg. Ihre Kampagne „Keine Träne für Dresden“ und der positive Bezug auf „Bomber Harris“ und den Britischen Bombenterror gegen die Stadt 1945 erregten schon damals die Gemüter. Innerhalb der verwirrten Linken und der Friedensbewegung wurde das schon damals sehr konträr diskutiert.

Während des Afghanistan- und des dritten Golfkriegs 2003 dann entdeckten sie in der US-Armee und ihren Vasallen die Anti-Hitler-Koalition des Zweiten Weltkriegs wieder und feierten deren vermeintlichen „Sieg“ als „ersten antifaschistischen Waffengang im neuen Jahrhundert“. Besonders innerhalb der Antifa grassiert der Antideutsche Virus. Die Antifa, nach dem fast völligen Zusammenbruch der autonomen- und linksradikalen Szene, eine der letzten noch halbwegs funktionierenden Strukturen, zeigt sich besonders anfällig für die Ideologie der Antideutschen. Ihr traditionell sehr junges Potential nutzt offensichtlich Antideutsche Themen bewusst zur Abgrenzung gegen das linke oder linksliberale Elternhaus aber auch gegen das traditionelle autonome und linksradikale Politikverständnis. Die neue Politgeneration positioniert sich anti-autonom, und prokapitalistisch.

Dieser bisher noch relativ kleinen, aber lautstarken, bisweilen hysterischen Gruppierung stehen große Teile der Linken völlig rat- und verständnislos gegenüber: „…die haben doch einen Sockenschuss…“. Dieser Rat- und Verständnislosigkeit will nun Robert Kurz, Redakteur und Mitherausgeber der Theoriezeitschrift „Krisis“ mit seinem 2003 erschienenen Buch DIE ANTIDEUTSCHE IDEOLOGIE abhelfen. Auf über 300 Seiten widmet sich Kurz einer Gruppierung, die nach vorsichtigen Schätzungen bundesweit maximal 300 bis 400 Menschen auf die Beine bringen kann.

Zunächst teilt er die deutsche linksradikale Szene in drei Teile. Da sind zum einen Die Antideutschen, ein „besonders lautstarkes Segment“ (S. 7) der an sonst paralysierten Restlinken, womit wir schon den zweiten Teil hätten. Als dritter Teil wäre dann die Antiimps, die jedoch „…um keinen Deut besser …“ sind. „Die falsche Polarisierung zwischen `Antideutschen´ und `Antiimperialisten´ zeigt nur das Ausmaß der linken Ratlosigkeit an; es handelt sich um keine akzeptable Alternative, sondern um den Gegensatz zweier Verwahrlosungsformen des traditionellen linksradikalen Bewusstseins…“ (S. 7).

Zugleich stellt er jedoch fest, „… dass die antideutsche Ideologie sich weit über die Größenordnung ihrer Szene hinaus publizistische Positionen verschafft hat. Ihr redaktioneller Einfluss in einem Großteil der linksradikalen Presse der BRD (um Roß und Reiter zu nennen: bei den Zeitungen und Zeitschriften »Jungle World«, »Konkret«, »iz3w« und »Phase2«) steht offensichtlich in keinem Verhältnis zur wirklichen Zahl ihrer Anhänger. Mit anderen Worten: Der größere Teil der radikalen Restlinken lässt sich gegen sein Selbstverständnis von den publizistischen Platzhaltern der antideutschen Strömung auf der Nase herumtanzen…“ (Seite 8). Und tatsächlich ist es so, dass sich derzeit einige der auflagenstärksten linken Zeitschriften wie »Jungle World« oder »Konkret« in „antideutscher“ Hand befinden oder von ihnen entscheidend beeinflusst werden. Somit ist es gegenwärtig fast unmöglich, dort einen USA- oder Israelkritischen Artikel zu lesen.

Das Buch scheint in erster Linie eine persönliche Abrechnung mit einer Szene zu sein, die Robert Kurz bis vor einiger Zeit selbst ideologisch beeinflusste und es zum Teil noch immer tut. Robert Kurz lässt durch den herausgebenden Unrast-Verlag in Werbetexten und im Buchdeckel wissen, dass er „…im Zuge der Auseinandersetzungen um den 11. September und den Irakkrieg…“ seine „…Mitarbeit bei »Jungle World«, »Konkret«, »iz3w« und »Phase 2« …“ aufkündigte. Jene also, die er in seinem Vorwort als genau die Zeitungen und Zeitschriften enttarnt, mit denen die Antideutsche Szene der radikalen Restlinken auf der Nase rumtanzt…“ Also nur verletzte Eitelkeit? Öffentliche Abrechnung mit abtrünnigen Kindern, die ihrem Meister nicht mehr folgen wollen, sondern eigene, noch extremere Wege eingeschlagen haben?

Kurz ist nach eigenen Angaben und auf dem Buchdeckel nachlesbar Herausgeber und Redakteur der Theoriezeitschrift „Krisis“, mit der er über Jahre hinweg Einfluss auf die Antideutsche Szene hatte. In Vergessenheit geraten ist mittlerweile, dass einer der Lieblingsbegriffe der Antideutschen Szene, der Begriff des „strukturellen Antisemitismus“ 1 zuvor von Robert Kurz und der Krisis-Gruppe in Umlauf gebracht wurde.2 Damit konnte jede Form von Kritik und Diskussion über den Kapitalismus, als „strukturell antisemitisch“ erklärt werden. Diese Krisis-Gruppe steht der Gruppierung um die Antideutsche Zeitschrift Bahamas unversöhnlich gegenüber. Bestand laut Kurz anfänglich die Hoffnung, dass sich zwischen den beiden Strömungen, deren verschiedene Ansätze sich ursprünglich in einer „embryonalen Entwicklung“ (S. 20) befanden, so etwas wie eine konstruktive Diskussion herausbildet, war jedoch das Gegenteil der Fall. „Was zustande kam, war nichts als ein fruchtloser, sporadischer und äußerst beschränkter Schlagabtausch, eine reine Abgrenzungspolemik, in der sich die Differenz der Ausgangspositionen eher verhärtete, als das sie aufgelöst worden wäre.“ (Seite 20). In Folge dieser Differenzen wurde die Auseinandersetzung, laut Kurz, seitens der Bahamas –Gruppe „von vorneherein und zunehmend in einer gehässigen, identitätspolitischen, rein denunziatorischen Weise geführt“ (Seite 21). Dieser Dissens trat „in seiner ganzen Schroffheit schlagartig nach dem 11. September in Erscheinung. Die unübersehbare neue Dimension von Krise, Barbarei und kapitalistischen Weltordnungskriegen hat die beiden als `wertkritisch´ firmierenden Projekte (…) so unversöhnlich gespalten wie die Linke insgesamt“ (S. 21). Im Übrigen ist die permanente Bereitschaft zur Abspaltung mittlerweile ein Wesensmerkmal der Antideutschen. Als Beispiel wäre die Antideutsche Szene in Leipzig zu nennen. Mitte/Ende der 90er Jahre spaltete sich vom Bündnis gegen Rechts (BgR), das damals tatsächlich noch ein Bündnis war, eine Gruppe ab, die sich vortan „Antinationale Gruppe (ANG)“ nannte. Ihr Ziel war es, bestimmte Diskussionen aus der offenen Runde herauszulösen. Nach diversen personellen Veränderungen benannte man sich in „Antideutsch-Kommunistische Gruppe (AKG)“ um. Letztendlich spaltete sich die AKG im Sommer 2003 in zwei neue Gruppen auf, die jedoch aktuell, aufgrund ihrer tatsächlich geringen Größe, nur noch als Ein-zelpersonen agieren. Insgesamt dreht sich alles immer um ein halbes Dutzend Platzhirsche, die die sowieso sehr kleine Leipziger Szenerie dominieren. Besonders die subkulturelle Szene um das Conne Island wird von den Antideut-schen kontrolliert. Hier spielt keine Band, die sich „Antiamerikanisch“ oder „Antiisraelisch“ positioniert. Diese Zustände, wie zu besten K-Gruppen-Zeiten der 1970er Jahre, erinnern an den legendären Monty Phyton Film „Das Leben des Brian“.

Ein Dilemma des Buches ist die bleierne Schwere der formulierten Sätze: „…Muss linke Theorie eigentlich immer wie Astronautenkost sein – alle Vitamine sind drin, aber kein Mensch kriegt die Pampe runter…“ 3 Hinzu kommt, dass Leute, die nicht aus der linksradikalen Szene kommen, Probleme haben, die Zusammenhänge zu verstehen. Robert Kurz hat damit sicher kein Buch für die normal gebildete Leserschaft geschrieben. Besonders die ersten beiden Abschnitte des Buches „Was Antideutsch ist“ und „Das Subjekt ist der Wert“ leiden unter den beschriebenen Problemen. Und wer hofft zu erfahren, wer die Antideutschen sind und wo sie herkommen, wird leider nur unbefriedigend bedient. Zwar widmet sich Kurz in seinem ersten Buchteil auf 132 Seiten lang und breit und vor allem schwer intellektuell diesem Thema, aber wer denn nun die Antideutschen sind und wie sie entstanden, kommt so dröge und uneindeutig rüber, dass man nur wenig damit anfangen kann.

Auch der inflationär benutzte Begriff des „Arbeiterbewegungsmarxismus“ und der damit verbundene Versuch diesen den Antideutschen anzudichten, bleibt unklar. Denn gerade das Gegenteil ist eher der Fall. So sieht es zurzeit offensichtlich so aus, dass ein großer Teil der Antideutschen die Arbeiterbewegungen oder Proletarier im klassischen Sinne ablehnt oder gar verachtet. Und das ist nur logisch, sind sie doch selbst kleinbürgerliche Wohlstandskids, die auf Pappis Kosten ihre Karriere vorbereiten. Nebenbei toben sie sich dann total P.C. und absolut Vegan durch den linksradikalen Politjungle. Eine Einschätzung, die auch von andere getroffen wird: „…Diese Leute hassen alles, was mit der Arbeiterbewegung zusammenhängt, und deswegen finden sich unter ihnen kaum Anhänger von traditionskommunistischen Parteien und Gruppen. Zuhauf gibt es dagegen Prosecco-Autonome, Antifa-KunststudentInnen und Schicki-Micki-Bolschewiken, für die Proletariat dasselbe wie Volksgemeinschaft ist, weil man sich in ihren Kreisen mit den niederen Ständen ohnedies nicht beschäftigen möchte.“ Und: „Was seit dem 11. September noch unter diesem Label firmiert, sind zum größten Teil größenwahnsinnige Spiritisten und Spintisierer, die aus Adorno einen Esoteriker gemacht haben und in den heutigen Moslems die Reinkarnation der Nazi-Deutschen sehen. Treffen sie sich zu ihren Séancen, beschwören sie in wirren Sprechgesängen eine Fortsetzung des Zweiten Weltkrieges, statt der Arier sollen nun die Araber bombardiert werden.“3

Einen weiteren Grund, warum gerade solche Leute auf Antideutsche Ideologien abfahren, liefert Kurz im Abschnitt „Warenkonsum als richtiges Leben (S. 181 f.) Nach Kurz propagieren die Antideutschen den westlichen „kulturindustriellen Massenkonsum“ und projizieren in diesen „die Leichtigkeit eines befreiten Seins“ hinein. „`Nein, noch gibt es keine andere Form des Reichtums (an Gütern wie an persönlicher Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen) als die kapitale´ (Redaktion Bahamas, Zur Verteidigung der Zivilisation, a.a.O.).“ Laut Kurz wird von den Antideutschen jede Kritik an kapitalistischen Reichtum als „konservativer Konsumverzicht“ denunziert. Und damit (schwarz-weiß) umgedreht. Sie verkaufen einen „Kommunismus“ der nichts weiter als eine „idealisierte bürgerliche Gesellschaft darstellt“ in der eine „revolutionäre Verallgemeinerung des Luxus“ stattfinden soll. Also „Hummer, Roastbeef und Klavier“ für alle.

Die Bahamas treibt, laut Kurz, den antideutschen Konsumkommunismus auf die Spitze: „`Es wird opulent den verfeinerten Genüssen nachgegangen werden. Das gilt besonders für die Fleischeslust und zwar in allen Varianten und dies nur ausnahmsweise zu Fortpflanzungszwecken, aber auch für den Konsum von Rauschartikeln aller Art, die nicht allein (!) der Steigerung der Arbeitskraft dienen´ (Redaktion Bahamas, Zur Verteidigung der Zivilisation, a.a.O.).“ Diese Phantasien treffen voll den Geschmack der oben aufgezählten antideutschen Jünger.

Nichtsdestotrotz lohnt es sich, dieses Buch in Angriff zu nehmen. Denn wenn man die beiden ersten Teile bewältigt hat und endlich auf Seite 211 angekommen ist, wird es erstaunlich interessant. Im dritten und letzten Abschnitt „Falsche Unmittelbarkeit“ setzt sich Kurz dann knapp 80 Seiten lang mit der Methodik der Antideutschen Ideologie auseinander. Kurz weiß hier einiges Interessantes über den politischen Überbau der Antideutschen Ideologie zu vermitteln.

Dreh- und Angelpunkt ist der Antisemitismus. Oder besser gesagt die Verwendung des Begriffes nach Bedarf. Das „Motto lautet: `Wer Antisemit ist, bestimmen wir.‘ Die zunehmend willkürliche identitätslogische Setzung hängt schließlich gar nicht mehr vom Inhalt der Aussage ab, sondern allein davon, ob eine Person, Gruppe, Zeitschrift, etc. die Antideutsche Ideologie gläubig akzeptiert oder nicht. Wer gesinnungslogisch `auf Linie´ ist, wird in Ruhe gelassen, sogar wenn er selber völkische, antisemitismuskompatible und rassistische Klischees in anderem Kontext benutzt (…); wer davon abweicht, wird als Nazi und Antisemit definiert und diffamiert“ (S. 280). Eng verbunden damit wird die historische Schuld der Deutschen. Die Stichworte sind Auschwitz und Nationalsozialismus. Daraus resultieren völlig abstruse Logiken: „Wenn 87% der Deutschen einer Meinung sind, dann muss man dagegen sein (Redaktion Bahamas, Nennen wir die Halunken ruhig beim Namen, in Bahamas 41, Berlin 2003, S. 31). (…) Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen den Krieg, was deutsche Mehrheiten denken ist immer abzulehnen, also muss man für den Krieg sein. Dass würde dann auch so gehen: Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen die Todesstrafe, deutsche Mehrheiten liegen steht’s schwer daneben, also müssen gute Antideutsche für die Todesstrafe sein“ (S. 280). Oder auch so: „Deutschland böse, also USA gut; Hitler gegen USA, Attac gegen USA, also GlobalisierungsgegnerInnen Nazis; USA gut, KriegsgegnerInnen Nazis, Krieg ist gleich antifaschistischer Kampf. (…) Nach dem Motto Nazis gegen Juden, Araber gegen Israel, also Araber gleich Nazis, wurde eine völlig ahistorische Gleichsetzung des Terrors islamistischer Gruppen gegen die israelische Bevölkerung mit dem planmäßigen Massenmord von Auschwitz und Treblinka betrieben, wobei die gesamte Bevölkerung arabischer Staaten als faschistisch eingestuft wird. Der unkritische Schulterschluss mit den rechtskonservativen Regierungen der USA und Israels hatte dann logischerweise zur Folge, dass israelische und die US-amerikanische Linke im „antideutschen“ Weltbild nicht vorkommen und dass Friedensdemonstranten in Washington und Tel Aviv als Handlanger einer faschistoiden Terrorzentrale erscheinen.“4

Schlussendlich wird der Staat Israel zum „metaphysischen Lückenbüßer.“ (S. 204) Alles was die Antideutschen sagen oder nicht sagen, tun oder nicht tun, rechtfertigen sie damit, „…dass es ja nur `um Israel´ gehe. Der Bezug auf Israel und die Kritik des Antisemitismus sollen jede Kritik an den fundamentalen theoretischen Fehlleistungen und denunziatorischen Schweinereien der Antideutschen abblocken und von vornherein in das Zwielicht des Antisemitismusverdachts rücken, der zur Allzweckwaffe der antideutschen Ideologen auch dort geworden ist, wo sie ihn an den Haaren herbeiziehen oder schlicht durch Lügen einschleusen müssen. Abgesehen davon, dass mit einem derartigen Vorgehen weder Israel geholfen noch dem Antisemitismus geschadet wird, ist der Kern des antideutschen Syndroms gerade durch den Bezug auf Israel aufzudecken. Es handelt sich um eine bestimmte Art der Identifikation, die nichts über Israel, aber viel über die Antideutschen aussagt.

Es geht den Antideutschen in Wahrheit nicht um Israel und den Nahostkonflikt, für den sie sich ebenso wenig interessieren wie für die wirklichen Verhältnisse in Afghanistan und anderswo. Gerade was den Nahen Osten angeht, gilt die allgemeine Wahrnehmungsweise der Antideutschen, dass es sich immer nur um ideologische Funktionen »deutscher« Verhältnisse handle, ganz besonders.“ (S. 204, 205)

Das Grundmuster der Antideutschen Ideologie wird schnell klar und plausibel. „Hervorgehend aus einem verkürzten deutschen Antifaschismus, will man den Nationalsozialismus …im Nachhinein noch phantasmatisch besiegen …“ (S. 28). An die Stelle einer realen Analyse tritt die Devise: „Deutschland steckt hinter allem“ und es „sei stets auf dem Sprung, über die Welt herzufallen“ (S. 28). Dieser ideologische Stillstand und die permanente Fixierung auf Deutschland aber ist anachronistisch. Denn die permanente historische und politische Fixierung auf Deutschland und den deutschen Faschismus widerspricht dem erklärten Bruch mit der deutschen Nation.

Letztendlich glaubt, oder besser hofft Kurz, dass sich die Antideutsche Linke irgendwann von selbst erledigen wird: „… Es ist nicht zu hoffen, dass die antideutsche Meute die gelegentlich geäußerte Absicht, sich von der nicht mehr für die Aufklärungsvernunft zu `rettenden´ Linken endgültig abzuwenden, jemals wahr machen würde. Müsste der antideutsche Sektenzusammenhang im eigenen Saft schmoren, würde er augenblicklich in sich zusammenfallen. Der ganze Impuls lebt überhaupt nicht aus Eigenem, sondern allein von der Negativfixierung auf die Linke und die sozialen Bewegungen. Wie aber die identitäre Fixierung eine ständige Steigerung der ideologischen Dosis verlangt, so die denunziatorische obstruktive Agitation eine ständige Steigerung der provokatorischen Intensität. Die Denunziation gebiert die Provokation, die Provokation gebiert die Eskalation. Die Prognose kann nur sein, dass die antideutsche »Indianerkommune« ihre Auftritte immer weiter zuspitzen und sich selber immer weiter überbieten wird, bis sie in einer Reihe spektakulärer Eklats platzt…“.

Robert Kurz: Die Antideutsche Ideologie
Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten, 307 Seiten, Preis: 16.00 Euro / 28.00 sfr

1 Robert Kurz: Politische Ökonomie des Antisemitismus – Die Verkleinbürgerung der Postmoderne und die Wiederkehr der Geldutopie von Silvio Gesell
2 „… Kurz verwendet in seinem Papier über Gesell den Begriff des strukturellen Antisemitismus, der sich in einer verkürzten Kapitalismuskritik auch von Leuten ausdrücke, die subjektiv jede Art von Antisemitismus von sich weisen würden. In diesen Zusammenhang werden in manchen Artikeln auch Positionen von Attac wie die Einführung der Tobin Steuer – das heißt eine Besteuerung von Finanztransaktionen zur Verringerung des spekulativen Handels auf den Finanzmärkten – als strukturell antisemitisch bezeichnet…“ aus: Franz Naetar – Welche politische Bedeutung hat der Antisemitismus heute?; Grundrisse, Zeitschrift für linke Theorie und Debatte
3 J. Elsässer, Astronautenkost, Junge Welt vom 07.11.2003
4 Robert Kurz analysiert die „antideutsche“ Ideologie, 
Analyse und Kritik Nr. 479

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