eine Rezension von Jenz Steiner
Michael Schröter aus Berlin Prenzlauer Berg gehörte einst zu den Zeichnern des „Mosaik“. Mit „Mäcke Häring“, einer Graphic Novel-Kriminalserie bedient er seit sechs Jahren die Ästhetik der DDR-Kultzeitschrift. Viel spannender ist jedoch der gut recherchierte Einblick in das Berliner Kulturleben der Zwanziger Jahre mit den frühen Vorboten des aufkommenden Faschismus in Deutschland. Jenz Steiner hat sich Schröters aktuelle Veröffentlichung „Der Falsche Eckensteher“ genauer angesehen.
„Der falsche Eckensteher“ ist der sechste große Fall des Privatdetektivs Mäcke Häring. Mit dessen Spürsinn ergründet man eine Stadt im Übergang. Wieder knattert Mäcke Häring mit seinem Motorrad durch die brodelnde Metropole Berlin. Knifflig ist der Schnüfflerjob zwischen Alexanderplatz und Oranienburger Tor, zwischen Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Wie der maßlose Größenwahn der vermeintlichen „Goldenen Zwanziger“ einer Atmosphäre der Rücksichtslosigkeit und Depression weicht, bekommt Mäcke Häring von allen Seiten zu spüren. Kriminalität, soziale Not und Kälte, Misstrauen, Verzweiflung und politischer Populismus prägen die Stadt. Mäcke wird vorsichtiger, wortkarger, spürt, wie sich die Gesellschaft spaltet und polarisiert. Wohin die Reise geht, kann Mäcke noch nicht klar benennen. Dass es auch für ihn langsam eng und unbequem wird, spürt er schon deutlich.
Eine geheimnisvolle Hinrichtungszeremonie auf dem Hinterhof einer Schnappsbrennerei führt den Detektiv Mäcke Häring in dieser Folge in den Harz. Dort ticken die Uhren zwar noch anders als im lauten Berlin. Doch in den verschlafenen Dörfern ist die wirtschaftliche Not groß und wer kann, verhökert sein Tafelsilber, um über die Runden zu kommen.
Die Hektik, Rastlosigkeit und Unruhe der späten Weimarer Republik spiegelt sich in Michael Schröters Zeichnungen nun noch stärker als in den vorangegangenen Mäcke Häring-Bänden. Mit schneller Feder und grellen Farben zeichnet er ein hektisch beklemmendes Sittengemälde einer Stadt, deren Ecken uns vertraut vorkommen, deren einstige Lebendigkeit und Dynamik uns jedoch bislang verschlossen blieb.
Die Dialoge sind noch harscher, kürzer und geladener als in den bisherigen Mäcke-Häring-Abenteuern. An den Stellen, an denen Sprache das Geschehen nicht mehr erklären kann, bedient sich Michael Schröter der Stärken des Films, setzt die frühen antisemitischen Pogrome kraftvoll, actiongeladen und unkommentiert in Szene. Wie durch eine Kamera blickt man wortlos in die Straßen und Höfe, deren Klima kontinuierlich rauer wird.
Dass das Berliner Scheunenviertel einmal Zentrum jüdischen Lebens war, ist allgemein bekannt. Doch richtig vorstellen können wir uns das heute nicht mehr. Die Collagen überzeichneten Fotos und lassen diesen verschwundenen Teil der Stadt wieder auferstehen. Mäcke Häring führt uns durch eine Gegend, deren damalige Lebendigkeit heute surreal und weit weg wirkt.
Im Gegensatz dazu ist die politische Spannung in der Stadt, in der sich der umtriebige Privatdetektiv bewegt, sehr nahe an unserer Lebensrealität.
„Mäcke Häring – Der falsche Eckensteher“ ist eine sehr gut recherchierte Graphic Novel. Geschickt verwebt Michael Schröter in dieser Kriminalgeschichte Action und Spannung mit der Atmosphäre und dem Zeitgeist der ausklingenden neunzehnhundertzwanziger Jahre. Die Parallelen zur heutigen Zeit sind bedrückend und kommen nicht von ungefähr. Dieser Band transportiert, was Geschichtsbücher und Dokus nicht oder nur schwer vermitteln können: die emotionale, die menschliche Ebene des aufkommenden Faschismus in der niedergehenden Republik.
Michael Schröter:
Mäcke Häring – Der falsche Eckensteher.
Eene Kriminaljeschichte aus Berlin.
17,50 Euro