Kultur, Politik

Munitionsgipfel ohne Münzeinwurf

Von Jürgen Schneider

Der Schweizer Schriftsteller Robert Otto Walser (1878-1956) arbeitete von Juli bis Dezember 1903 als ›Gehülfe‹ des Ingenieurs Dubler in Wädenswil am Zürichsee. Seine Erfahrungen im Erfinderhaushalt hat Walser literarisch verarbeitet in seinem 1908 erschienenen Roman »Der Gehülfe«. Darin ist der Arbeitsplatz des Protagonisten Joseph das Bureau des technischen Erfinders Tobler, welches im Keller der Villa Abendstern liegt. Die Villa in Wädenswil am Zürichsee ist heute Sitz des Nimbus Verlages und Wohnsitz des Verlagsleiters und Walser-Experten, Bernhard Echte. Herr Tobler aus dem Roman hat u. a. erfunden: eine Reklame-Uhr, eine Tiefbohrmaschine, sowie einen nach Münzeinwurf ein Paket Patronen ausgebenden Schützenautomaten.

Wären die Politikanten der bundesdeutschen Ampelkoalition auch nur ein wenig literarisch gebildet, wären ihnen Walsers »Der Gehülfe« und der Toblersche Schützenautomat eingefallen. Stattdessen trafen sich am Montag hochrangige Berater von Wumms-Kanzler Olaf Scholz und Staatssekretäre verschiedener Bundesministerien zu einem »Munitionsgipfel«, weil es den bei ihren Auslandeinsätzen doch angeblich Brunnen bohrenden und Kinder streichelnden Bundeswehrsoldaten an Munition mangele. Die Gipfelteilnehmer sollten »nach Munition suchen«. Die deutschen Sucher wollen aber keinen Patronen ausgebenden Schützenautomaten aus dem Wilhelm-Tell-Land, sondern lassen sich lieber von deutschen Mordwerkzeugfabrikanten beliefern. Die geben sich allerdings nicht mit einem wenig gewinnversprechenden Münzeinwurf zufrieden. Winken nur Peanuts, knallen bei Rheinmetall & Co. keine Sektkorken.

 

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