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Gedenkkongress 2015 in Leipzig

NSU-Gedenken im Kontext bisheriger Gedenk- und Erinnerungspolitik nichtstaatlicher Gruppen an rechte Morde und Gewalttaten

Ein Bericht von Dietmar Wolf

Auftakt am Freitag

Auftaktveranstaltung am Freitag

Vom 11. bis 13. September 2015 fand in Leipzig Connewitz der Gedenkkongress 2015 statt. Unter dem Motto „NSU-Gedenken im Kontext bisheriger Gedenk- und Erinnerungspolitik nichtstaatlicher Gruppen an rechte Morde und Gewalttaten“ organisierten die beiden Initiativen „Rassismus tötet“ und „Pogrom 21“ ein umfangreiches, sehr vielfältiges, aber auch ausgesprochen eng getaktetes Veranstaltungsprogramm.

Nach einem etwas holprigen und leider nur wenig informativen Freitagabend, ging es für Frühaufsteher bereits um 8:30 Uhr richtig los.

Im Veranstaltungsort „Frauenkultur“ fand die Podiumsveranstaltung: „Institutionalisierung von Gedenken? Ist eine langfristige Erinnerungskultur möglich oder wird jedes Gedenken irgendwann zum inhaltsleeren Ritual?“ statt.

Samstag, 11 Uhr: Institutionalisierung von Gedenken?

Samstag, 11 Uhr: Institutionalisierung von Gedenken?

Auf dem Podium saßen VertreterInnen von „RE:GUBEN“, „Niemand ist Vergessen! Initiative in Gedenken an Dieter Eich“, „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B.“, „Initiative ‚Aktives Gedenken‘ (Silvio Meier)“ und der „Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân“. Diese Veranstaltung stellte sich die Fragen: „… Wie lange wollen oder können wir uns unserem Thema noch widmen? Welche Ziele können und wollten wir mit unserer Arbeit erreichen? Und müssen solche Fragen zum Thema Erinnerungs- und Gedenkpolitik überhaupt gestellt werden, denn schließlich soll sie doch auf langfristige Wirkung angelegt sein? Welchen Umgang gibt es mit der besonderen Herausforderung einer lebendigen Erinnerung zwischen regelmäßigem Gedenken einerseits und einer inhaltsleeren Ritualisierung andererseits?

Die Positionierung „Erinnern heißt Kämpfen“, also die Verbindung von Erinnerungsarbeit mit aktueller Politik in der Praxis, scheint eine mögliche Antwort auf diese Fragen zu sein. Wo sind die Grenzen eines solchen Ansatzes? Und besteht dabei die Gefahr, Ereignisse und Schicksale ungewollt zu instrumentalisieren? …“. In mehreren Runden gaben die PodiumsteilnehmerInnen darauf sehr viele gute Antworten und Denkansätze.

Zunächst stellt sich RE:GUBEN vor. Die Vertreterin erklärt, dass Initiative nur ein Jahr existierte. Die Mitglieder der Initiative waren alle 1999 in die Unterstützung der Überlebenden oder in die Prozessbeobachtung involviert. Sie hatten überlegt, was sie zum 15. Todestag machen können und das Projekt gegründet. Es war von an Anfang an auf ein Jahr konzipiert und stellte das Gedenken an Farid Guendoul und seinen Tod, die damalige und heutige Situation in der Stadt an der Oder ins Zentrum. Heute ist einzig die Website: http://www.re-guben.de/ aktiv.

Die AktivistInnen sind selbst gar nicht aus Guben und ihr Gedenken fand quasi aus dem Exil statt. Sie wirkten sozusagen unterstützend von außen. Gleichzeitig räumten sie ein, dass sie das Thema auch für sich politisch benutzt hatten. „…Wir wussten nicht was das Opfer wollte. Wir benutzten den Gedenkstein um auf das Thema aufmerksam zu machen und finden, dass das notwendig und richtig ist…“ In Guben gibt es schon seit einigen Jahren einen Gedenkstein. Der erste Gedenkstein wurde von der Antifa aufgestellt. Dieser wurde oft geschändet und zerstört. Die Stadt hat dann die Aufstellung eines neuen Gedenksteines einschließlich dessen Verwaltung und Pflege übernommen, wobei in diesem Zuge die Stadt auch den Text diktiert und damit den Inhalt entpolitisiert hat.

Die zweite Gruppe wurde als „Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân“, aus Hamburg vorgestellt. Diese befasst sich mit dem Gedenken an zwei vietnamesische Boatpeople, die in Hamburg lebten. Sie kamen in Folge eines rassistischen Brandanschlages, der im August 1980 auf eine Flüchtlingsunterkunft in der Halskestraße mit 240 BewohnerInnen verübt wurde, ums Leben. Die Initiative gründete sich im August 2014, organisierte seit dem zwei Kundgebungen und setzt sich für eine „…Umbenennung der Halskestraße und der dortigen Bushaltestelle nach den beiden Opfern sowie Installierung einer Gedenktafel,  die die Ereignisse dokumentiert und an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân erinnert …“ ein. Auch diese Initiative hat mit ziemlichen Problemen und Unwägbarkeiten zu tun. In dem Gebäude, in dem 1980 gut 240 Geflüchtete untergebracht worden waren, befindet sich heute ein Hotel der Amedia-Kette. Die Gedenktafel, die im August 2014 dort angebracht worden war, wurde mit den niedergelegten Blumen unmittelbar nach der Kundgebung durch Angestellte des Hotels entfernt. Die Stadt Hamburg hingegen versuchte die Initiative und damit auch die Lösung des „Problems“ hinauszuzögern bzw. mit fadenscheinigen Erklärungen abzuwenden. So sei eine Umbenennung der Halskestraße derzeit nicht möglich und eine angemessene Straße ohne Namen gäbe es aktuell in Hamburg nicht.

Auf die Frage des Moderators, ob ihr Gedenken nicht irgendwann auch inhaltsleer sein könnte, antwortete der Vertreter aus Hamburg, dass ihre Initiative diesbzüglich keine Befürchtungen hätte, weil sie ja das Gedenken selbst mit Inhalt füllen. Was das heißt, ließen sie jedoch offen. Für Interessierte: Die Website der Initiative findet man unter: https://inihalskestrasse.blackblogs.org/die-initiative/

Als drittes stellte sich die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B. vor. Dieser wurde am 5. April 2012 auf offener Straße, mitten in Neukölln, ermordet. Die Tat glich den Hinrichtungen der NSU.

Ein unbekannter weißer Mann geht gezielt auf eine Gruppe jugendlicher Migranten zu und feuert mehrere Schüsse auf sie ab. Danach verschwindet der Täter unerkannt. Der damals 22jährige Burak B. wird getroffen und stirbt, die Freunde Alex und Jamal werden schwer verletzt. Sie überleben, sind aber bis heute schwer traumatisiert. Es gab keinen Streit zwischen Opfern und Täter – alles geschah wortlos.

Der Täter wurde bisher nicht gefasst und ist bis heute unerkannt auf freiem Fuß. Die Initiative versteht sich nach eigenen Aussagen als eine Plattform „… in der sowohl Familie und Freundeskreis von Burak, antirassistische Gruppen, politische Künstlerinnen und Künstler, Aktivistinnen und Aktivisten aus verschiedenen Kollektiven und Zusammenhängen in Neukölln, Leute aus der Nachbarschaft und engagierte Personen die im Stadtteil leben, Personen aus der Jugendarbeit, der Opferberatung und der Recherche zu Neonazis – gemeinsam an einen Tisch kommen, um miteinander zu sprechen, sich zuzuhören und aktiv zu werden. …“

Auf die Frage des Moderators, die auch an die Initiative aus Hamburg ging, ob ihr Gedenken nicht irgendwann auch inhaltsleer sein könnte, antwortete der Vertreter aus Berlin ehrlicherweise: „…Man muss sich überwinden immer weiter zu machen. …“ Die Website der Initiative befindet sich unter: http://burak.blogsport.de

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Die AktivistInnen der Initiative gehen auf die Wünsche der Angehörigen ein. Diese hätten auch ein Recht darauf. Und wenn man gemeinsam mit den Angehörigen Politik mache, sei man stärker. Man sei eine emotionale Stärkung der Angehörigen. Ihnen ist wichtig, dass die „Betroffenen“ von rechter und rassistischer Gewalt keine Zahl sind, sondern konkrete Personen.

Die vierte Initiative die sich vorstellte, ist „Niemand ist Vergessen! Initiative in Gedenken an Dieter Eich“. Dieter Eich war ein Obdachloser, der in Berlin Buch von Neonazis aus „sozialchauvinistischen“ Gründen ermordet wurde. Die Initiative gibt es seit 2010 und sieht sich als Nachfolgegruppe einer früheren Initiative, die sich bereits 2001 um Dieter Eich gekümmert habe. Doch diese agierte wenig erfolgreich. Die AktivistInnen kannten die Person nicht richtig und hätten „…nicht einmal die Prozessakte besorgt…“. Und auch die lokale PDS (jetzt Die LINKE) wollte eigentlich nichts mit Dieter Eich zu tun haben. Deren VertreterInnen hätten damals die Position vertreten: „Na das war doch ein Säufer der mit Nazis rumgehangen hat.“

Die Initiative „Niemand ist Vergessen! Initiative in Gedenken an Dieter Eich“ organisiert alljährlich zum Todestag von Dieter Eich Gedenkveranstaltungen in Buch. Nach ihrer Auffassung trägt das alljährliche Gedenken an Dieter Eich die Erinnerung weiter und hält sie im Kiez aufrecht. Die Initiative hat ebenfalls eine Website: http://niemandistvergessen.blogsport.eu/

Obwohl sie sich erst seit 2010 mit Dieter Eich befassen, haben sie in geduldiger Kleinarbeit viele Bausteine aus dem Leben von Dieter Eich zusammen getragen. „Wir haben unsere Website nach hinten aufrecht erhalten“ und „wir haben die Wahrnehmung verändert von ‚Das waren Saufkumpels‘ zu `Dieter Eich ist ein Opfer rechter Gewalt.“ Neben dem direkten Gedenken an Dieter Eich thematisiert die Gruppe auch die Täter und ihre thematischen Ziehväter.  Ein Ziel sei es, dass diese nicht in der Anonymität verschwinden können, und dass sie für Ihre Tat eine angemessene Bestrafung erhalten. Denn Dieter Eich sei ein Mensch gewesen, der Träume und Hoffnungen hatte und die Faschisten haben diese weggenommen und zerstört. Hier geht es um ihre Motivation, am Thema dran zu bleiben.

Die fünfte und letzte Initiative, die vorgestellt wurde, ist die Initiative „Aktives Gedenken“ (Silvio Meier). Der Friedrichshainer DDR-Oppositionelle, Anarchist, Antifaschist und Hausbesetzer wurde am 21. November 1992 von einer Gruppe Neo-Nazis erstochen, nach dem er sie aufgefordert hatte, ihre aufgenähte faschistische Propaganda zu entfernen. Seither findet alljährlich die „Silvio-Meier-Demonstration“ mit vielen tausend TeilnehmerInnen und eine Gedenkmahnwache statt. Es gibt eine Ausstellung. 2012 wurde die Gabelsberger Straße in Berlin Friedrichshain offiziell in Silvio-Maier-Straße umbenannt. Dies ist im Wesentlichen ein Ergebnis der jahrelangen, unermüdlichen und beharrlichen Arbeit der Initiative „Aktives Gedenken“. Und das, obwohl diesem Ziel reichlich Widerstände, Unwägbarkeiten und auch Absurditäten im Wege standen. Sei es die Klage eines Straßenbewohners und Widerstände im Bezirksamt. Dies sind nur einige Teile aus einer Kette von Ereignissen, die sich um das Gedenken an Silvio Meier zutrugen. So wurde unter anderem von der BVG, nach der Sanierung des U-Bahnhofs Samariterstraße, „aus versehen“ vergessen, die Gedenktafel für Silvio Meier wieder anzubringen. Der anwesende Vertreter der Initiative kommentierte das so: „… Naja was soll man davon halten. …“.

Auch dieser Initiative waren die Meinungen und die Wünsche der Angehörigen und Freunde stets wichtig. Anfängliche Widerstände und Vorbehalte konnten ausgeräumt werden. „…Wir haben die Angehörigen in den Prozess rein gezwungen. Es gab da Differenzen und ein Teil wollte das gar nicht. Die Angehörigen mussten sich aber noch einmal mit dem Gedenken auseinandersetzen. Jetzt finden Sie die Straßenumbenennung ein würdigeres Andenken. Sie finden das gut und sagen: toll, dass ihr dran geblieben seid. …“.

Ähnlich wie RE:GUBEN am Anfang der Veranstaltung räumt auch der Vertreter dieser Initiative eigene politische Interessen ein. Man ist nicht nur selbstlos. „…Klar, für die Demonstration ist Silvio Meier nur ein Vehikel. Da geht es in erster Linie nicht um Gedenken. ..“ Für ihn war die Demonstration immer sehr wichtig. Denn „…ich bin damals als Jugendlicher durch die Demonstration politisiert worden. Das war mein Einstieg in das Thema. …“

Zum Schluss kam es noch zu einem kleinen Eklat. Zwei migrantische BesucherInnen der Veranstaltung beschwerten sich vehement und ausgesprochen empört darüber, dass es wieder einmal nur eine Veranstaltung von Bio-Deutschen sei und wie so oft niemand mit Migrationshintergrund auf dem Podium vertreten sei. Eine darauf gemachte flapsige Bemerkung aus dem Podium machte die Sache noch schlimmer. Ein Aktivist aus dem Publikum versuchte, die Wogen zu glätten und mäßigend auf die erregten Frauen einzugehen.

Dem Moderator war die Sache sichtlich peinlich und er versuchte zu erklären, dass es ihnen nicht gelungen sei, Menschen mit Migrationshintergrund für dieses Podium zu gewinnen. Man sehe das durchaus als Problem, hatte aber für diese Veranstaltung keine Lösung gefunden. Letztendlich konnte diese Diskussion mangels Zeit nicht weiter geführt werden.

 

NSU-Komplex auflösen

Um 15:15 Uhr stellte sich im „Conne Island“ das Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“ vor. In der Kongressankündigung hieß es dazu: „… Das Aktionsbündnis ‚NSU-Komplex auflösen’ ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Gruppen und Initiativen, welche sich mit der Aufarbeitung des NSU, der Erinnerung an die Opfer seiner Gewalttaten, der Begleitung der davon Betroffenen und der damit verbundenen Rolle von Staat und Gesellschaft auseinandersetzt. In den kommenden Monaten plant das Aktionsbündnis eine außergewöhnliche Form der Aufarbeitung: ein Tribunal ‚NSU-Komplex auflösen’. Auf der Veranstaltung erläutert eine Vertreterin von „NSU-Komplex auflösen“, was es mit dem Tribunal auf sich hat und wie man sich daran beteiligen kann. …“

Diese Veranstaltung war ausgesprochen interessant und bot Ansätze für eine kontroverse, wenn auch dem Zeitmangel geschuldet, kurze Diskussion. Zunächst wurde vom Aktionsbündnis festgestellt, dass schon bei der Demonstration 2006 in Kassel unter den betroffenen MigrantInnen klar war, dass der Mordanschlag von Nazis verübt wurde. Und das obwohl die staatlichen Ermittlungen zu diesem Zeitpunkt nur in Richtung „Dönermorde“ und „Bosporus“ gingen. Somit wurden die Rollen und Meinungen der MigrantInnen stets ignoriert und klein geredet. Selbst am Tag „X“, also dem Tag, an dem die Betroffenen der Kölner Keupstraße das erste mal im NSU Prozess in München aussagten, sei das so geschehen. Somit kommt das Aktionsbündnis auch zu der Erkenntnis, dass die Hinterbliebenen und Betroffenen, immer wenn sie über die ihnen zugewiesene Rolle hinaus aktiv werden, klein geredet und gestoppt werden.

Das Aktionsbündnis stellte weiterhin die These auf, dass der Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den NSU-Morden selbst Täter sei oder aber zu mindestens über Täterwissen verfüge. So hätte die betroffene Familie Yozgat aus Kassel von Anfang an diese Position vertreten. Und sie habe von Anfang an dafür gekämpft, dass diese „Tatsache“ öffentlich zur Kenntnis gelangt und anerkannt wird. Für sie stehe diese Tatsache im Raum. Sie werde aber nicht gehört. Die Gründe dafür, warum das so ist, machte das Aktionsbündnis an der Existenz von strukturellem Rassismus in der Gesellschaft fest.

Als Ergebnis der genannten negativen Erfahrungen migrantischer Betroffener, mit einer für sie nicht zufriedenstellenden staatlichen Form der Aufklärung des NSU-Komplexes, soll nun durch das Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“ ein Tribunal geschaffen werden, das den NSU-Komplex hinter Beate Tschäpe und den drei Personen sichtbar machen soll. Die Personen, Einrichtungen und Institutionen, die Teil des NSU-Komplexes sind, sollen offen und für jeden Menschen ersichtlich benannt werden. Außerdem soll das Strukturelle durch das Tribunal benannt und angeklagt werden, so die Institutionen, Organisationen und handelnden Personen. Des Weiteren soll das Tribunal eine Hörbarkeit der betroffenen MigrantInnen herstellen. Und letztendlich werde es eine Anklageschrift geben. Diese werde aber anders aussehen, als jene, die üblicherweise von Gerichten gemacht wird.

In einem zweiten Teil des Vortrages stellte das Aktionsbündnis die Struktur des Tribunals vor. Bei der Finanzierung werde es eine „No-Go-Fördermittel-Liste“ geben. Zum Beispiel wolle man von der Bundeszentrale Politische Bildung kein Geld beantragen, weil diese ausschließlich die staatliche Sicht und Position zum NSU vertrete. Als zweites Beispiel wurde die Friedrich Naumann Stiftung genannt. Denn diese würde auch Leute finanzieren, die den NSU verharmlosen.

Gegen Ende der Veranstaltung meldete sich eine Aktivistin aus dem Publikum zu Wort und äußerte vehemente Kritik an dem Tribunal. Hier werde, so wie das Konzept vorgestellt wurde, wiederum nur ein vorgefertigtes Konstrukt geschaffen, das die einzelnen Bedürfnisse und differenzierten Interessen der Betroffenen nicht berücksichtige. Es bestünden hier kaum mehr gestalterische Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen. Zuallererst hätten diese ins Boot geholt und nach ihren Bedürfnissen befragt werden müssen. Dieser Kritik widersprach die anwesende Vertreterin des Tribunals. Es gäbe intensiven Kontakt zu verschiedenen Betroffenen, die sich auch am Aufbau des Tribunals beteiligen würden. Das Aktionsbündnis befände sich gerade am Anfang, alles wäre noch im Entstehen und deshalb könne sich jeder intensiv einbringen und gestalten. Dies verband sie sogleich mit einem Appell an alle TeilnehmerInnen, sich weiter über das Tribunal zu informieren, das Aktionsbündnis zu sich in die Stadt einzuladen und es aktiv zu unterstützen. Eine Website gäbe es noch nicht, diese werde aber bald entstehen. Eine weitere Diskussions war aus Zeitmangel nicht möglich und die Veranstaltung wurde beendet.

 

Erinnerung & Gedenken im InternetUm 16 Uhr stellte die Antirassistische Initiative ARI Berlin und rechtesland.de in einem mit 15 Menschen fast überfüllten linXXnet ihre Projekte von Datenerfassung vor. In der Programmankündigung hieß es zu dieser Veranstaltung: „… Das Internet und insbesondere Soziale Medien wurden in den vergangenen Jahren immer wichtiger für die menschliche Kommunikation und den gegenseitigen Austausch von Informationen. Vor allem online werden Inhalte verbreitet, dokumentiert und gelesen. Mit einem Inputvortrag erläuterten die ARI Berlin und rechtesland.de, welche Möglichkeiten es für Erinnerungs- und Gedenkpolitik im Internet gibt – hierbei soll es vor allem um Datendarstellung und -erfassung gehen. Kann Erinnerungsarbeit in der virtuellen Welt dabei auch auf die Praxis Einfluss nehmen und wenn ja, wie? …“

Nach einer kurzen Einführung stellten sich die Initiativen selbst vor und erläuterten ihre Projekte.

Die Antirassistische Initiative (ARI) Berlin dokumentiert Gewalt gegen Flüchtlinge. Sie hat mittlerweile über 7.000 Einzelgeschehnisse dokumentiert. Diese sortiert sie nach Kategorien. Um das zu verdeutlichen hier ein Beispiel: Eine Kategorie wäre: Roma durch Polizei verletzt oder abgeschoben. Hierbei ist dann Polizei aber gleich eine extra Kategorie, die dann zu einer Schnittmenge gemacht wird. Die ARI möchte möglichst viele Zielgruppen erreichen. Ein Mittel ihre Arbeit visuell zu machen, ist die Erstellung von Karten. Durch Karten werden Zusammenhänge besser sichtbar und sie zeigen die Kontinuität auf.

Leider ist sie derzeit nicht in der Lage, schnell und aktuell valide Analysen zu machen. Es gibt immer wieder Anfragen, aber sie können Ihre Daten nicht schnell und aktuell genug eingeben und verarbeiten. Deshalb sind sie mit Aussagen vorsichtig. Außerdem gibt es zum Beispiel im Westen kaum Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt, weshalb es auch aus dem Westen sehr wenige Daten gibt. Dies macht eine Analyse sowie auch die Erstellung von Statistiken schwierig. Es gibt zwar Zusammenarbeit mit vielen anderen Initiativen, die aber nicht institutionalisiert sei. Auch bei der Zulieferung von Daten gibt es Probleme. Da der Schwerpunkt der ARI im Bereich Flüchtlinge liegt, muss immer wieder nachgefragt werden, ob es sich bei den gelieferten Daten und Informationen um Flüchtlinge handelt.

Auf eine Zwischenfrage aus dem Publikum, ob die ARI auch auf Daten des Bundes (Polizei, etc.) zurückgreife, antwortete dies mit ja. Diese seien aber mit ausgesprochener Vorsicht zu genießen und müssen stets sorgsam überprüft werden. Es gibt dort auch immer sehr viele Fehler, falsche Angaben, Zahlendreher usw.
Auf eine weitere Zwischenfrage, ob es die Dokumentation auch auf Englisch gäbe, musste der ARI-Vertreter einräumen, dass es die Dokumentation bisher nur auf Deutsch gäbe. Für andere Sprachen fehlt das Personal. Warum ist das denn wichtig für den Artikel?
In den weiteren Ausführungen erklärte ARI, dass Chroniken immer Erinnerungspolitik und nie wertfrei seien. Angehörige von Opfern sei es oft wichtig, dass dokumentiert wird. Deshalb werde oft um Worte & Formulierungen gerungen.

Die ARI hat ein großes Problem mit Kontinuität. Es gibt kaum jemanden, der bereit wäre, diese Arbeit zu leisten. Viele Leute gehen gern zu politischen Aktionen. Aber niemand will solch eine Arbeit machen. Aktuell erfassen lediglich zwei Frauen alle Daten und das seit ewigen Jahren. Wenn nur eine ausfallen wird, ist Schluss. Und zwar von heute auf morgen.

Die Plattform rechtesland.de sieht sich als Atlas zur extremen Rechten. Sie ist seit zwei Monaten offiziell mit einem ersten Release online. existiert aber bereits seit 2013. Der Atlas bietet Initiativen an, ihre Datensätze online zu stellen. Eine Visualisierung über Karten oder Diagramme ist möglich, eine Netzwerkanalyse auch. Man kann Daten über Punkte visualisieren. Es ist auch möglich, Daten übereinander zu legen. Der Atlas wird täglich aktualisiert. Es ist zum Beispiel möglich, eine Analyse über Schwerpunktkieze rechter Aktivitäten zu machen. Oder eine Übersicht von AnsprechpartnerInnen der Opferberatungsstellen zu zeigen. Der Atlas wäre auch in der Lage Suchanfragen wie Rechtes Land, Aufmärsche, Chronik, Antifagruppen, Gedenken, Gendenkorte oder wo sind die Brandanschläge? zu beantworten. Für die Recherche der ARI wäre der Atlas eine perfekte Plattform. rechtesland.de ist in der Lage über eine zeitliche Analyse, Aussagen machen zu können.

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Der Atlas sieht sich eigentlich nicht als Gedenkinitiative, stimmt aber der ARI bei der Chronikdefinition zu. Der Atlas verwendet auch Bundesdaten. Man habe aber derzeit keine Möglichkeit, diese nach zu recherchieren und auf Richtigkeit zu analysieren. Leider lässt sich das technisch auch nicht von den anderen Daten trennen. Der Atlas kann nach Bedarf und Anfrage, Daten an InteressentInnen weitergeben.

Leider gab es gerade bei der Präsentation des Atlas technische Probleme. Ein linXXnet ohne Jalousien, zu viel Sonne und ein tageslichtschwacher Beamer verhinderten klare Bilder. Auch ein notdürftig angebrachtes Transparent sorgte leider nicht für die nötige Dunkelheit. Da müsste die LINKS-Partei eventuell noch etwas nachjustieren.

Rechtes Land ist im Internet zu finden unter: http://www.rechtesland.de bzw. http://log.rechtesland.de

Gedenkkongress2015 Samstagabend

Großes Podium am Samstagabend

Am Samstagabend dann die große Abschlussveranstaltung im Conne Island. Im fast vollständig gefüllten Saal ging es ab etwa 20 Uhr um staatliches und nichtstaatliches Gedenken und Aufarbeitung des und – von der Erinnerungsarbeit zu den Konsequenzen und Schlussfolgerungen – zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Auf dem Podium nahmen Katharina König (LINKE Thüringen), Miro Jennerjahn (Grüne Sachsen), eine Vertreterin des Aktionsbündnisses „NSU-Komplex auflösen, und je ein Vertreter von „Rassismus tötet! Leipzig“ und der „Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân“ Platz.

In der interessanten und ausgesprochen gut moderierten Veranstaltung ging es, entgegen der Ankündigung, hauptsächlich um NSU, NSU-Prozess und NSU-Ausschüsse. Das Thema „Gedenken“ viel hier leider etwas herunter. Allerdings auf Grund der Podiumsbesetzung wohl so auch schon vorprogrammiert.

Etwas irritierend waren die wiederholten Versuche von Frau König, Thüringen und besonders die LINKE Thüringen in ein besonders sonniges Licht zu stellen und dies zusätzlich mit einem allgemeinen Sachsen-Bashing zu untermauern. Unsinnigerweise auch noch gegenüber Miro Jennerjahn, der als ehemaliger Abgeordneter der Grünen im sächsischen Landtag immer in der Opposition stand und nicht mit der rassistischen Politik der Landesregierung in Verbindung gebracht werden kann.

Doch kommen wir zum Inhalt der Veranstaltung. Zunächst ging es um den sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss. Der Moderator fragte Miro Jennerjahn nach seiner Meinung zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses Sachsen und warum Grüne und Linke diesen nicht mit tragen würden. Jennerjahn sagte dazu: „… Der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses Sachsen ist ein wenig überraschender Mehrheitsbericht. Sachsen sagt darin: Mit uns hat der NSU nichts zu tun. Das ist das Problem von Thüringen. (…) Dieses Ergebnis ist ernüchternd. Die politische Kampfstellung im Ausschuss hat die Ermittlungen schwierig gemacht. (…) Sachsen hat 10 der 15 Banküberfälle. (…) Von acht Themenkomplexen wurden fünf gerade mal angerissen. Frühzeitigen Erkenntnissen im Jahr 1998 wurden von den Ermittlungsbehörden in Sachsen nicht nachgegangen. Stattdessen wurde nur auf Thüringen geschaut. (…) Der sächsische VS hat seine Informationen – Es gibt ein Trio mit Geldnöten, das Waffen sucht – nicht an die Polizei weiter gegeben. (…) Sachsen hat eine unglaublich komplexe Ermittlungsstruktur. In der hat jeder vor sich hin ermittelt, aber hat niemand zusammengearbeitet. …“

PlakatebankGefragt nach den möglichen Lehren und Konsequenzen sagte Jennerjahn: Die Grünen in Sachsen seien der Auffassung, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen nicht reformierbar sei und deshalb aufgelöst werden müsse. Das operative Zentrum, das nach dem NSU geschaffen wurde, müsse sich ausschließlich auf rechte Strukturen ausrichten. Es gäbe genug Anhaltspunkte, dass Sachsen Fehler gemacht habe. Zudem werde es in Sachsen in absehbarer Zeit einen zweiten Untersuchungsausschuss geben.

Zum Ende dieser ersten Diskussionsrunde stellte der Moderator treffend fest, dass der Aufschrei der Bevölkerung nach dem Auffliegen des NSU, der eigentlich hätte kommen müssen, ausgeblieben ist.

Im zweiten Abschnitt des Abends ging es dann, wie angekündigt, um staatliches und nichtstaatliches Gedenken. Der Vertreter aus Hamburg beschrieb den Umgang der Stadt Hamburg mit dem Thema Gedenken so: Hamburg sei eine Tatortstadt. Er bezieht sich dabei auf Süleyman Taşköprü, der am 27. Juni 2001 in seinem Lebensmittelladen von Mitgliedern des NSU erschossen wurde.

Die Stadt Hamburg gehe mit dem Thema Gedenken an Süleyman Taşköprü und dem an Opfer rechter Gewalt überhaupt ambivalent um. Es wurde zwar eine Straße nach dem Opfer benannt. Aber bei der Schaffung des Gedenkortes wurde nicht auf die Wünsche der Betroffenen eingegangen. Statt der Mordstraße, habe eine Nebenstraße zum Großmarkt ohne Markierung, den Namen der Opfer bekommen. Die Stadt Hamburg betreibe damit lediglich Schlussstrichpolitik und nicht Gedenken.

Die Vertreterin von NSU-Komplex auflösen machte ähnlich schlechte Erfahrungen wie der Vertreter aus Hamburg, mit der Stadt Kassel. Zur Erinnerung: Am 6. April 2006 wurde Halit Yozgat als vermutlich neuntes und vorerst letztes Opfer des NSU in seinem Internetcafe getötet. Besondere Brisanz hatte dabei, dass während der Tatzeit ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen anwesend war.

Am 1. Oktober 2012 wurde durch die Stadt Kassel ein zuvor namenloser Platz in Halitplatz benannt. Das Problem ist, dass dieser Platz nichts mit dem Tatort zu tun hat und es sich zudem auch noch um eine Fläche vor dem südöstlichen Nebeneingang zum Kasseler Hauptfriedhof handelt.

Die Gründe dafür sah die Vertreterin von NSU-Komplex auflösen letztendlich ähnlich gelagert, wie in Hamburg. Ihrer Einschätzung nach ginge es immer auch um einen hegemonialen Kampf um Gedenkorte und Gedenken. Damit wiederholte und untermauerte sie ihre Aussage aus der Veranstaltung vom Nachmittag, dass Opfer und Betroffene immer klein gemacht werden.

In der weiteren Diskussion wurde dann schnell klar, dass sich Städte dem Thema Gedenken an Todesopfer rechter Gewalt nicht wirklich stellen. Sie würden versuchen das Thema zu verdrängen oder schnell und pragmatisch abzuhandeln. Die wurde von Miro Jennerjahn deutlich unterstrichen: „Diese Wahrnehmung ist richtig. Es werde immer da schwierig, wo es ganz konkret wird.“ Als ein Beispiel dafür nannte er Zwickau. Dort sei es ganz besonders schwierig. Seitens der Stadt wird sich gewehrt und geblockt, wenn es um die Schaffung von Gedenken geht. Man habe dort Angst, dass man damit ein negatives Image für die Stadt schaffe. Also ist dort die Devise: „Gras drüber!“. Aber das sei quatsch. Da wächst kein Gras drüber, so Jennerjahn und nannte als zweites Beispiel Wurzen. Die Stadt Wurzen sei in den 1990er Jahren bundesweit bekannt gewesen und wurde mit Keksen und Nazis in Verbindung gebracht. Daran sei aber die Stadt selbst schuld gewesen. Man hätte in Wurzen das Problem lange ignoriert. Heute hätte sich das geändert. Als ein anderer Bürgermeister kam, hätte sich dieser dem Problem gestellt und sagt: „Ja wir haben ein Problem mit Nazis“. Und es habe sich dadurch auch zum Guten gebessert.

In einem dritten und letzten Abschnitt ging es dann um nichtstaatliches Gedenken und um Kritik an der sogenannten „biodeutschen Antifa“, die ihr Handeln nicht an den Bedürfnissen der Opfer ausrichten würde. Hier entwickelte sich eine ausgesprochen kontroverse Diskussion:

Auf die Frage des Moderators, warum es innerhalb der Antifa eher unüblich ist, sich mit Gedenken und Gedenkpolitik zu befassen, antwortetet der Vertreter von Rassismus tötet: Viele Linke, antifaschistische und antirassistische Gruppen haben das Problem bisher noch nicht erkannt. Aber mittlerweile haben sich in allen Städten, in denen es NSU-Morde gab, Initiativen gegründet.

Im weiteren Verlauf übte die Thüringer LINKEN-Abgeordnete Katarina König direkte Kritik an der Art und Weise wie die „Biodeutsche Antifa“ mit dem Gedenken von Todesopfern rechter Gewalt umgeht. Unter anderem vertrat sie die Auffassung, dass Gedenksteine keine Würde zurückgeben könnten. Und sie gab an „Rassismus Tötet!“ gewandt, den „Guten Rat“, dass man es lassen solle, den Betroffenen einen Gedenkstein hin zu stellen, ohne die Angehörigen vorher zu fragen, ob sie das überhaupt wollen.

Die Vertreterin von „NSU-Komplex abschaffen“ schloss sich dieser Kritik direkt an. Auch sie plädierte dafür, dass man lebendiges Gedenken anders handhaben müsse, als so, wie das die weiße deutsche Antifa kennt. So sei zum Beispiel die größte und wie sie meinte wichtigste Gruppe beim NSU-Prozess in München die Nebenklage der Betroffenen MigrantInnen. Wie kann ich die VertreterInnen dieser Gruppe versuchen zu überzeugen, dass sie zu mir in die Stadt und auf meine Demonstration kommen sollen, wenn ich selbst aber nie nach München zum Prozess fahre?

Diese Kritik aufnehmend, wendete sich der Moderator an „Rassismus tötet“ und an die Initiative aus Hamburg, um provokant festzustellen, dass es ja Seitens der Leipziger Antifa gar keinen Kontakt zu Flüchtlingen bzw. Migranten in Leipzig gäbe. Und er stellte ebenfalls die These auf, dass sich Antifa stets Orte und Möglichkeiten suche bzw. Anlässe schaffe, nur um sich mit sich selbst zu beschäftigen.

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Der Vertreter der Initiative aus Hamburg widersprach dem Moderator. Die Organisierung in der Halskestraße habe ursprünglich als eine weiße deutsche Antifa begonnen. Mittlerweile haben sich aber auch einzelne Vietnamesen beteiligt. Man habe aber große Probleme, die vietnamesische Gemeinschaft und Organisation in Hamburg zur Mitarbeit zu bewegen. So habe sich die Initiative an einen der größten Verbände der vietnamesischen Community in Hamburg gewendet. Dieser will aber weitestgehend keine Gedenkarbeit. Die Begründung: Wir als Boatpeople sind der Stadt Hamburg dankbar, dass sie uns damals aufgenommen hat. Der Verband will kein Aufsehen und kein Ärger mit der Stadt. Aber das ist eben auch nur ein Teil. Das kann man nicht verallgemeinern. Andere sehen das anders.

Auch der Vertreter von Rassismus tötet! Leipzig widersprach vehement der Behauptung des Moderators. Er antwortet ausgesprochen empört auf diese harsche Kritik und wies sie als Unterstellung zurück. Man habe sich um Opfer rechter Gewalt bemüht und sich mit dem Kontext, den betroffenen Leuten und dem Thema ausführlich auseinander gesetzt. Es gäbe zwar bisher kaum Kontakt zu MigrantInnen in Leipzig und man wisse auch, dass das klar ein Mangel sei. Aber die Leute seien alle sehr bemüht, dies zu ändern.

Auf die Frage des Moderators, warum sich nichtstaatliches Gedenken immer an staatliche Orte und Institutionen und staatliches Handeln ausrichtet, antwortete die Vertreterin von „NSU-Komplex auflösen“, dass die Betroffenen eine Anerkennung des Staates, seiner Institutionen und von den Menschen in diesem Land erwarten. Und es sind nun einmal staatliche Orte, an denen diese Taten verübt werden. Und die öffentlichen Räume für Gedenkpolitik seien deshalb auch immer sehr hart umkämpfte Räume.

Zuletzt wurde noch festgestellt, dass das migrantische Wissen als Analyseform von rassistischen Verhältnissen ernst genommen werden muss und dass dies eine Konsequenz aus dem NSU sei.

Die Abendveranstaltung endete nach gut zwei Stunden. Leider und das ist sicher oft so, konnten nicht alle Fragen erschöpfend diskutiert und beantwortet werden. Alles in allem war dies aber eine sehr gute Veranstaltung. Und auch die BesucherInnen machten allgemein einen guten und zufriedenen Eindruck.

Eine kritische Nachbemerkung zur Aussage von Miro Jennerjahn über Wurzen ist hier aber noch notwendig. Was das Wurzen von Heute angeht, ignorierte Jennerjahn offensichtlich die Tatsachen und übte sich in Abwiegelei. Zwar ist es schon richtig, dass Wurzen heute aus den Schlagzeilen heraus ist. Aber das liegt im Wesentlichen daran, dass es dort schon lange weder Linke, Alternative noch MigrantInnen gibt. Den dortigen Neonazistrukturen, die so gefestigt sind wie eh und je, sind schlicht die Ziele ausgegangen. In Wurzen herrscht Burgfrieden. Niemand stört niemanden. Jeder lässt jeden einfach machen. So kann dann die örtliche CDU auch problemlos und in trauter Einigkeit mit AFD und NPD gemeinsam Heldengedenk- und Volkstrauertage begehen. Die Neonazi-Einzelhandelsstruktur kann sich in Wurzen ungestört entwickeln und bekommt auch noch Zulauf aus Leipzig. Das sagen zu mindestens die Leipziger Antifaschisten, die damals wie heute einen Blick auf Wurzen haben und sich nicht vom schönen Schein täuschen lassen.

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Am Sonntag dann gab es noch eine sehr konstruktive und angenehme Auswertungs- und Diskussionsrunde. Dies in einem kleineren Rahmen mit knapp 30 Leuten. Hier konnten Kritik formuliert und Anregungen gegeben werden. Einhellig waren alle mit Lob für die sehr gute Organisation, dem tollen Klima und dem reichhaltigen und guten Essen. Mit der Hoffnung auf eine Fortsetzung dieses Kongresses gingen die Leute erschöpft, aber sehr zufrieden auseinander.

Dir Organisationsgruppe des Kongresses hat angekündigt, dass es in naher Zukunft einen Kongressreader geben wird. Auch sollen die Vorträge und PowerPoint-Präsentation veröffentlicht und nutzbar gemacht werden. Wahrscheinlich wird dies auf der Website http://www.gedenkkongress.de oder über Facebook, Twitter bekannt gegeben und verbreitet.