Politik

Sehr geehrte Frau Ministerin von der Leyen,


Foto: Image Courtesy: Mueller / MSC, Licensed under the Creative Commons Attribution 3.0 Germany | Wikimedia Commons (bearbeitet)

nach dem Fund von Wehrmachtsdevotionalien in Bundeswehrkasernen hat der Generalinspekteur Ihrer Bundeswehr, Herr Volker Wieker, die Durchsuchung sämtlicher Kasernen und Bundeswehrgebäude angeordnet. Werden jetzt etwa die nach dem Nazi-Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannten Kasernen Ihrer Truppe in toto beschlagnahmt und in eine Asservatenkammer verbracht?
Sie erinnern sich gewiss, dass Sie im Juli 2014 der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf (Kreis Lippe) Ihren ersten Besuch abgestattet, in die Kameras gelächelt und diesen Standort als einen der wichtigsten der Bundeswehr gepriesen haben. Ob diese behauptete Wichtigkeit mit dem Namensgeber zu tun hatte, blieb im Ungewissen.


Foto: Archiv Jürgen Schneider

Rommel hatte 1939 seiner Gattin in einem Brief gestanden, das Vertrauen Adolf Hitlers, mit dem er »oft bei intimen Besprechungen« zusammenkomme, sei für ihn »die größte Freude, mehr als mein Generalsrang«. Hitlers Wehrmacht war für Rommel »das Schwert der neuen Weltanschauung«. Sicher ist Ihnen auch die Rolle Rommels beim nazistischen Vergeltungsterror in Italien bekannt. Benito Mussolini war gerade entmachtet worden, und Italien drohte an die Alliierten zu fallen. Rommel erteilte daraufhin im September 1943 die Weisung: »Irgendwelche sentimentalen Hemmungen des deutschen Soldaten gegenüber badogliohörigen Banden in der Uniform des ehemaligen Waffenkameraden sind völlig unangebracht. Wer von diesen gegen den deutschen Soldaten kämpft, hat jedes Anrecht auf Schonung verloren und ist mit der Härte zu behandeln, die dem Gesindel gebührt, das plötzlich seine Waffen gegen seinen Freund wendet.«
Wie wir der Presse entnahmen, wird besonders im Deutschen Panzermuseum in Munster, einer gemeinsamen Einrichtung der Stadt Munster und des Ausbildungszentrums Munster Ihrer Bundeswehr, ein nicht zu tolerierender Rommel-Kult betrieben: »Erwin Rommel wird im Panzermuseum geradezu als Lichtgestalt der Wehrmacht gefeiert. Neben seiner Originalfeldbluse findet sich auch seine Totenmaske im Ausstellungskasten. Rommel wird als militärischer Saubermann dargestellt, der nichts gemein hatte mit einem nationalsozialistischen Führungsoffizier.« (s. Rommels Bluse, in: Jungle World, Nr. 30, 24. Juli 2008)

Ein Journalist der Wochenzeitung Die Zeit zeigte sich 2012 fassungslos, »welche Ignoranz, welcher Nazimuff in einem Museum der Bundeswehr« fortleben. Er schildert seine Eindrücke von einem Rundgang durch das Panzermuseum: »[E]s ist nicht die arg schlichte Aufreihung von technischen Daten, die den zivilen Besucher zunehmend irritiert. Es ist die völlig ignorante Darstellung der deutschen Militärgeschichte. Da sehen wir beispielsweise ein Foto vom Freikorps Ehrhardt, ohne dass mit einem Wort erwähnt wird, wer dieser Haufen war: eine wüste Soldateska, die 1919 die Münchner Räterepublik zusammenschoss, die das Lied Hakenkreuz am Stahlhelm erfand (›Die Brigade Ehrhardt / Schlägt alles kurz und klein, / Wehe dir, / Du Arbeiterschwein‹) und aus deren Reihen sich später manch Völkermörder der SS rekrutierte. Die Machtübernahme 1933 heißt hier ›Regierungsantritt der NSDAP‹ – gewiss, so kann man es auch nennen. Generaloberst Heinz Guderian wird als ein ›berühmter Panzerführer des 2. Weltkrieges‹ vorgestellt, ohne dass auf seine Rolle bei der Verfolgung der Widerstandskämpfer vom 20. Juli hingewiesen würde oder auf die schwer begreifliche Tatsache, dass Guderian, der sich seine Verdienste vom ›Führer‹ hoch dotieren ließ, auch nach 1945 noch jene pries, die anders als Stauffenberg ›treu bis in in den Tod, treu ihrem Eid‹‹ gekämpft hatten.« (s. Der Kampf geht weiter, in: Die Zeit, 31.05.2012)

Mit der Nazi-Verherrlichung korrespondiert in Ihrem Panzermuseum eine pornographisch zu nennende Installation zum Einsatz Ihrer Truppe im afghanischen Kundus: »Der Besucher findet sich in einem aus Sandsäcken, Strohmatten und Tarnnetzen nachgebauten Bundeswehrlager wieder. Es ist verwaist, als seien die Soldaten gerade auf Patrouille. Der Blick in einen Wohncontainer zeigt eine karge, doch heimelige Welt: Das untere der Doppelstockbetten ist mit HSV-Wäsche bezogen, das Urlaubsfoto mit der Frau am Strand sachgerecht unter dem Passbild der Eltern an die Innenseite der Spindtür gepinnt. Auf einer schmalen Arbeitsplatte liegt die Bild aus (›Micaela zur Busenkontrolle‹).« (ibid.)

Auch in Munster werden also die mit der Durchsuchung von Einrichtungen Ihres Hauses Beauftragten nicht die geringsten Schwierigkeiten haben, Nazi-Devotionalien aufzufinden.

Zudem müssen wir auf die Büste für Rolf Johannesson in der Marineschule Mürwik in Flensburg-Mürwik hinweisen, die zweifellos ebenso leicht aufzufinden und zu entfernen sein wird. Der mit der Büste erst seit kurzer Zeit geehrte Nazi-Konteradmiral Johannesson hatte 1945 Todesurteile gegen Mitglieder der ›Widerstandsgruppe Helgoland‹ bestätigt, die danach vollzogen wurden. Näheres zum Fall Johannesson entnehmen Sie bitte der in Ihren Kreisen als seriös geltenden Frankfurter Allgemeinen Zeitung (vom 12.01.2017).
Über die vollzogene Entfernung der genannten Objekte und anderer Nazi-Paraphernalien wird Ihre gut aufgestellte PR-Abteilung sicher die Medien so gerne und umfassend unterrichten wie über Ihren Besuch in der Rommel-Kaserne. Die Vorbereitung des von Ihnen für den 24. Mai angesetzten öffentlichen Gelöbnisses in Trier – dort sollen auch fünf Soldaten vereidigt werden, die noch minderjährig sind – wird dafür wohl Zeit lassen. Äußerst gespannt sind wir auch, welche Erkenntnisse über Nazi-Netzwerke in der Truppe Sie uns offenbaren werden. Eine österreichische Zeitung hatte berichtet, der jüngst verhaftete Oberleutnant A., sei »europaweit vernetzt« gewesen, und er sei an die bei ihm sichergestellte Waffe im Umfeld eines Offiziersballs in Wien gelangt.
Um die Aufdeckung oder gar Zerschlagung von Nazi-Netzwerken – wir erinnern nur an die jahrelangen Cover-up-Praktiken im Falle NSU – hat sich Ihre Regierung bislang nicht sonderlich bemüht. Au contraire.
Mit den nun angeordneten Durchsuchungen ist freilich nicht viel gewonnen. Anlässlich des von Ihnen veröffentlichten Bundeswehr-Weißbuches 2016 hieß es in einer ausführlichen Würdigung dieser Schrift: »Der alte Heilsglaube, man könne den Globus mit Beherrschungswissenschaften und militärischem Instrumentarium in den Griff bekommen, eröffnet für uns Menschen keine Zukunft, sondern nur Abgründe.« (s. Militär-Weißbuch 2016: Nur PR-Wortgeklingel?, in: Telepolis, 27. August 2016)

Ausgezeichnete Hochachtung

Jürgen Schneider