Kultur

Es hallt aus dem Tiroler Gebirg: »Sprachsalz« im dreizehnten Jahr

von Jürgen Schneider

John Giorno

John Giorno

»Yes, there is no hell, / there are no hell worlds of devils and demons, / other than the hell inside my mind / the hell inside my mind, / the hell inside your mind, / the hell you and I create around us / the hell we create around us / the hell we create around us, /and take with us into death.« So heißt es in dem Gedicht ›God Is Man Made‹ des New Yorkers John Giorno, dem William S. Burroughs, »a Grandpa from hell« (W.S.B über W.S.B), bescheinigte, eine neue Form der Dichtung hervorgebracht zu haben: »John schreibt seine Gedichte, um sie während einer öffentlichen Performance laut vorzutragen.« Gegen Giorno kann kaum einer der vielen Spoken-Word-Nachahmer bestehen. Wer mit dem Werk von Andy Warhol vertraut ist, kennt Giorno als Darsteller in dessen Film »Sleep«, ein Film, so Giorno, der wie ein abstraktes Gemälde wirke: Der Körper eines Mannes als ein Feld von Licht und Schatten. Dieser Tage ist John Giorno neben 14 weiteren Autor/inn/en bei »Sprachsalz« zu erleben, bei den Internationalen Literaturtagen in Hall, Tirol, die in diesem Jahr das Teufeldutzend erreichen. Menschen, die unter Triskaidekaphobie leiden, werden unserem Aufruf, diese Literaturtage, deren Organisatoren sich nicht um die jeweils aktuelle Literaturproduktion und fragwürdige Bestsellerlisten scheren, nicht zu versäumen, wohl nicht befolgen.

Mit William S. Burroughs und dessen Kollegen Brion Gysin gut bekannt war der Wahl-Basler Udo Breger, der in den 1970er Jahren zu jenen deutschsprachigen Autoren zählte, die ihre Einflüsse vor allem von der US-amerikanischen Literatur bezogen. Von 1968 bis 1975 betrieb er den Verlag Expanded Media Editions für Konzeptkunst und Autoren der Beat Generation. Zur Einstimmung auf »Sprachsalz« stellt sich Breger auf der »Sprachsalz«-Website mit Textproben vor, die vorwiegend aus seinem unveröffentlichten Manuskript »Road Stops« stammen und zumeist Begegnungen mit Gysin zum Gegenstand haben.

Aus Paris kommt Delphine Coulin nach Hall. Ihre Buch »Samba für Frankreich« (Aufbau Verlag, Berlin, 2015) handelt von einem Mann, der aus Mali nach Paris flüchtet und dort als Sans-Papier, als Zuwanderer ohne Aufenthaltsbewilligung, lebt. »Hatte er ein geringeres Anrecht darauf, hier zu leben? Von welcher Leidensschwelle an erhält man das Recht zu bleiben?«, fragt sich Samba. Aus Tel Aviv reist Lizzie Doron an. Im Reisegepäck wird sie ihren aktuellen Roman »Who the Fuck Is Kafka« haben (dtv, München, 2015), der von der fast unmöglichen Annäherung zwischen einer Israelin und einem Palästinenser erzählt. Heinz D. Heisl, einer der Sprachsalz-Organisatoren, schreibt darüber: »In dieser aberwitzigen Groteske wird keine Seite und also niemand geschont, und das ist gut so.«

Längst Tradition ist die Kooperation von »Sprachsalz« mit dem Musikfestival Klangspuren Schwaz. In diesem Jahr wird im Rahmen von »Sprachsalz« mit der komplexen Klangfeld-Textur »stele.blut« des Komponisten Hannes Kerschbaumer für arabischen Sprecher und Orchester ein Werk mit Texten des in London lebenden, politisch aktiven syrischen Dichters Nouri Al-Jarrah und seines Sohnes Rami vorgestellt.

Ernst Jandl kennt von lechts bis rinks jeder, nur die österreichische Post offenbar nicht. Als der Wortwerker Jörg Burkhard vor Jahren dem Kollegen Jandl ein Exemplar seines Romans »Der große Roman« zukommen lassen wollte, landete die Büchersendung bald wieder in seinem Heidelberger Briefkasten. Die Anschrift »Ernst Jandl, Wien, Österreich« war der Zustellung nicht dienlich. Die Wiener Postler stempelten fett und rot »UNBEKANNT« auf den Umschlag. Zum Abschluß von »Sprachsalz« wird Jandl, der österreichische Großmeister der Lautgedichte und der Sprachexperimente gewürdigt, der in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag feiern würde, wenn er noch unter uns weilte. Ariela Sarbacher, Thomas Sarbacher, Petra Ronner und Peter Schweiger werden Jandls »szenen aus dem wirklichen leben/ Die Humanisten« zu Gehör bringen. Vielleicht hört auch jemand von der Post zu.

Sprachsalz, Hall, Tirol, 11.-13. September 2015
www.sprachsalz.com